Editorial

Von Anfang an war der Europäische Qualifikationsrahmen und in seinem Gefolge der Deutsche Qualifikationsrahmen heftig umstritten. Auch innerhalb der Gewerkschaften reichten die Positionen von vorsichtigem Optimismus einerseits bis zu einer kritisch ablehnenden Position (vgl. den Beitrag von Nehls in dieser Ausgabe). Der wissenschaftliche Beraterkreis der Gewerkschaften ver.di und IG Metall hat in seinen Berufs-Bildungs-Perspektiven 2008 dem EQR sowie dem DQR umfassend Raum zur Verfügung gestellt.

Hermann Nehls: Deutscher Qualifikationsrahmen – Warum war und ist er so wichtig für Gewerkschaften?

Im ersten Beitrag wird die Situation am Anfang, also zu der Zeit als der Europäische Qualifikationsrahmen auch die Diskussion in Deutschland erreichte noch einmal in den Blick zu nehmen. Hermann Nehls vom DGB Bundesvorstand erinnert sich in seinem Beitrag wie „alles anfing“. Nach einer Beschreibung der zentralen Punkte der damaligen Diskussionen sieht er weiterhin Chancen non-formales und informelles Lernen in das nationale Qualifikationssystem einzubinden. Das war auch damals die Begründung dafür, dass sich die Gewerkschaften auf das neoliberale Teufelszeug aus Europa eingelassen hatten.

Mario Patuzzi: DQR – Hoffnung und Wirklichkeit

Mario Patuzzi vom DGB Bundesvorstand berichtet über die Erwartungen und Hoffnungen, welche die Gewerkschaften mit dem DQR verbunden haben und beschreibt, was davon aus Gewerkschaftssicht noch übrig ist. Er weist vor allem auf die Grenzen eines DQR hin, wenn er formuliert: „Weder ermöglicht er die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen noch ist er ein Validierungsinstrument. Für alle diese Herausforderungen benötigen wir weitere Instrumente.“

Sandra Bohlinger: Qualifikationsrahmen als Lehrstück politischer Mimikry

Dr. Sandra Bohlinger von der Universität Dresen setzt sich in ihrem Beitrag „Qualifikationsrahmen als Lehrstück politsicher Mimikry“ ebenfalls mit der Entstehungsgeschichte von EQR, NQR und DQR auseinander. In einer organisationstheoretischen Betrachtung kommt sie wie andere auch zu dem Ergebnis, dass der DQR „… keine rechtlichen Konsequenzen für alle jene hat, die auf mehr Durchlässigkeit, Mobilität, Gleichwertigkeit etc. gehofft haben, …“ aber immerhin zu dem halbwegs tröstlichen Schluss, dass der DQR dazu beitragen kann, nationalen Organisationen des Bildungssystems das Überleben zu sichern.

Dr. Knut Diekmann: ESCO und Europass – ist ein europäisches und erweitertes Linked in im Entstehen?

Nach dem DQR ist vor ESCO und Europass. Nachdem der EQR und damit verbunden der DQR nicht zu der Auflösung der Berufsbildung beigetragen hat, aber auch wenig in Bewegung gesetzt hat hinsichtlich der Vergleichbarkeit von Berufsabschlüssen in Europa könnte frei nach der formulierten These ESCO als ein weiterer Versuch der Europäischen Kommission angesehen werden, die (Berufs-)Bildungspolitiken der Mitgliedstaaten in den Griff zu bekommen. ESCO, das große Leitprojekt in der EU-Bildungspolitik könnte große Auswirkungen auch für die nationalstaatliche Autonomie haben.