Dr. Roman Jaich (ver.di Bundesverwaltung und Mitglied der Redaktionsgruppe von DENK-doch-MAL) und Prof. Dr. Uwe Elsholz  (Professor an der FernUniversität in Hagen und Mitglied im Wissenschaftlichen Beratungskreis von ver.di und IG Metall)

KI ist mittlerweile in allen Lebensbereichen angekommen – oft schon mehr, als uns lieb ist. Und daher ist es schon einen Hinweis Wert, dass dieses Editorial ganz ohne KI-Unterstützung geschrieben wurde. Manche der Beiträge in dieser Ausgabe hingegen setzen KI fruchtbar und machen den Einsatz von KI auch entsprechend kenntlich.

Es sollte daher nicht überraschen, dass sich auch ddm dem Thema  widmet, um den Einfluss von KI – meist in Form eines Large Language Model (LLM) – auf die Bildung nachzugehen. Ergeben sich nachvollziehbar Schwierigkeiten, dass Phänomen KI auf gesellschaftlicher Ebene zu fassen, so wird es nur wenig einfacher, wenn der Untersuchungsgegenstand auf berufliche Bildung begrenzt wird. Auch hier gibt es unterschiedliche Facetten und Perspektiven, die sich zu allem Überfluss  nicht immer trennscharf abgrenzen lassen. Entsprechend und nicht weiter überraschend ein schwieriges Unterfangen, da sich Vieles  erst andeutet und  der Prozess sehr dynamisch ist. Nichtdestotrotz macht es gerade darum Sinn, sich anzunähern und mögliche Nutzenzuwächse aber auch Risiken zu identifizieren, denn jetzt sind die Weichen der weiteren Entwicklung noch nicht final gestellt, noch gibt es  Gestaltungsoptionen.

Entsprechend wollen wir mit mit dieser Ausgabe dem Thema KI auf unterschiedlichen Ebenen in den Blick nehmen. Wir fragen nach den Auswirkungen auf die  auf die Arbeitswelt, um daran anschließend auf Wirkungen auf (berufliche) Bildungsprozesse und -inhalte  konkreter zu betrachten.

Für einen informierten Überblick beginnen wir unsere Ausgabe mit einem Interview mit Uta Wilkens von der Ruhr-Universität Bochum. Die Expertin für den Einsatz von KI in der Arbeitswelt widerspricht Untergangsszenarien und wirbt für eine differenzierte Betrachtung. Sie macht darauf aufmerksam, dass bisherige Ergebnisse und Erkenntnisse zur Arbeitsgestaltung im KI-Zeitalter mitnichten obsolet sind, sondern in weitern Teil auch auf den Einsatz von KI zutreffen. Dieser ist in seinen Wirkungen eben kein Tsunami, sondern gestaltbar – nicht zuletzt von den betrieblichen Akteuren, aber auch durch (berufs-)bildungspolitisches Handeln.

Einen Überblick anderer Art liefern Uwe Elsholz und Ronny Röwert durch den Einbezug der Hochschulbildung in die Betrachtung. Sie vergleichen den Diskurs um KI und auch dessen vorrangige Einsatzgebiete zwischen der Berufsbildung und der Hochschulbildung. In der Gegenüberstellung der Bildungsbereiche werden einige Gemeinsamkeiten, aber  auch signifikante Unterschiede deutlich. Diese unterschiedlichen Reaktionsweisen bieten wiederum Anhaltspunkte dafür, an welchen Stellen die  Bildungsbereiche voneinander lernen können.

Oliver Nahm aus dem Bundesinstitut für Berufsbildung geht in seinem Beitrag davon aus, dass es kaum einen Bereich gibt, der schon jetzt so stark von KI betroffen ist – im Guten wie im Schlechten – wie die Bildung. Ihm geht es darum sowohl auf die enormen Potenziale insbesondere für die Berufsausbildung hinzuweisen wie auf deren erkennbaren handfeste Gefahren – ein Thema, das sich auch in mehreren anderen Beiträgen spiegelt.

