Digitalisierung von Bildungsprozessen:
Das Ende von Mühe und Kosten?
Bernd Käpplinger (Justus-Liebig-Universität Gießen)
Ein Einzelfall als Ausgangsbasis
Der Winter naht und die Digitalisierung von Bildungsprozessen wird wieder zum Thema. Dieses Mal ist es jedoch (noch) nicht die Corona-Krise, sondern die Energiekrise, die wie ein Katalysator zur Beschleunigung der Digitalisierung maßgeblich beiträgt. An meiner Universität regt das Präsidium mit großer Sorge angesichts explodierender Energiekosten mit recht großem Nachdruck an, dass nur noch von Montag bis Donnerstag die Heizung relativ normal für die Präsenzlehre läuft, während freitags und samstags möglichst nur digitale Lehre stattfinden soll. Lehrende und Studierende sollen (wieder) zuhause in ihren „Digital-Höhlen“ sitzen, um unter anderem Blockseminare so zu besuchen. Davon erhofft man sich, die Energiekosten der Universität in den Griff zu bekommen. Nur nebenbei seien Fragen wie die Folgenden aufgeworfen:
- Wie sozial ist ein solches Vorgehen? Welche finanzschwache Studentin oder Student kennt es nicht aus der eigenen Studienzeit, dass man im Winter Universitätsräume wie eine Bibliothek zum Lernen aufgesucht hat, um angesichts des schmalen Einkommens als Studierende zuhause die Energiekosten zu sparen?
- Wie volkswirtschaftlich sinnig ist eine solche, primär betriebswirtschaftliche Handlungslogik? Verbrauchen rund 30 Menschen dezentral in ihren „Digital-Höhlen“ vielleicht mehr Energie (Heizung + Strom) als 30 Menschen zentral in einem Raum? Was bedeutet das für die regionale Energiebilanz?
Dieses Beispiel ist bislang nur ein Einzelfall und hoffentlich wird dies auch so bleiben. Trotzdem möchte ich – an dem Einzelfall als Ausgangsbasis festgemacht – einige Grundsatzfragen diskutieren und zu einem noch bewussteren und kritischeren Umgang mit der Digitalisierung anregen.
Digitalisierung zwischen Hölle und Himmel
Nicht selten wird die Digitalisierung nur kritisch bis negativ gesehen, was auch in (erwachsenen-)pädagogischen Kreisen nicht selten ist. Wer aus der Motivation „Mit Menschen zu arbeiten“ studiert, ist oft nicht schnell begeisterungsfähig für neue Technik und digitale Ansätze. Während der Corona-Krise konnte man Stimmen in verschiedenen Bildungsbereichen hören wie „Mein Unterricht ist nicht digitalisierbar“ oder „Der entscheidende Lernfortschritt ist nur in der Präsenz zu erzielen“. Totalverweigerung ist kein seltenes Phänomen rund um Digitales. Für manche Lehrende bestand Digitalisierung des Unterrichts lediglich darin, Arbeitsaufgaben zu vermailen oder Dateien auf eine Lernplattform abzulegen. Entgegen dem eher journalistischen Mythos der sogenannten „Digital Natives“ (differenziert kritisch hierzu: Schulmeister 2012) ist es auch bei weitem nicht so, dass alle junge und jüngere Menschen für digitales Lehren und Lernen nur aufgeschlossen wären. Im Alltag ein Smartphone zu bedienen, Gaming in der Freizeit zu betreiben oder Fotos auf Social Media zu posten ist nicht dasselbe wie digital unterstützt zu lernen oder generell die Digitalisierung qualitativ hochwertig zu nutzen. Gamification (vgl. Becker/Metz 2022), d.h. die spielerische Aufbereitung von Lerninhalten, verspricht ein neues, leichtgängiges Lernen ohne oder mit wenig Mühe. Eher populärwissenschaftliche Autoren wie Manfred Spitzer (2018) stehen zudem an der Spitze der Front derjenigen, die immense gesundheitliche Risiken durch die Digitalisierung meinen erkennen zu können. Sinkende Aufmerksamkeitsspannen und exzessiven Medienkonsum werden zum Beispiel beklagt, was sicherlich empirisch fundiert zu untersuchen ist und auch nicht komplett zu unterschätzen ist, wenngleich seit Jahrhunderten neue Medien immer mit einer erheblichen Medienkritik (Hörisch 2004) versehen wurden. Radio oder Fernsehen wurden so kulturkritisch bei ihrer Einführung auch als Meilensteine zum Untergang der Menschheit angesehen. Auch dem Buchdruck wurde bei seiner Entstehung nicht nur Gutes zugesprochen. (ebenda, S. 128ff)
