Dr. Daniela Ahrens (Senior Researcher, Universität Bremen, Institut Technik und Bildung) und Dr. Roman Jaich (ver.di Bundesverwaltung und Mitglied der Redaktionsgruppe von DENK-doch-MAL)

Berufsausbildung mit ihrer breiten institutionellen Verankerung in Deutschland ist zentral für die Herstellung beruflicher Handlungsfähigkeit bei den Beschäftigten einerseits sowie für die Erstellung von hochwertigen Gütern und Dienstleistungen durch Betriebe und Verwaltungen andererseits. Gleichwohl führt dies nicht automatisch dazu, dass alle ausbildungsinteressierten jungen Menschen die Möglichkeit geboten wird, einen attraktiven Ausbildungsplatz zu erhalten. Vielmehr begleitet die Geschichte des Berufsbildungsgesetzes, dass in der Regel nicht ausreichend Ausbildungsplätze von Unternehmen angeboten werden. Auch aktuell erleben wir, dass die Zahl der ausbildenden Unternehmen zurückgeht, und zwar insbesondere bei Kleinstbetrieben. Entsprechend ist die Forderung nach einer gesetzlichen Regelung für ein ausreichendes Ausbildungsplatzangebot nicht neu:

  • 1976 beschloss die sozialliberale Koalition mit dem Ausbildungsplatzförderungsgesetz eine Ausbildungsplatzabgabe. Das Zustandekommen des Gesetzes wurde 1980 vom Bundesverfassungsgericht jedoch für verfassungswidrig erklärt.
  • 2004 hatte die damalige Rot-Grüne Bundesregierung eine Ausbildungsplatzabgabe auf de Weg gebracht, die mit den Stimmen der Rot-Grünen Koalition verabschiedet wurde. Der Bundesrat lehnte aber das Gesetz mit großer Mehrheit ab.

Zwanzig Jahre später, am 01. April 2024 ist die Ausbildungsgarantie im Rahmen des Gesetzes zur Stärkung der Aus- und Weiterbildungsförderung in Kraft getreten. Das Gesetz liegt zwar deutlich hinter den Erwartungen der Gewerkschaften, aber ist ein wichtiger Schritt im Kampf gegen die hohe Zahl ausbildungsplatzloser junger Menschen.  Gefordert hatten die Gewerkschaften insbesondere, dass die Ausbildungsplatzgarantie durch eine Umlagefinanzierung abgesichert wird. Mit dieser Ausgabe wollen wir nicht die Diskussion über die Chancen einer Umlagefinanzierung wiederholen, sondern uns damit auseinandersetzen, wie wir mit diesem Gesetz umgehen können und wie wir es erreichen, dass alle ausbildungsinteressierten jungen Menschen in Deutschland   ein Ausbildungsplatzangebot erhalten.

Wir starten die Ausgabe, indem wir einen Blick auf den aktuellen Ausbildungsmarkt werfen. Dr. Ute Leber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zeigt in ihrem Beitrag „Aktuelle Entwicklungen am Ausbildungsmarkt“ auf, dass auf dem Arbeitsmarkt weiterhin Handlungsbedarf besteht, der Fachkräftemangel hat nicht zu einer ausreichenden Entspannung beigetragen. „Zwar hat sich die Situation nach den Turbulenzen während der Corona-Krise zumindest teilweise wieder erholt, doch ist die duale Ausbildung weiterhin mit Herausforderungen konfrontiert. So steht der nach dem pandemiebedingten Einbruch wieder steigenden Zahl an Ausbildungsplätzen eine sinkende Zahl an Bewerber*innen gegenüber; hinzu kommen erhebliche regionale und berufsspezifische Diskrepanzen, die einen Ausgleich zwischen Ausbildungsplatzangebot und -nachfrage verhindern. In der Folge bleiben viele Ausbildungsplätze unbesetzt, zugleich gibt es viele Jugendliche, die bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz erfolglos bleiben.