An einem konkreten und höchst relevanten Thema, der Erstellung von Ausbildungsordnungen, beleuchten Johanna Telieps und Inga Schad-Dankwart aus dem Bundesinstitut für Berufsbildung den Einsatz von KI. Sie beschreiben, wie KI bereits modellhaft  im Neuordnungsprozess genutzt wird. Nach ihrer Einschätzung gewinnen Medien- und KI-Kompetenzen für alle an Ordnungsprozessen Beteiligte an Relevanz, da LLM als Hilfsmittel mittlerweile kaum mehr aus der Ordnungsarbeit wegzudenken ist. Neuordnungsverfahren werden zukünftig mehr und mehr Hand in Hand von Menschen und KI ablaufen. Ersetzen, so kann zu jetzigem Zeitpunkt gesagt werden, lässt sich jedoch kein Prozessschritt vollständig  durch die KI.

Maren Baumhauer greift mit dem Thema der KI-Agenten ein hochaktuelles Thema innerhalb der Diskussion um KI auf. Sie verbindet dieses eher technische Thema mit dem – zunächst sehr analog und menschlich – entwickelten Ansatz der Lernprozessbegleitung. In der Zusammenführung von technologischer Entwicklung mit einem berufspädagogischen Ansatz scheint so eine positive Vision der Nutzung Künstlicher Intelligenz auf.

Natàn Azabal und Lukas Schröder setzen an einer anderen Stelle an  und schildern für die Berufsberatung, welche Folgen und  welchen Gestaltungsraum es im Hinblick auf den Einsatz von KI in diesem Feld gibt. In den Blick geraten dabei sowohl die Arbeitsagentur als auch  Bildungsträger. Deutlich wird dabei, dass sich mit dem Einsatz von KI immer auch organisationale Fragen verbinden. Und es zeigt sich, dass sich die beruflichen Aufgaben der Berater:innen durch den Einsatz von KI verändern – im besseren Fall durch Entlastung von ungeliebten Routinetätigkeiten und zu Gunsten einer gestärkten Professionalität.

Der Professionalität und künftigen Anforderungen an Beschäftigte in Bildungseinrichtungen gehen auch Kathrin Schnalzer und Bernd Dworschak vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation nach. Sie zeigen auf, welche Kompetenzen Trainer*innen in der beruflichen Weiterbildung zukünftig erwerben müssen. Dabei werden technogische Kompetenzen – auch über KI-Kompetenzen hinaus – immer wichtiger. Zudem wird die Gestaltung hybrider Lernräume als relevanter Kompetenzbereich ausgewiesen, bei dem es auf ein Zusammenwirken pädagogischer und technologischer Kompetenzen ankommt. Nur so können Trainer*innen ihrer Rolle als kompetente Lernbegleiter*innen gerecht werden.

Aus einer Weiterbildungseinrichtung berichten Kurt-Georg Ciesinger und Stephan Mielke aus der Abteilung Forschung und Entwicklung (FuE) der DAA NRW. Sie zeigen am konkreten Beispiel, wie KI in Weiterbildungseinrichtungen verantwortungsvoll und datenschutzkonform eingesetzt werden kann – von der Recherche und Antragsskizzen über die didaktische Entwicklung bis zur Evaluation von Bildungsmaßnahmen. Im Mittelpunkt stehen praxiserprobte Anwendungsfälle sowie die gewonnenen Erkenntnisse, die sich unmittelbar auf andere Organisationen übertragen lassen.

Franziska Köpnick und Maxie Wolter von ver.di b+b stellen gemeinsam mit Alexander Silbersdorff von der Universität Göttingen die digitale Anwendung DIVA (Digitale InteressenVertretungsAssistentin) vor. Das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales geförderte Projekt vereint Wissenschaft und Praxis: Erforscht wird der Nutzen und Architektur der entwickelten KI und didaktische Einsatzmöglichkeiten in Seminaren. Es wird eindrucksvoll  gezeigt, wie eine KI unterschiedliche Rollen einnehmen kann und so eine wertvolle Unterstützung für die Arbeit von Interessenvertretungen darstellen kann.