Generell stehen den kritischen bis negativen Stimmen oft nahezu diametral quasi „Digitalpredigende“ gegenüber. Diesen „Digitalpredigenden“ – oft Unternehmensberatungen, Start-Ups oder große Digitalkonzerne – versprechen eine rundum schöne neue Digitalwelt, wo nahezu alles möglich sei. Alles würde besser und die Kritikerinnen und Kritiker würden nur den sowieso unaufhaltsamen Fortschritt blockieren. Eine differenzierte Technologiefolgenabschätzung wie man sie eigentlich seit Jahrzehnten betreibt (vgl. von Westphalen 1997), ist diesen „Digitalpredigern“ unbekannt. Maßgeschneidertes Lernen mit kompletter Orts- und Zeitunabhängigkeit und leicht verdaubaren „Learning Nuggets“ oder „Wissensnuggets“, d.h. kleinen Lerneinheiten in einer Art Micro-Learning, die man mal schnell nebenbei erledigen kann auf dem Weg zur Arbeit, im Urlaubsdomizil oder wo auch immer einem der Sinn steht. Werbevideos rund um die von CDU-Abgeordneten in der letzten Legislaturperiode vorgeschlagene Plattform MILLA sendeten diese Botschaft der absoluten Leichtgängigkeit aus: „Du gehst mit Deinem Handy zur nächsten U-Bahn-Station oder wo auch immer und guckst dann halt keine Filme, sondern machst Deine Weiterbildungskurse und dann ist es Neducation statt Netflix“ (siehe Video ab Minute 4:50: https://www.youtube.com/watch?v=xiihS3lug-Q&t=17s). Lernen war anscheinend noch nie so einfach wie heute, wobei die leichte Zugänglichkeit zu Informationen und Inhalten via digitale Medien (vor-)schnell gleichgesetzt wird mit Lernen und Bildung und es wird eine komplette Entgrenzung des Lernens und Kolonialisierung des Privaten propagiert, wo es anscheinend nur auf die Individuen ankommt, dass sie etwas lernen. Im Video wird das Beispiel genannt, dass man ja abends auf der Couch lernen könne, wenn die Kinder schlafen (ebenda, Minute 0:55). Unterstützt von Risikokapital aus mancher fragwürdigen Quelle oder spekulativen Investitionen von großen Konzernen sind oftmals viele Inhalte, Plattformen und digitalen Lernangebote kostenlos bis kostengünstig. Zum Teil wird sich so erhofft, den Fuß zum Beispiel in den lukrativen, deutschen Schulbuchmarkt zu bekommen und wenn man dort angelangt ist, wird später der Zugang für Autorinnen und Autoren oder Lesende teuer. Ähnliches ist auf dem Fachzeitschriftenmarkt zu beobachten, wo Konzerne wie Springer oder Elsevier zwar Vielfalt suggerieren, aber letztlich ihre Monopole stärken (Thiel 2021) und mittlerweile Unsummen von Autorinnen und Autoren für die Publikation von Texten verlangen oder wo Universitätsbibliotheken zunehmend mehr für Lizenzen ausgeben können. Das Kalkül ist leicht durchschaubar. Zunehmende Marktmacht erobern mit zunächst günstigen Lockangeboten sowie mit den Nutzendendaten kommerziell arbeiten. Wenn man dann auf dem jeweiligen Markt platziert ist, wird der digitale Content sehr teuer und zum Teil recht exklusiv. Nur wer sehr naiv ist, kann übersehen, dass es bei der Digitalisierung auch um Macht, Kapitel und Interessen geht, die nicht immer menschenfreundlich angelegt sind. Die Plattformökonomie macht nicht vor dem Bildungs- und Weiterbildungsbereich Stop und es ist wichtig hier zumindest kritische Fragen zu stellen bzw. Gegenregulierung einzufordern (vgl. Groß 2021). Gegen neue Formen der Ökonomie ist prinzipiell auch nicht unbedingt etwas komplett ablehnend zu sagen, da natürlich auch früher Verlage im klassischen Printbereich selten Horte des Altruismus waren. Die aktuelle Um- und Neuverteilung der Märkte im digitalen Bereich muss jedoch kritisch beobachtet werden und wirft Fragen der Politischen Bildung und Mitbestimmung auf, die heute im digitalen Bereich ganz neu und anders ausgehandelt werden.
