Weiterbildungsmentoren

Eine neue schillernde Figur mit vielfältigen Aufgaben in der betrieblichen Arena

Dr. Roman Jaich (ver.di Bundesverwaltung und Mitglied der Redaktionsgruppe von DENK-doch-MAL)

Die Arbeitswelt ist aktuell durch tiefgreifende Veränderungsprozesse gekennzeichnet. Durch fortschreitende Digitalisierung und Ökologisierung, neue Prozessabläufe und Technologien verändern sich Arbeitsplätze und es bedarf geeigneter Qualifizierungsformate, um Beschäftigte fit für die Zukunft zu machen. Es gilt, durch gezielte Qualifizierung und Weiterbildung die Teilhabe der Beschäftigten am Erwerbsprozess zu erhalten.

Dies kann aber nur sichergestellt werden, wenn es gelingt, in den Betrieben das Thema Qualifizierung auch arbeitnehmerseitig zu besetzen. Die Gewerkschaften fordern, und das zu recht, weitergehende bundesweite Regelungen mit Ansprüchen auf Weiterbildungszeiten und deren Finanzierung. Es wurden schon einige Instrumente auf die Wege gebracht, die betriebliche Weiterbildung zu fördern, z.B. Qualifizierungstarifverträge oder die Ausweitung der Mitwirkungsmöglichkeiten der Betriebsräte in Fragen der beruflichen Bildung im Betriebsverfassungsgesetz. Es zeigt sich aber, dass diese Regelungen nur dann sinnvoll genutzt werden können, wenn deren Einsatz durch einen gestaltenden Prozess flankiert wird.

Es braucht daher für die Umsetzung einer betrieblichen arbeitnehmerorientieren Qualifizierungsstrategie betriebliche Unterstützer*innen, die das Thema Weiterbildung für und mit den Beschäftigten im Betrieb vorantreiben und weiterentwickeln. Denn Weiterbildung soll auch da ankommen, wo sie gebraucht wird: bei den Beschäftigten vor Ort. Diese Aufgabe kann mit betrieblichen Akteuren, die in hohem Maße das Vertrauen der Beschäftigten genießen, bewältigt werden. Bei dieser wichtigen Funktion können gewerkschaftliche Vertrauensleute und Betriebs- bzw. Personalräte eine Schlüsselposition einnehmen. Sie können sich als Beteiligungsexpert*innen für Qualifizierung, d.h. als Weiterbildungsmentor*in, die die Arbeits-, Betriebs- und Qualifizierungspolitik mitgestalten und Beschäftigte zu Beteiligten im betrieblichen Qualifizierungsprozess entwickeln.

Dabei ist der Begriff Weiterbildungsmentor*in weder ein feststehender Begriff noch ist er rechtlich geregelt. Folglich gibt es kein klares rechtlich abgesichertes Aufgabenfeld, wie es z.B. mit dem Betriebsverfassungsgesetz für Betriebsräte existiert. Entsprechend ist das Verständnis über Rolle und Aufgabenfelder nicht einheitlich. Gemeinsam ist aber allen Konzeptionen, dass Weiterbildungsmentor*innen betriebliche Arbeitnehmervertreter*innen sind und dass sie mit Beschäftigtenperspektive auf das betriebliche Weiterbildungsgeschehen blicken und dieses gestalten wollen. Im Folgenden werden wir daher unsere Vorstellungen über die Rolle und Funktion von Weiterbildungsmentor*innen ausführen.

1. Wer kann Weiterbildungsmentor*in sein

Zentral ist, dass Weiterbildungsmentor*innen arbeitnehmerseitig benannt sind. Zudem ist Voraussetzung, dass sie Beschäftigte in einem Betrieb oder einer Verwaltung sind, in der sie als Weiterbildungsmentor*in tätig werden wollen. Weitere zwingende Voraussetzungen gibt es nicht. D.h. konkret kommen für diese Aufgabe Betriebs- bzw. Personalratsmitglieder, Vertrauensleute oder auch weitere Beschäftigte, die von der betrieblichen Interessenvertretung für diese Aufgabe benannt werden.

Hinzu kommen persönliche Eigenschaften wie Motivation für das Thema Weiterbildung, kommunikative Kompetenzen und weitere Kompetenzen, welche die Tätigkeit als Mentor*in erleichtern. Fachliche Kompetenz im Themenfeld Weiterbildung wird in der Einstiegqualifizierung, die von den Gewerkschaften durchgeführt wird, vermittelt.

