Prof. Dr. habil. Matthias Knuth (Verein für die Integration von hochqualifizierten Zuwanderinnen und Zuwanderern)
1. Die Anfänge: das Arbeitsförderungsgesetz von 1969
In der Urfassung des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) war die Förderung einer beruflichen Fortbildung nicht von Arbeitslosigkeit abhängig, sondern konnte auch — mit entsprechend verlängerter Laufzeit der Maßnahme — berufsbegleitend in Teilzeit stattfinden (§ 41 AFG Urfassung). Auch eine Umschulung in eine andere berufliche Tätigkeit konnte für Beschäftigte gefördert werden, wenn für diese ein Arbeitslosigkeitsrisiko bestand – z.B. wegen künftigen Wegfalls ihrer Tätigkeit aufgrund der technischen Entwicklung (§ 47 AFG-Urfassung). Beschäftigte, die ihre Arbeitszeit zum Zwecke einer Fortbildung oder Umschulung um mindestens ein Drittel verkürzten, erhielten für die ausgefallene Arbeitszeit das anteilige Unterhaltsgeld, das höher war als das Arbeitslosengeld und zeitweilig 90% des Bemessungsentgelts ausmachte. In der Gesetzesbegründung wurde zum Ausdruck gebracht, dass die damalige Bundesanstalt für Arbeit „zu einem wirkungsvollen Instrument der beruflichen Bildungspolitik der Bundesregierung werden“ sollte (Deutscher Bundestag 1967, S. 54). Dieses Ziel wiederum stand in einem Begründungskontext von Strukturwandel und technischem „Fortschritt“, der sich allenfalls in der Wortwahl graduell von heutigen Diskursen unterschied. Die Weiterbildungsförderung sollte zur Deckung des Fachkräftebedarfs, zur Förderung der beruflichen Mobilität und damit zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit beitragen.
In den 1970er Jahren war nur eine Minderheit Teilnehmenden unmittelbar zuvor arbeitslos gewesen (Hofbauer 1977, S. 471); die übrigen müssen, sofern es sich nicht um Berufsrückkehrer*innen handelte, während ihrer geförderten Weiterbildung beschäftigt gewesen sein. In den Anfängen der aktiven Arbeitsförderung war also die Weiterbildungsförderung auch von Beschäftigten ein selbstverständlicher und quantitativ bedeutsamer Bestandteil gesellschaftlicher Modernisierungs‑ und Bildungspolitik, dessen Finanzierung aus Beitragsmitteln seinerzeit kein Streitpunkt war. Die administrative Abwicklung muss relativ einfach gewesen sein: Die Teilnehmenden verkürzten ihre Arbeitszeit und erhielten für die Zeiten der Weiterbildungsteilnahme eine Lohnersatzleistung direkt von der Arbeitsverwaltung. Die Personalabteilungen der Betriebe waren — anders als heute — in die finanzielle Abwicklung nicht involviert. Voraussetzung war eine Lohnersatzleistung bei Weiterbildung, die annähernd dem Nettolohn entsprach.
2. Vom AFG bis zum SGB III: von der Modernisierungsstrategie zur Teilkaskoversicherung
In den knapp 30 Jahren von der Einführung des AFG bis zu seiner Überführung in das SGB III im Jahre 1998 wuchs der Textumfang der Regelungen zur Fortbildung und Umschulung auf den zweieinhalbfachen Umfang an. Abgesehen von der möglichen Übernahme von Kinderbetreuungskosten war dieser Zuwachs nicht der Eröffnung neuer Förderungsmöglichkeiten geschuldet, sondern der Einführung immer restriktiverer und differenzierterer Voraussetzungen der Förderung. Den schärfsten Einschnitt bildete hier wohl das Haushaltsstrukturgesetz von 1975 im Gefolge der ersten Ölpreiskrise, wonach Unterhaltsgeld nur noch bei Teilnahme an Maßnahmen mit ganztägigem Unterricht und vollständigem Wegfall des Arbeitseinkommens gezahlt wurde: „Teilnehmern an Maßnahmen mit berufsbegleitendem Unterricht ist es im Interesse einer stärkeren Eigenbeteiligung zuzumuten, den verhältnismäßig geringen Verdienstausfall selbst zu tragen“ (Deutscher Bundestag 1974, S. 50). Zudem wurde die Förderung von Maßnahmen ausgeschlossen, „die im überwiegenden Interesse des Betriebes liegen“.[1] — Damit war die Weiterbildung Beschäftigter faktisch beendet — zu Beginn einer Phase beschleunigten Strukturwandels. Die Arbeitslosenquoten verdoppelten sich in der ersten Hälfte der 1980er Jahre. Viele weitere haushaltspolitisch begründete Einschränkungen reduzierten die 1969 mit großem gesellschaftspolitischen Gestaltungsanspruch gestartete aktive Arbeitsmarktpolitik auf eine Teilkaskoversicherung, die nur noch für das sehr eng umrissene Risiko der Arbeitslosigkeit einen nur noch unvollständigen Schutz bot. In dieser Logik hatte eine präventive Förderung der Weiterbildung von Beschäftigten keinen Platz mehr. Die Reduzierung des Unterhaltsgeldes auf das Niveau des Arbeitslosengeldes und seine spätere vollständige Abschaffung verbauten den Weg zurück in eine direkte Förderung von Beschäftigten; diese war künftig nur noch über die Lohnabrechnungen der Betriebe möglich.