Wenn man sich diese Extreme zwischen kategorischer und habitualisierter Ablehnung des Digitalem und dem Sirenengesang der digitalen Verführerinnen also anschaut, dann liegt nahe, dass es einen mittleren Weg eigentlich bräuchte. Sich mit dem Digitalem fundiert befassen, Chancen und Risiken ausloten, eine Grundportion Skepsis gemischt mit Neugier am Neuen, wären gute Strategien. Rein persönlich fand ich die beschleunigten Digitalisierungserfahrungen der letzten Jahre sicherlich nicht immer schön (hier sei nur an die vielen schwarzen Kacheln bei Videokonferenzen in der Lehre zu denken oder aber auch an die während einem Seminar mit eigeschalteter Kamera ungeniert bügelnde Studierende), aber ich hatte auch viele schöne und anregende Erlebnisse, zum Beispiel:
- sich lange Reisen zu ersparen, um an einer nur wenige Stunden dauernden, konstituierenden Kommissionssitzung teilzunehmen,
- Menschen zunächst digital kennenzulernen bei Workshops und sich dann nach Monaten auch persönlich zu treffen,
- Volkshochschulkurse digital in ganz anderen Regionen Deutschlands zu besuchen, wo man nicht lebt und arbeitet, und so in andere regionale Kulturen reinzuschnuppern,
- Eine klassische Seminarmethode wie Fishbowl für den digitalen Raum ideenreich zu adaptieren,
- mit digitalen Veranstaltungen mehr Menschen als in der Präsenz zu erreichen und auch zu beobachten, dass für Menschen mit körperlichen oder familiären Einschränkungen digitale Bildungsräume deutlich barriereärmer sind oder
- dass Menschen mit kleinem Einkommen sich Reise und Hotel zu Tagungsorten oft nicht leisten können und am Digitalen deutlich leichter teilnehmen können.
In der Digitalisierung von Bildungsprozessen liegen auch viele Chancen. Barrierefreiheit, überregionale Vernetzung oder die größere Inklusion einkommensschwacher Gruppen sind hier einige Faktoren und ökologisch kann das Digitale auch ein Faktor sein, um die Klimakrise zu bewältigen bzw. ertragbar zu gestalten. Allerdings wird dem Digitalen allzu oft und zu schnell eine größere ökologische Nachhaltigkeit zugesprochen. Bedenkt man aber den – oftmals menschenfeindlichen – Abbau und die Begrenztheit sogenannter „Seltenen Erden“, den exponentiell wachsenden Energieverbrauch von Serverfarmen und Clouds, den Stromverbrauch beim Streaming von (Lern-)Videos oder insgesamt den immensen Berg an Elektroschrott angesichts kurzer Lebenszeit von Laptops und Smartphones, dann sollte man deutlich vorsichtiger damit sein, pauschal und generell dem Digitalen eine hohe Umweltfreundlichkeit zuzuschreiben. Auch hier zählt der genaue und informierte Blick statt zum Beispiel Bücher pauschal durch Tabletts etc. ersetzen zu wollen. „Downsizing“ (vgl. Dörr/Schöll 2022, S. 15) ist da ein wichtiges neben anderen Schlagwörtern in der ökologisch bewussten Digital-Szene. Dies meint eine Vereinfachung und ein bewusstes Gegensteuern, dass es nicht immer ein energieintensives Video braucht, Bild-Dateien auch in niedriger Auflösung produziert werden können und es vielleicht nicht immer Mails mit exzessiven Anhängen braucht, sondern vielleicht nur einen Link zu einer Cloud-Lösung. Letztlich gilt übertragen das, was man mit Blick auf einen Hammer spöttisch sagen kann: Mit einem Hammer kann man etwas Sinnvolles tun, wie einen Nagel in die Wand zu schlagen, man kann mit einem Hammer aber auch jemand den Kopf einschlagen! Digitalisierung ist nicht per se schlecht oder gut, sondern sie ist das, was wir daraus machen bzw. was wir mit uns machen lassen!
Digitalisierung als Sparinstrument?