Die Ausbildungsplatzgarantie ist eine Forderung der Gewerkschaften, insbesondere auch der Gewerkschaftsjugend. Kristof Becker und Julian Uehlecke, beide DGB Jugend, beschreiben in ihrem Beitrag „Der Einstieg ist geschafft – Die gesetzliche Ausbildungsgarantie und wie die Gewerkschaftsjugend sie bewertet“ die Erwartungen der Gewerkschaftsjugend an die Ausbildungsgarantie. Daran anschließend beschreiben und bewerten sie die Instrumente, mit denen die Ausbildungsplatzgarantie umgesetzt werden soll, aber auch das zentrale Element, dass (noch) nicht gesetzlich verankert ist: die Ausbildungsumlage. Sie enden mit einem ernüchternden Fazit: „Die beschlossene Ausbildungsgarantie kann eben nur ein Einstieg in weitere Verbesserungen beim Zugang in Ausbildung sein. Die jetzigen Maßnahmen sind nicht ausreichend und bleiben bereits zum Teil deutlich hinter ihren Zielsetzungen zurück. Das Herzstück einer jeden Ausbildungsgarantie, mehr betrieblichen Ausbildungsplätze zu schaffen, blieb unadressiert.“

Wenn die Ausbildungsplatzgarantie in den Blick genommen wird, geht es meist um deren Finanzierung. Es gibt aber noch weitere Ansatzpunkte. In ihrem Beitrag „Jugendberufsagenturen: Zwischen regionaler Vielfalt und der Notwendigkeit von Mindeststandards“ widmet sich Dr. Daniela Ahrens von der Universität Bremen den Jugendberufsagenturen (JBA) und ihren Potentialen zu. Aus ihrer Sicht können Jugendberufsagenturen mit Blick auf die Ausbildungsgarantie eine entscheidende Rolle dabei spielen, junge Menschen in das Ausbildungssystem zu integrieren. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, benötigen JBA auf verschiedenen Ebenen Unterstützung. Festzustellen ist jedoch, dass die Stärke der JBA – ihre regionale Ausgestaltung und Anpassung an die jeweiligen Ausbildungs- und Arbeitsmarktstrukturen gleichzeitig auch ihre Schwäche ist. Es gilt daher „… das Profil der JBA schärfen, ohne die notwendige regionale Ausgestaltung damit zu verhindern.“

Welche Potentiale Jugendberufsagenturen entfalten können, beschreiben Dr. Jens Stuhldreier und Martina Lüking aus dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen in ihrem Beitrag „Handeln in Verantwortungsgemeinschaft beim Übergang Schule Beruf in Nordrhein-Westfalen – Kein Abschluss ohne Anschluss und Jugendberufsagenturen – Erfahrungen mit der Kooperation und Umsetzung“.  Sie machen deutlich, dass die Integration von Jugendlichen in den Ausbildungsmarkt der Landesregierung am Herzen liegt. Die Folgen einer fehlenden Berufsausbildung sind oft fatal: kein guter Job, eine unstete Berufsbiografie und nicht selten Arbeitslosigkeit. Hier gilt es, in der gemeinsamen Verantwortung aller Partner wie z.B. Schule, Jugendhilfe, Ausbildungs- beziehungsweise Arbeitsförderung jungen Menschen berufliche Perspektiven zu eröffnen.