3. WeGebAU: Erste Schritte zum Wiedereinstieg in die Beschäftigtenförderung
Einen ersten und zaghaften Weg zurück in die Weiterbildungsförderung für Beschäftigte brachte das „JobAQTIV-Gesetz“ von 2001 mit der Möglichkeit der Weiterbildungsförderung von über 50-Jährigen in Betrieben mit weniger als 100 Arbeitnehmer*innen. Es kann nicht überraschen, dass die Inanspruchnahme bei dieser engen Zielgruppendefinition gering war; erst nach Erweiterung zum Sonderprogramm WeGebAU (Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter älterer Arbeitnehmer in Unternehmen) kam es überhaupt zu einer statistischen Erfassung mit etwa 2.000 Förderfällen im Jahre 2006 (Lott und Spitznagel 2010). Erst 2012 rückte die (Weiterbildungs-) „Förderung besonderer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“ – das waren über 45-Jährige in Betrieben mit weniger als 250 Beschäftigten – in den Status eines unbefristeten Regelinstruments auf (§ 82 SGB III). Gefördert wurden nur die Maßnahmekosten, während der Arbeitgeber die Lohnkosten für die Teilnahmezeiten voll zu tragen hatte. Mit dem Weiterbildungsstärkungsgesetz von 2016 wurde als „Beitrag zur Fachkräftesicherung sowie zum Erhalt und zur Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit Beschäftigter in kleinen und mittleren Unternehmen“ für Betriebe mit weniger als 250 Beschäftigten eine altersunabhängige Förderungsmöglichkeit für Maßnahmen außerhalb der Arbeitszeit eingeführt, die an die Voraussetzung geknüpft war, dass der Arbeitgeber mindestens 50% der Maßnahmekosten trug (Deutscher Bundestag 2016).
4. Qualifizierungschancengesetz
Mit dem 2019 in Kraft getretenen Qualifizierungschancengesetz wurde die Weiterbildungsförderung für Beschäftigte erheblich erweitert, „um denjenigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine Anpassung und Fortentwicklung ihrer beruflichen Kompetenzen zu ermöglichen, die berufliche Tätigkeiten ausüben, die durch Technologien ersetzt werden können, in sonstiger Weise von Strukturwandel betroffen sind oder eine Weiterbildung in einem Engpassberuf anstreben“ (Bundesrat 2018, S. 3).[2] Der im Vergleich zu 2012 erheblich weiter gefasste Anspruch drückte sich auch darin aus, dass der Titel des § 82 SGB III von „Förderung besonderer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“ geändert wurde in „Förderung beschäftigter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“. Zentrale Anknüpfungspunkte im Begründungskontext dieses Gesetzes waren Digitalisierung, demografischer Wandel und Fachkräfteengpässe. Das Instrument war auch nutzbar für abhängig Beschäftigte im aufstockenden SGB II-Leistungsbezug.