Abschließend aber noch ein anderer Gedanke, der an den Einzelfall am Anfang anschließt. Eine große, indirekte Gefahr mit dem Digitalen rund um Bildungsprozesse ist, dass es nur ein Mittel der Ersparnis von Kosten und Mühe wird. Natürlich muss man auch im (Weiter-)Bildungssystem latent angehalten sein, mit Ressourcen effizient und effektiv umzugehen. Insofern ist die Einsparung von Kosten durch die Digitalisierung durchaus eine Chance, Ressourcen an der eine Stelle einzusparen, die man dann anderen Stellen einsetzen kann. Wenn zum Beispiel Lehrende gewisse Phasen der bloßen Übung durch digitale Tools aus dem Unterricht auslagern können, dann kann es Zeit dafür schaffen, im Unterricht direkt zu interagieren oder Feedback zu geben. Sogenannte Flipped-Classroom-Konzepte schaffen – erfolgreich umgesetzt – gute Chancen, dass die tatsächliche Präsenzbegegnung in einer erhöhten Qualität und Intensität stattfinden kann. Informationen nimmt man vorab im digitalen Raum auf und führt erste Übungen auch digital durch, aber in der Präsenz werden Fragen geklärt, Fehler besprochen und interaktiv wechselseitig Feedback gegeben.
Gefährlich ist aber, wenn Digitalisierung nur zur Kosteneinsparung und Reduktionen von Lehr- und Lernanstrengungen verwendet wird. Wenn zum Beispiel Betriebe und Unternehmen ihre Ausgaben für Bildung und Weiterbildung reduzieren. Man braucht keine Trainerinnen und Trainer mehr, die in Interaktion mit den Beschäftigten Wissen vermitteln und beim Kompetenzerwerb beraten, sondern man produziert einmal ein Lehrvideo oder Ähnliches, stellt das ins Intranet des Unternehmens und überlässt es den Beschäftigten sich das anzueignen oder auch ggf. nicht anzueignen. Teilweise gibt es gar keine ausgewiesenen Lernzeiten mehr (siehe bereits erwähntes Video zu MILLA) und es wird implizit erwartet, dass man sich selbst die Arbeitszeit so einteilt, dass darin Lernzeiten ihren Raum haben. Für Hochlehrende kann es einfacher sein, einmal Videoaufzeichnungen von Vorlesungen aufzunehmen und dann jahrelang die gleichen „Konserven“ den Studierenden vorzusetzen. Keine Aktualisierung aufgrund von neuen Erkenntnissen und kein Eingehen auf die Individualität von Studierenden und Verschiebungen zwischen verschiedenen Studierendengenerationen wären die negativen Folgen. Oder Studierende besuchen eine Lehrveranstaltung in Form einer Videokonferenz mit ausgeschalteter Kamera und hören bestenfalls phasenweise mal rein, was da so passiert. Podcasts sind besonders beliebt, weil man die so nebenbei hören kann, obwohl man aus der Lernforschung weiß, dass die Nutzung nur eines Sinneskanals beim Lernen selten zu qualitativ guten Lernergebnissen führt. Natürlich kann auch in der klassischen Präsenz der Gedanke abschweifen oder der Notizblock phantasievoll bekritzelt werden, aber die Digitalisierung von Bildungsprozessen bietet ganz neue „Chancen“, dass Lehren und Lernen nur noch simuliert wird, aber sich gerade in qualitativer Hinsicht wenig verbessert und viel verschlimmert. Vielleicht wird dann in Zukunft das Lehren und Lernen in Präsenz ein „Premiumprodukt“, was zum Beispiel in exklusiven Klausuren an tollen Tagungsorten nur noch Führungskräften als Incentive, d.h. als Belohnung zur Sicherung von Loyalität gegenüber der Unternehmensleitung gewährt wird? Für alle anderen Menschen und Beschäftigte könnte dagegen das digitale Lehren und Lernen eher eine lästige Pflichtaufgabe werden, wo man ohne menschlichen Kontakt vereinzelt sich durch digitale Lernwelten clickt, die aber qualitativ relativ wenig zu bieten haben. Schon jetzt stößt man in so manchen Betrieben und Unternehmen bei den Beschäftigten eher eine Abwehr gegenüber digitalen Lernformen, weil schon Erfahrungen mit minderwertigen digitalen Lernwelten bestehen. Die so erzeugte „verbrannte Erde“ belastet viele Nachfolgende, die digitales Lehren und Lernen in hochwertiger Form betreiben wollen.