2. Die Rolle von Weiterbildungsmentoren

Je nach betrieblichen Erfordernissen können Weiterbildungsmentoren unterschiedliche Rollen einnehmen. Die Tätigkeitsfelder können zum einen auf der individuellen Ebene ansetzen, d.h. bei der Unterstützung von Kolleg*innen bei der Beratung und Umsetzung hinsichtlich ihrer Weiterbildungsbedürfnisse. Ihr Einsatzgebiet kann aber auch an die kollektive Ebene adressiert werden, wenn die Gestaltung der betrieblichen Rahmenbedingungen für Weiterbildung im Vordergrund stehen. Die beiden Zielrichtungen können durchaus gemeinsam in den Blick genommen und umgesetzt werden. Zudem bedingen sie sich auch in gewisser Weise: für z.B. die Beratung sind die Rahmenbedingungen im Betrieb relevant und anders herum hat die Alltagspraxis sicherlich Auswirkungen auf die Gestaltung der Rahmenbedingungen. Insofern dient die Unterscheidung eher dazu, Ansatzpunkte für die betriebliche Einrichtung aufzuzeigen und Hinweise zum Beispiel für eine schrittweise Implementierung im Betrieb aufzuzeigen.

Die individuelle kollegiale Beratung zielt vor allem darauf ab, alle Beschäftigtengruppen im Betrieb zu erreichen und für Weiterbildung zu motivieren.: Ausgangspunkt ist die Annahme, dass von der Personalentwicklung eines Betriebes nicht alle Beschäftigtengruppen gleichermaßen erreicht werden. Gerade geringer qualifizierte Beschäftigten, so die Vermutung, können durch Kolleg*innen eher dafür motiviert werden, sich mit ihrer beruflichen Entwicklung zu beschäftigten.

Weiterbildungsmentor*innen sollten somit in der Lage sein, eine Erstinformation in Weiterbildungsfragen durchzuführen. Sie haben damit eine Übersicht über die Weiterbildungslandschaft und -systematik in Deutschland und sie sind in Grundzügen mit der Förderlandschaft vertraut. Sind können aber nicht die kompetente Weiterbildungsberatung eines Weiterbildungsberaters der BA oder einer anderen Einrichtung ersetzen, sondern eine solche Beratung vorbereiten. Hilfreich ist hier, dass Weiterbildungsmentoren über fundierte Kenntnisse möglicher konkreter betrieblicher Entwicklungswege verfügen und damit Beschäftigte auf ganz konkrete Ziele einer beruflichen Weiterentwicklung hinweisen können.

In diesem Sinne ersetzen Weiterbildungsmentoren nicht bereits bestehende Instrumente der Personalentwicklung, wie z.B. regelmäßige Mitarbeiter- oder Weiterbildungsgespräche. Weiterbildungsmentoren könnten in diesem Fall von Beschäftigen aufgesucht werden, um mögliche Themenfelder für das Gespräch zu identifizieren und diese mit einer Idee oder Perspektive auszufüllen.

Das heißt:

  • Individuelle Weiterbildungshemmnisse abbauen, indem die Weiterbildungsmentor*innen Kolleg*innen motivieren sich mit dem Thema zu beschäftigen oder auch deren Selbstvertrauen stärken.
  • Die Weiterbildungsmentor*innen haben Kenntnisse über die Weiterbildungslandschaft und die Grundzüge der Förderlandschaft. Sie geben ihren Kolleg*innen wichtige Impulse sich mit der Weiterbildungsthematik zu beschäftigen und können gemeinsam mit ihnen Ziele der beruflichen Weiterbildung besprechen.
  • Allerdings ersetzen Weiterbildungsmentor*innen nicht die Beratung von professionellen Weiterbildungsberater*innen (z.B. der Bundesagentur für Arbeit). Sie motivieren ihre Kolleg*innen aber die Beratungsangebote zu nutzen.
  • Weiterbildungsmentor*innen begleiten die Lernprozesse ihrer Kolleg*innen, damit die Weiterbildungsangebote erfolgreich absolviert werden.

Die Mitgestaltung von betrieblichen Rahmenbedingungen zielt darauf ab, eine betriebliche Weiterbildungskultur zu fördern, zu implementieren und weiterzuentwickeln.

Einerseits geht es hier darum, dass Thema Weiterbildung im Betrieb bekannt zu machen und an verschiedenen Stellen zu bewerben. Hierzu gehört z.B. auf Betriebsversammlungen auf das Thema aufmerksam zu machen oder in Betriebszeitschriften das Thema zu bewerben. Hierzu gehört auch, sich mit Vertretungsorganen wie Gleichstellungs- oder Behindertenbeauftragten abzustimmen, welche besonderen Weiterbildungsbedarfe für diese Beschäftigtengruppen bestehen.

Weitergehend ist die Initiierung eines Projektes zur Förderung der Weiterbildung, z.B. die Förderung einer bestimmten Beschäftigtengruppe im Betrieb.