Die Förderung wurde für Arbeitgeber attraktiver gestaltet, indem für Zeiten der Weiterbildung nunmehr Zuschüsse zum Arbeitsentgelt vorgesehen wurden. Die Förderkulisse in ihrer Gesamtheit war jedoch überaus komplex, da die Förderkonditionen, insbesondere die Anteile der Kostenübernahme durch Arbeitsagenturen oder Jobcenter, u.a. nach Betriebsgröße, Alter der Teilnehmenden, Schwerbehinderung und fehlendem Berufsabschluss differenziert wurden, und dieses in unterschiedlicher Weise für die Maßnahmekosten und die Zuschüsse zum Arbeitsentgelt. Ob es an der Komplexität der Förderkonditionen oder an der Corona-Pandemie lag, die betriebliche Entscheidungsprozesse ebenso wie Verwaltungsprozesse gehemmt hat — einen Boom der Inanspruchnahme, der auch nur annähernd der Tragweite der gesetzlichen Öffnung entsprochen hätte, hat es jedenfalls nicht gegeben (siehe unten, Abbildung 1).
5. Arbeit-von-morgen-Gesetz
Mit dem „Gesetz zur Förderung der beruflichen Weiterbildung im Strukturwandel und zur Weiterentwicklung der Ausbildungsförderung“, wegen des sperrigen Titels auch politisch kommuniziert als „Arbeit-von-morgen-Gesetz“, sollte die „Verantwortung der Sozialpartner für die Weiterbildung der Beschäftigten … verstärkt und präventives gemeinsames Handeln für beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unterstützt werden“ (Bundesregierung 2020). Die anteiligen Zuschüsse zu Maßnahme‑ und Lohnkosten wurden erhöht, wenn mindestens 20% der Beschäftigten eines Betriebes einer Anpassung der beruflichen Kompetenzen bedurfte. Damit wurden in die ohnehin schon komplexe Förderkulisse zwei weitere Variablen eingeführt, nämlich einerseits das Vorliegen einer Betriebsvereinbarung oder tariflichen Regelung über die betriebsbezogene berufliche Weiterbildung, und andererseits der schwierig zu beurteilende und exakt zu messende qualifikatorische Anpassungsbedarf. Durch Einführung eines Sammelantragsverfahrens ab 2021 sollte das Verfahren vereinfacht werden; jedoch wurden bis 2022 nur etwa 10% der Förderfälle über das Sammelantragsverfahren realisiert (Bundesagentur für Arbeit – Statistik/Arbeitsmarktberichterstattung 2023).
6. Weiterbildungsförderungsgesetz
Mit dem „Gesetz zur Stärkung der Aus- und Weiterbildungsförderung“ von 2023 wurde versucht, durch zahlreiche punktuelle Änderungen die Förderkulisse der Weiterbildungsförderung für Beschäftigte wieder zu vereinfachen und Restriktionen zu lockern. Die Ausschlusszeiten für vorgängige Aus‑ oder Weiterbildungsteilnahmen der zu fördernden Beschäftigten wurden von vier auf zwei Jahre halbiert, die Staffel der Betriebsgrößen wurde um eine Größenklasse vermindert, und die gerade erst eingeführte verstärkte Förderung von Betrieben mit mindestens 20% „Kompetenzaktualisierungsbedarf“ wurde aus dem § 82 SGB III ebenso gestrichen wie die Zielbestimmungen „technologische Ersetzbarkeit“, „besondere Betroffenheit vom Strukturwandel“ und „Engpassberuf“ mitsamt ihren Ausnahmen, um Raum zu schaffen für ein neues, alternativ einzusetzendes Förderinstrument.
Denn seit dem 1. April 2024 gibt es für Beschäftigte, denen der Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund von Strukturwandel droht, alternativ zur Weiterbildungsförderung innerhalb des Beschäftigungsverhältnisses mit vollem, ggf. mit Arbeitsentgeltzuschuss gefördertem Lohn das Qualifizierungsgeld als über den Betrieb administrierte Lohnersatzleistung (§ 82a SGB III). Es geht zurück auf Vorschläge der IG Metall zu einem „Transformations-Kurzarbeitergeld“ (IG Metall Vorstand 2019) und ist dem Kurzarbeitergeld nachgebildet. In der Gesetzesbegründung wird stärker als bei den früheren Gesetzesänderungen auf die Terminologie der „Transformation“ zurückgegriffen. Es geht um die „3-D“ des Strukturwandels (Demografie, Digitalisierung, Dekarbonisierung) (Deutscher Bundestag 2022).