Bianca Zickerick und Johanna Renker fokussieren ebenfalls auf die Rolle von Betriebsräten beim Einsatz von KI. Dabei arbeiten sie auch heraus, welche Kompetenzen Betriebsräte selbst benötigen, um ihre Mitbestimmungsrechte im Sinne der Beschäftigten zur Geltung bringen zu können. Zentral erscheint dabei einerseits ein eigenes Grundverständnis der Funktionsweise von KI. Ebenso wichtig ist es aber, auf konkreter betrieblicher Ebene ein Verständnis für den Umgang mit Daten zu haben bzw. zu entwickeln. Dabei geht es sowohl um die Erhebung von Daten, die Datenflüsse und den Gebrauch von Daten.

Claudia Dunst von der IG Metall Baden-Württemberg stellt abschließend dar, welche unterschiedlichen Entwicklungen sich auf betrieblicher Ebene zeigen. Dabei verweist sie auch auf den EU AI Act als Aufforderung und Möglichkeit zum Handeln. Für betriebliche Interessenvertreter ergeben sich hieraus sowohl Notwendigkeiten der eigenen Kompetenzentwicklung, die sich parallel mit der Herausforderung der betrieblichen Gestaltung des Einsatzes von KI entwickeln muss.

Insgesamt zeigen die verschiedenen Beiträge das breite Spektrum des Einsatzes von KI in unterschiedlichen Felder der beruflichen Bildung und der Arbeitswelt auf. Chancen und Gefahren sind dabei offensichtlich. Bei allem Neuigkeitswert bleibt jedoch auch sichtbar, dass eine die Veränderungen nicht naturgesetzlich daherkommen und aus Arbeitnehmersicht Mitsprache möglich und notwendig ist. Dazu bedarf es neben der eigenen Aneignung einer gewissen technischen Expertise der Betonung der klassischen gewerkschaftlichen und berufspädagogischen Prinzipien der Partizipation der Beschäftigten und der mutigen Mitgestaltung.

Autoren

  • Dr. Roman Jaich, Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann, danach Erwerb der Hochschulreife und Studium an der Universität Kassel im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften mit volkswirtschaftlicher Ausrichtung. Im Anschluss an das Studium wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Kassel im Fachgebiet Wirtschaftsrecht von Prof. Bernhard Nagel.
    Mitarbeit an verschiedenen Forschungsprojekten, z.B. zur „Konstituierung Europäischer Betriebsräte“ und zur „Finanzierung von Bildung in Deutschland“. Arbeitsschwerpunkte: Ökonomische Analyse des Rechts, Ökonomische Analyse des Arbeitsrechts, Mitbestimmungsforschung und Bildungsökonomie. Promotion zum Thema „Globalisierung und Partizipation“. Mitarbeiter in der Geschäftsstelle der Expertenkommission „Finanzierung Lebenslangen Lernens“. ver.di Bundesverwaltung und Mitglied der Redaktionsgruppe von DENK-doch-MAL.

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  • Uwe Elsholz hat eine Berufsausbildung zum Industriekaufmann absolviert und war als kaufm. Angestellter tätig. Sein Studium der Sozial-, Verwaltungs- und Erziehungswissenschaften an den Universitäten Konstanz und Hannover sowie der Fernuniversität in Hagen schloss er als Diplom-Sozialwissenschaftler ab (Universität Hannover). Dann war er Jugendbildungsreferent beim DGB Nord in Hamburg. Es folgten Stationen als wiss. Mitarbeiter an den Universitäten Bremen, der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg, dem Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) in Nürnberg und der TU Hamburg-Harburg. Nach der Promotion 2005 an der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg und der Habilitation 2012 an der TU Hamburg-Harburg ist er seit 2013 Professor für Lebenslanges Lernen an der Fernuniversität in Hagen. Außerdem ist er Mitglied im Wissenschaftlichen Beratungskreis von ver.di und IG Metall.

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