Schließlich geht es darum, aus Arbeitnehmerperspektive Strukturen für die Förderung der betrieblichen Weiterbildung mitzugestalten. Hierzu gehört z.B. die Einführung von regelmäßigen Mitarbeitergesprächen, die Mitwirkung bei der Erstellung von Materialien für die Durchführung, die Begleitung bei der Einführung von Kompetenzerfassungssystemen und schließlich die Unterstützung der Mitbestimmungsträger bei ihren Aufgaben zur Umsetzung der § des Betriebsverfassungsgesetze, der Personalvertretungsgesetze oder einschlägiger Tarifverträge.

Das heißt:

  • Weiterbildungsmentor*innen werben für Weiterbildung und machen auf das Thema aufmerksam z.B. auf Betriebsversammlungen oder in Betriebszeitungen.
  • Sie fördern die betriebliche Zusammenarbeit im Themenfeld Weiterbildung und sind damit gemeinsam mit dem Betriebs- bzw. Personalrat Vermittler*innen zwischen den Beschäftigten und der Arbeitgeberseite bzw. der Personalabteilung.
  • Weiterbildungsmentor*innen bauen Hürden ab. Sie kennen die Gründe, weshalb Weiterbildungsangebote nicht genutzt werden und versuchen die Hürden mit den betrieblichen Interessengruppen abzubauen. Dazu gehört auch eine enge Zusammenarbeit mit dem Vertretungsorgangen wie Gleichstellungs- oder Behindertenbeauftragte.
  • Sie unterstützen gemeinsam mit dem Betriebs- bzw. Personalrat die Ausgestaltung der Weiterbildung in betrieblichen Vereinbarungen z.B. für regelmäßige Mitarbeiter*innengespräche oder für Kompetenzerfassungssystemen. Außerdem unterstützen sie die Mitbestimmungsträger bei ihren Aufgaben zur Umsetzung der einschlägigen Paragrafen des Betriebsverfassungsgesetzes. Dabei eröffnen sie diesen signifikant verbesserte Zugänge zu den Bedarfen und Wünschen der Beschäftigten.

Es müssen nicht beide Handlungsfelder zwingend von Weiterbildungsmentoren abgedeckt werden, je nach betrieblicher Situation kann es auch sinnvoll sein, sich nur einem Handlungsfeld zuzuwenden. In welche Richtung sie sich konkret entwickeln, hängt von der betrieblichen Ausgangssituation ab. Entsprechend folgt daraus, dass ja nach Betrieb oder Verwaltung Weiterbildungsmentoren unterschiedlich aufgestellt sein werden. Damit wird das Konstrukt der Mentoren jedoch nicht beliebig; man muss sich vielmehr vergegenwärtigen, dass alle Umsetzungsvarianten einer gemeinsamen Idee folgen und deshalb nicht jedweder betrieblicher Akteur im Themenfeld Qualifizierung als Weiterbildungsmentor*in bezeichnet werden kann.

3. Resümee

Damit eine betriebliche Weiterbildungskultur entstehen kann, müssen die Belange aller betrieblichen Akteursgruppen berücksichtigt werden. Das bedeutet, dass selbst eine gut funktionierende Personalentwicklung nicht ausreichend für eine gelebte Weiterbildungskultur ist, da sie notwendig – und aus deren Sicht auch richtigerweise – die Arbeitgebersicht in den Fokus rückt. In diesem Sinne sind Weiterbildungsmentor*innen ein Korrektiv der betrieblichen Personalentwicklung damit letztlich eine gemeinsame Weiterbildungskultur etabliert werden kann.

Damit diese Aufgaben von den Weiterbildungsmentor*innen kompetent angegangen werden können, müssen diese für ihre Aufgaben qualifiziert werden. Die Gewerkschaften IG BCE, IG Metall, NGG und ver.di haben dafür Projekte auf den Weg gebracht. In diesen soll einerseits die Idee der Mentor*innen in die Betriebe getragen werden und andererseits die Weiterbildungsmentor*innen für ihre Aufgabe fit gemacht werden.

Autor

  • Dr. Roman Jaich, Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann, danach Erwerb der Hochschulreife und Studium an der Universität Kassel im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften mit volkswirtschaftlicher Ausrichtung. Im Anschluss an das Studium wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Kassel im Fachgebiet Wirtschaftsrecht von Prof. Bernhard Nagel. Mitarbeit an verschiedenen Forschungsprojekten, z.B. zur „Konstituierung Europäischer Betriebsräte“ und zur „Finanzierung von Bildung in Deutschland“. Arbeitsschwerpunkte: Ökonomische Analyse des Rechts, Ökonomische Analyse des Arbeitsrechts, Mitbestimmungsforschung und Bildungsökonomie. Promotion zum Thema „Globalisierung und Partizipation“. Mitarbeiter in der Geschäftsstelle der Expertenkommission „Finanzierung Lebenslangen Lernens“. ver.di Bundesverwaltung und Mitglied der Redaktionsgruppe von DENK-doch-MAL.

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