Beschäftigte erhalten das Qualifizierungsgeld als Lohnersatzleistung für Zeiten, während derer sie wegen Teilnahme an einer Weiterbildung nicht arbeiten. Sozialversicherungsbeiträge sowie das Entgelt für Feier‑ und Urlaubstage sind wie beim Kurzarbeitergeld vom Arbeitgeber zu zahlen. Die Nutzung dieses Förderinstruments setzt den Abschluss einer entsprechenden Betriebsvereinbarung oder eines Tarifvertrages voraus. In der Regel werden sich die Betriebsräte oder Gewerkschaften nur darauf einlassen, wenn der Arbeitsgeber sich zu Aufstockungszahlungen verpflichtet, mit denen der Nettolohnverlust weitgehend ausgeglichen wird. Die Maßnahmekosten muss der Arbeitgeber vollständig finanzieren, was aber insofern mehr Flexibilität erlaubt als bei der Förderung nach § 82 SGB III, als nur der Träger, nicht aber die Maßnahme zugelassen sein muss. Die verwaltungstechnische Umsetzung dürfte einfacher sein als bei der Förderung nach § 82; aber nur für sehr große Betriebe, für die in § 82 niedrige Zuschussquoten vorgesehen sind, dürfte das Qualifizierungsgeld finanziell günstiger sein.
7. Inanspruchnahme der Förderungen
Mit der Erweiterung der Weiterbildungsförderung für Beschäftigte ging die Einführung einer eigenständigen statistischen Berichterstattung einher, die zwar monatliche Daten liefert, aber nur einmal jährlich im Frühjahr für das vergangene Jahr fortgeschrieben wird (Abbildung 1). Folglich lässt sich bei Redaktionsschluss die Zeitspanne von 2019 bis einschließlich 2023 überblicken, womit die Änderungen durch das „Arbeit-von-morgen-Gesetz“ umfasst sind, aber nicht diejenigen durch das „Weiterbildungsförderungsgesetz“.
Abbildung 1: Monatliche Bestände von Teilnehmenden der Beschäftigtenqualifizierung — SGB III und SGB II[3]
In diesem Zeitraum stieg der jeweilige monatliche Bestand von geförderten Personen von anfangs etwa 30.000 auf Ende 2023 etwa 45.000, also um 50%. Bei der Bewertung dieser Entwicklung ist zu berücksichtigen, dass sich die Corona-Pandemie auf die Nutzung des Instruments bremsend ausgewirkt haben dürfte. Bezogen auf die Gesamtheit der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ohne Auszubildende haben Ende 2023 etwa 0,14% der Beschäftigten an einer geförderten Weiterbildung teilgenommen. Die beschäftigten Teilnehmenden machen etwa ein Fünftel, die nichtbeschäftigten etwa vier Fünftel der Weiterbildungsförderung beider Rechtskreise aus (Bundesagentur für Arbeit – Statistik 2024b).
Statistische Informationen über die Inanspruchnahme von Qualifizierungsgeld sind bei Redaktionsschluss noch nicht verfügbar.
8. Diskussion
Die Förderung der Weiterbildung von Beschäftigten zwecks Anpassung an sich verändernde Arbeitsanforderungen war schon bei der Einführung des Arbeitsförderungsgesetzes im Jahre 1969 ein zentrales Thema. Das prozyklische Muster der Arbeitsmarktpolitik — wenn arbeitsmarktpolitische Interventionen am dringendsten sind, fehlt das Geld dafür — drängte diesen Aspekt der Arbeitsmarktpolitik jahrzehntelang zurück. Seit etwa 2016, bei zunehmenden Arbeitskräftemangel, niedrigen Arbeitslosezahlen im Rechtskreis des SGB III und folglich günstiger Haushaltslage der Bundesagentur für Arbeit, ist es wieder zu einem immer dringlicheren gesetzgeberischen Anliegen geworden, die Betriebe durch Förderangebote zu vorausschauenden und präventiven Qualifizierungsstrategien zu motivieren. Die zunehmende Dringlichkeit des Anliegens ist abzulesen an der Erhöhung der Schlagzahl von Gesetzesnovellierungen, weniger deutlich hingegen an der Zunahme der Inanspruchnahme der Förderung.