Wenn es um die Umsetzung der Ausbildungsplatzgarantie geht, sind insbesondere auch die Träger der Jugendsozialarbeit angesprochen. Reinhard Domurath, Karen Ruthe-Ullrich und Jan Radler von der inab -Ausbildungs- und Beschäftigungsgesellschaft des bfw beschreiben in ihrem Beitrag „Die Ausbildungsgarantie ist da – und nun? Eine Betrachtung aus Trägersicht“ die gesetzlichen Veränderungen und die zu erwartenden Folgen aus ihrer Sicht. Im Hauptteil geht es in ihrem Beitrag um die Einschätzung der Wirkung der neu gefassten außerbetriebliche Berufsausbildung und insbesondere auch der Einführung der „fortgeführten Betreuung“ beim Übergang in betriebliche Ausbildung, der sie eine zentrale Bedeutung einräumen. Aus Sicht der Autor*innen sind mit der Ausbildungsgarantie in ihrer derzeitigen Ausgestaltung durchaus Verbesserungen auf dem Ausbildungsmarkt zu erreichen. Es sind Elemente enthalten, die aus ihrer Sicht Wirkung entfalten werden. Die Wirkung wird aber wohl nicht ausreichen, um eine Problemlösung herbeizuführen.

Eine weitere Trägerperspektive auf die Ausbildungsplatzgarantie erfolgt durch Olaf Rother vom IB mit seinem Beitrag „Die Ausbildungsgarantie – Von einer ideologisch gespaltenen Debatte zu einem ambivalenten Instrumentarium“. Aus seiner Sicht ist die gesetzliche Regelung der Ausbildungsplatzgarantie das Ergebnis einer starken Polarisierung zwischen den wichtigsten Stakeholdern, den Gewerkschaften, den Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbänden sowie den zuständigen Stellen.  So führte die ideologische Spaltung zum ambivalenten Gesetz und damit zu „(k)einer Ausbildungsgarantie für alle“. Im Ergebnis nehmen aus seiner Sicht „die Herausforderungen zu und um sie zu lösen, muss die Diskussion um die Zukunft der Berufsausbildung in Deutschland auf gesamtgesellschaftlicher Ebene einen Neustart erfahren.“

Abschließend werfen wir einen Blick in das Ausland. Im Rahmen der Diskussion um eine Ausbildungsplatzgarantie wird regelmäßig der Blick nach Österreich angeraten. Prof. Marcus Eckelt von der TU Berlin unternimmt es für uns, in seinem Beitrag „Ausbildungsgarantie in Österreich. Was steckt dahinter und was kann in Deutschland davon gelernt werden?“ genauer zu schauen, was es in Österreich mit der Ausbildungsgarantie auf sich hat. Im Ergebnis plädiert Eckelt mit Blick auf die berufsbildungspolitischen Prozesse in Österreich durchaus dafür, „der neu eingeführten Ausbildungsgarantie eine Chance zu geben. Dabei sollten einerseits keine zu hohen Erwartungen geschürt werden. In der jetzigen Form kann nur ein recht kleiner Teil der jungen Menschen ohne Ausbildung erreicht werden. … Andererseits sollte genau analysiert werden, unter welchen Bedingungen zusätzliche außerbetriebliche Ausbildungsplätze eine berufsqualifizierende Alternative zu Maßnahmen des Übergangssektors darstellen und welche Gruppen davon besonders profitieren können.“

Autoren

  • Senior Researcher, Universität Bremen, Institut Technik und Bildung

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  • Dr. Roman Jaich, Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann, danach Erwerb der Hochschulreife und Studium an der Universität Kassel im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften mit volkswirtschaftlicher Ausrichtung. Im Anschluss an das Studium wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Kassel im Fachgebiet Wirtschaftsrecht von Prof. Bernhard Nagel. Mitarbeit an verschiedenen Forschungsprojekten, z.B. zur „Konstituierung Europäischer Betriebsräte“ und zur „Finanzierung von Bildung in Deutschland“. Arbeitsschwerpunkte: Ökonomische Analyse des Rechts, Ökonomische Analyse des Arbeitsrechts, Mitbestimmungsforschung und Bildungsökonomie. Promotion zum Thema „Globalisierung und Partizipation“. Mitarbeiter in der Geschäftsstelle der Expertenkommission „Finanzierung Lebenslangen Lernens“. ver.di Bundesverwaltung und Mitglied der Redaktionsgruppe von DENK-doch-MAL.

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