Erst Lernen, Mühe und Muße machen uns zu Menschen
Letztlich ist Lernen eine zutiefst menschliche Aktivität. In der Tierwelt haben die meisten Wesen angeborene Instinkte oder ahmen allein das nach, was ihnen von der Umwelt vorgemacht wird. Menschen sind anthropologisch zutiefst darauf angewiesen zu lernen, um lebensfähig zu sein. Dies gilt bis ins hohe Alter, weil die gewollte Aufgabe der eigenen Lernfähigkeit und -bereitschaft die Gefahr von Krankheit und Tod deutlich erhöht. Es wäre verheerend, wenn durch die Digitalisierung von Bildungsprozessen die Illusion genährt würde, dass man nicht mehr lehren und lernen müsse. Lernen und Lehren sind zudem oftmals mühevoll und weit davon entfernt nur eine Freude zu sein. Das mag altmodisch klingen und nicht attraktiv wirken, aber zum Beispiel würde kein Sportler sagen, dass das Trainieren nur Spaß macht und dass man besondere Leistungen mit wenig Anstrengungen erreichen könnte. Beim digitalen Lernen soll dagegen vieles spielerisch leicht gelingen überall und zu jeder Zeit. Ansätze von Gamification beim Lehren und Lernen sind ohne Zweifel interessant und zu verfolgen, aber es wäre eine Illusion, dass jegliches Lehren und Lernen nur noch Spaß sein könne. Dafür sind in unserer komplexen Welt und angesichts der Zukunftsprobleme zu viele Inhalte zu anforderungsreich, die man nicht immer in einem Spiel bearbeiten kann. Zudem hebt wenig so sehr das Selbstwertgefühl und Selbstwirksamkeit wie die Erfahrung etwas erfolgreich gelernt zu haben und darin auch einiges an Mühe und Muße investiert zu haben. Es mag wider den Zeitgeist sein, aber es gibt nicht für alles eine schnelle Belohnung.
Auch aus Sicht der Erwachsenenbildung kann die Erfahrung, etwas im fortgeschrittenen Alter noch erfolgreich zu lernen, nachdem zuvor jahrelang ignorante und schlechte Lehrende die Lernfähigkeit abgestritten hatten, besonders erhebend und ermutigend sein. Wir sollten sehr vorsichtig damit sein, uns das Lernen nicht ersparen zu wollen durch Digitalisierung und ihre häufige Oberflächlichkeit oder Reduktion von Komplexem of binäres Eins oder Null. Gamification muss aufpassen, dass sie nicht zur Infantilisierung führt. Wir müssen m.E. sehr darauf achten, dass Digitalisierung von Bildungsprozessen nicht zu einem Qualitätsverlust beim Lehren und Lernen führt. Lernen braucht oft Muße, wenngleich die schönen neuen, digitalen Lernwelten genau dies jedoch nicht bieten. Und dies ist Teil einer undemokratischen Agenda, wo von der Breite der Bevölkerung ein Lernen überall und zu jeder Zeit basierend auf individueller Work-Life-Balance und ständigem Optimierungsdruck zum Beispiel im Zug zur Arbeit oder abends, wenn die Kinder schlafen, als neue Norm gesetzt wird. Es macht Sinn, dass Lernen oft eigene Räume und Zeiten braucht und kein ruheloses Lernen „zwischendrin“ werden sollte.
Literatur:
Becker, W./Metz, M. (2022): Digitale Lernwelten – Serious Games und Gamification. Wiesbaden.
Dörr, S./Schöll, I. (2022): Praxisboxen nachhaltig digital. Bonn.
Groß, S. (2021): Die Macht der Tech-Konzerne brechen. In: Süddeutsche Zeitung vom 12.11.2021. Online: https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/digitalisierung-plattformen-regulierung-wettbewerb-arbeitsbedingungen-1.5462755?reduced=true#:~:text=Plattform%C3%B6konomieDie%20Macht%20der%20Tech%2DKonzerne%20brechen&text=Amazon%2C%20Airbnb%20und%20Gorillas%20machen,die%20Arbeiter%20jetzt%20sch%C3%BCtzen%20muss [Abrufdatum: 10.10.2022]
Hörisch, J. (2004): Eine Geschichte der Medien. Frankfurt/Main.
Schulmeister, R. (2012): Vom Mythos der Digital Natives und der Net Generation. In: BWP – Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis 3, S. 42-46. Online: https://www.bwp-zeitschrift.de/dienst/veroeffentlichungen/de/bwp.php/de/bwp/show/6871 [Abrufdatum: 10.10.2022]
Spitzer, M. (2018): Die Smartphone- Gefahren für Gesundheit, Bildung und Gesellschaft. Stuttgart.
Thiel, T. (2021): Sie reden von Vielfalt und stärken das Monopol. FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 11.08.2021, S. N4.
von Westphalen, R. (1997): Technikfolgenabschätzung als politische Aufgabe. München.