Die Gesetzesänderungen lassen weder eine strategische Logik erkennen, noch stützen sie sich auf Erkenntnisse der Evaluationsforschung. Die Gesetzesbegründungen sprechen — bei Anpassung der Wortwahl an die jeweils aktuellen Sprachmoden — seit 55 Jahren in allgemeiner Form den gleichen Zusammenhang von technisch-organisatorischem Wandel, Obsoleszenz von beruflichen Qualifikationen sowie das Paradox von individuell drohender Arbeitslosigkeit bei gleichzeitigem gesellschaftlichen Fachkräftemangel an. Es finden sich darin jedoch keine Begründungen, inwiefern eine konkrete Regeländerung geeignet sein soll, die betriebliche Inanspruchnahme zu steigern und damit die Ziele der Gesetzgebung zu erreichen. Die im einzelnen vorgenommenen Änderungen erscheinen willkürlich und ziellos. Es fehlt jegliche Reflexion betrieblicher Handlungslogiken, und es gibt keine Überlegungen dazu, wie man die Strategiefähigkeit der Betriebe hinsichtlich ihrer Qualifizierungspolitik stärken könnte. Insbesondere bleibt die Frage unbeantwortet, wie man das grundlegende Dilemma überwinden oder abmildern könnte, dass gut ausgelastete Betriebe keine Zeit für Weiterbildung, schlecht ausgelastete dagegen kein Geld dafür haben und zudem keine Gewissheit, die Beschäftigten in Zukunft überhaupt noch zu benötigen.
Präventive Weiterbildungsstrategien müssten sich außer an Arbeitslose und Betriebe auch an die Beschäftigten individuell richten und ihre Handlungsmöglichkeiten gegenüber betrieblichen Interessen und Handlungslogiken stärken. Doch wer seine Arbeitszeit zugunsten einer beruflichen Weiterbildung vorübergehend verkürzen will, muss den Lohnausfall allein verkraften, hat keine Aussicht auf Förderung der Maßnahmekosten und steht bei der Durchsetzung des Teilzeitwunsches gegen entgegenstehende betriebliche Gründe allein da. Wer sein Arbeitsverhältnis zugunsten einer Weiterbildung aufgibt, erwartet von der Arbeitsagentur keine geförderte Maßnahme, sondern einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe; dass eine solche Weiterbildung nach Absprache mit der Arbeitsagentur durchaus einen „wichtigen Grund“ für die sanktionsfreie Arbeitsaufgabe darstellen kann (Bundesagentur für Arbeit 2023), dürfte unter Arbeitnehmer*innen kaum bekannt sein und kann nicht offensiv beworben werden, weil dieses bei den Arbeitgebern einen Entrüstungssturm auslösen würde.
Infolge dieser Restriktionen und Unzulänglichkeiten steht Deutschland derzeit nicht, wie seit einigen Jahren angestrebt und erhofft (Knuth 2021), vor einer sozial moderierten und gesteuerten „Transformation“, sondern vor einem erneuten Strukturbruch, vergleichbar dem in den 1990er Jahren, wobei jedoch die politischen und weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen für eine sozialverträgliche Bewältigung deutlich ungünstiger sind als seinerzeit.
[1] Da letztere Einschränkung erst im Vermittlungsverfahren und nach Abtrennung der AFG-Änderungen in ein gesondertes „Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des Arbeitsförderungs- und des Bundesversorgungsgesetzes“ eingeführt wurde, ist in den auf dem Parlamentsserver verfügbaren Dokumenten keine Begründung zu finden. Die Protokolle des Vermittlungsausschusses aus jener Zeit sind nicht einfach zugänglich.
[2] Der grammatisch etwas missglückte Satzbau entspricht dem Original.
[3] Im SGB II kommt diese Förderung nur für abhängig Beschäftigte mit aufstockendem Leistungsbezug in Frage, weshalb die Förderzahlen niedrig sind. Ungenauigkeiten und ein etwas verspäteter Beginn der Erfassung im Rechtskreis SGB II wirken sich daher nur geringfügig auf die dargestellte Entwicklung aus.
Literatur:
Bundesagentur für Arbeit (2023): Arbeitslosengeld – Ruhen bei Sperrzeit. § 159 SGB III. gültig ab 1.1.2024 (Fachliche Weisungen). https://www.arbeitsagentur.de/datei/fw-sgb-iii-159_ba034410.pdf.
Bundesagentur für Arbeit – Statistik/Arbeitsmarktberichterstattung (2023): Sammelanträge zur Förderung der beruflichen Weiterbildung Beschäftigter. Statistische Ergebnisse zur Inanspruchnahme des Sammelantragsverfahrens. September 2023. https://statistik.arbeitsagentur.de/DE/Statischer-Content/Grundlagen/Methodik-Qualitaet/Methodenberichte/Foerderstatistik/Generische-Publikationen/Hintergrundinfo-Sammelantraege-zur-Foerderung-er-beruflichen-Weiterbildung-Beschaeftigter.pdf?__blob=publicationFile.
Bundesagentur für Arbeit – Statistik (2024a): Förderung der beruflichen Weiterbildung – Beschäftigtenqualifizierung und Parallelförderungen mit dem Arbeitsentgeltzuschuss (Monatszahlen). Deutschland. Zeitreihe, Datenstand März 2024 (Tabellen). https://statistik.arbeitsagentur.de/SiteGlobals/Forms/Suche/Einzelheftsuche_Formular.html?topic_f=fbw-aez.
Bundesagentur für Arbeit – Statistik (2024b): Teilnehmende in ausgewählten arbeitsmarktpolitischen Instrumenten (Zeitreihe Monatszahlen). Erstellungsdatum: 19.12.2024 (Tabellen). https://statistik.arbeitsagentur.de/SiteGlobals/Forms/Suche/Einzelheftsuche_Formular.html?nn=1524032&topic_f=arbeitsmarktpolitische-instrumente-amp-zeitreihe.
Bundesrat (2018): Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Chancen für Qualifizierung und für mehr Schutz in der Arbeitslosenversicherung (Qualifizierungschancengesetz). Gesetzentwurf der Bundesregierung. 20.09.18 (Bundesratsdrucksache, 467/18).
Bundesrat (2020): Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der beruflichen Weiterbildung im Strukturwandel und zur Weiterentwicklung der Ausbildungsförderung (Arbeit-von-morgen-Gesetz). Gesetzentwurf der Bundesregierung. 12.03.20 (Bundesratsdrucksache, 130/20).
Deutscher Bundestag (1967): Entwurf eines Arbeitsförderungsgesetzes (AFG). 16. November 1967 (Bundestagsdrucksache, V/2291).
Deutscher Bundestag (1974): Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur (Haushaltsstrukturgesetz — HStruktG). Gesetzentwurf der Bundesregierung. 08.10.75 (Bundestagsdrucksache, 7/4127).
Deutscher Bundestag (2016): Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung und des Versicherungsschutzes in der Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenversicherungsschutz- und Weiterbildungsstärkungsgesetz – AWStG). Gesetzentwurf der Bundesregierung. 06.04.2016 (Bundestagsdrucksache 18/8042).
Deutscher Bundestag (2022): Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Aus- und Weiterbildungsförderung. Gesetzentwurf der Bundesregierung. 24.04.2023 (Bundestagsdrucksache, 20/6518).
Hofbauer, Hans (1977): Teilnehmer an beruflichen Bildungsmaßnahmen und ihre Beschäftigungschancen. In: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 10 (4), S. 469–484.
IG Metall Vorstand (2019): Das Transformations-Kurzarbeitergeld. Ein Vorschlag der IG Metall zur Beschäftigungssicherung und Stärkung der Qualifizierung im Betrieb. https://www.igmetall.de/download/20190605_Faktenblatt_Transformationskurzarbeitergeld__ad5c79ba937cc7628d88a0ddebe62b5fe65bb89f.pdf.
Knuth, Matthias (2021): Transformative Arbeitsmarktpolitik. Herausforderungen der Arbeitsmarktpolitik unter den Bedingungen der „konfluenten Digitalisierung“. Im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung Forschungsstelle „Arbeit der Zukunft“. Hans-Böckler-Stiftung. Düsseldorf (Working Paper Forschungsförderung, 219). https://www.boeckler.de/fpdf/HBS-008052/p_fofoe_WP_219_2021.pdf.
Lott, Margit; Spitznagel, Eugen (2010): Impulse für die berufliche Weiterbildung im Betrieb (IAB-Kurzbericht, 11). http://doku.iab.de/kurzber/2010/kb1110.pdf.