Dr. Volker Born (langjähriges Mitglied im Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung)
1. Zur Relevanz der beruflichen Bildung für die Klima- und Energiewende
Slogans wie „Klimaschutz als Beruf“ oder „Zur Energiewende berufen“ bringen die Bedeutung der beruflichen Bildung für aktuelle Entwicklungen der Transformation auf den Punkt. Die Slogans zeigen auch auf, die berufliche Bildung unterliegt aktuell einer hohen Entwicklungsdynamik. Unter dem Begriff der Green Skills bzw. Green Jobs wurde die Relevanz von beruflichen Kompetenzen zur Bewältigung transformatorischer Entwicklungen seit einigen Jahren intensiv diskutiert. Green Skills stehen stellvertretend für die Berücksichtigung transformatorischer Entwicklungen des nachhaltigen Wirtschaftens und Gestaltens der Gesellschaft innerhalb der beruflichen Bildung im Allgemeinen und bei der Gestaltung beruflicher Kompetenzen im Speziellen (vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, 2023; Europäische Kommission, 2020). Eine besondere Dynamik erhält die Diskussion um die Ausgestaltung und Vermittlung entsprechender beruflicher Kompetenzen durch die aktuellen klima- und energiepolitischen Ziele der Bundesregierung.
Die Frage, wie flexibel aus der beruflichen Bildung auf Herausforderungen der Transformation Gestaltungsbeiträge geliefert werden können, soll in diesem Beitrag betrachtet werden. Dabei wird eine ordnungspolitische Perspektive eingenommen. In einem ersten Schritt werden dazu die relevanten Ordnungsmittel, wie z. B. Ausbildungsordnungen, inhaltlich betrachtet. Dies ermöglicht einen Zugriff auf die Frage der Vermittlung beruflicher Kompetenzen aus einer curricularen Perspektive. In einem zweiten Schritt gilt es eine Diskussion zum einen zu bestehenden Flexibilisierungspotenzialen von Ordnungsmitteln und zum anderen zu möglichen Freiheitsgraden des Systems der beruflichen Bildung aus einer ordnungspolitischen Perspektive anzustoßen.
Warum hat die Wärmepumpe eine ordnungspolitische Relevanz?
Die berufliche Bildung steht aktuell in einem besonderen wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Fokus: Beispielhaft können politische Steuerungsformate der Bundesregierung, wie der Wärmepumpengipfel oder auch die Allianz für Transformation genannt werden. Im Rahmen dieser politischen Steuerungsformate wird wiederholt aus wirtschaftspolitischer und arbeitsmarktpolitischer Perspektive die Frage aufgeworfen, welchen Beitrag das System der beruflichen Bildung zur Gestaltung der Transformation leisten kann. Augenscheinlich wird diese Erwartung an die Mitgestaltung der Transformation an die berufliche Bildung am Beispiel der Wärmepumpe. Um Treibhausgase zu verringern, soll unter anderem im Bereich des Heizens von Gebäuden Energie gespart werden. Neue Heiztechniken, wie Wärmepumpen, können hierzu einen Beitrag leisten. Daher ist ein klima- und energiepolitisches Ziel der Bundesregierung ab 2024 pro Jahr 500.000 neue Wärmepumpen in Deutschland zu installieren bzw. im Jahr 2030 einen Bestand an 6.000.000 installierter Wärmepumpen zu erreichen. Dieses Ziel wurde seitens des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz im Jahr 2022 im Kontext des ersten Wärmepumpengipfels der Bundesregierung formuliert. Im Rahmen des Formats des Wärmepumpengipfels wurde darauffolgend seitens der Bundesregierung, von Wirtschaftsverbänden aus Industrie und Handwerk sowie der Gewerkschaften vereinbart, gemeinsam die Voraussetzungen zu schaffen, dass ab 2024 das jährliche Installationsziel für die 500.000 Wärmepumpen erreicht werden kann (vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, 2022a). Im Fokus der Vereinbarung zur Beschleunigung des Wärmepumpenhochlaufs stand neben dem Ausbau der Produktionskapazitäten und den Lösungen für Mehrfamilienhäusern die Frage, in welchem quantitativen und qualitativen Umfang Fachkräfte insbesondere aus dem Handwerk zur Erreichung dieses klima- und energiepolitischen Ziels der Bundesregierung zur Verfügung stehen.
Fachkräftequalifizierung als Herausforderung für die Klima- und Energiewende
Haben die Handwerksbetriebe und die Fachkräfte im Handwerk in den letzten Jahren insbesondere bei Maßnahmen des Gebäudeneubaus und der Sanierung des Altbestandes an wirtschaftspolitischer Bedeutung gewonnen (vgl. Runst & Ohlendorf, 2015), nimmt vor dem geschilderten Hintergrund der aktuellen klima- und energiepolitischen Ziele – vergegenständlicht am Gegenstandsbereich der Wärmepumpe – diese Bedeutung des Handwerks und der relevanten Gewerke noch einmal zu.
Neben dem Ansatz die Nachfrage im Heizungsmarkt entsprechend anzureizen, d.h. seitens des Staates passende Rahmenbedingungen zu schaffen, stellen sich aus der Perspektive der beruflichen Bildung Herausforderungen im Handwerk in Bezug auf
- den Ausbau von Kapazitäten im Bereich der Industrie und des Handwerks (d.h. Hersteller müssen ihre Produktion im Bereich der Wärmepumpen steigern, installierende Fachbetriebe müssen, Fachkräfte gewinnen)
- die Optimierung von Produktions- und Installationsprozessen,
- die Qualifizierung des bestehenden und künftigen Fachkräftepotenzials.
Die genannten Herausforderungen verdeutlichen, welchen Stellenwert für das Erreichen der Klima- und energiepolitischen Ziele der Bundesregierung der Fachkräftebedarf am Arbeitsmarkt und daraus folgend, die entsprechende bildungspolitische Strategie der Fachkräftesicherung hat. Dies bedeutet jedoch, dass das Erreichen der klima- und energiepolitischen Ziele der Bundesregierung maßgeblich davon abhängt, dass der Fachkräftebedarf insbesondere im Handwerk gedeckt werden kann.
Mit einem kurzen Blick auf den Arbeitsmarkt im Handwerk kann festgestellt werden, dass in Bezug auf den Fachkräftebedarf eine besondere Herausforderung nicht nur für die Arbeitsmarkt- und Berufsbildungspolitik, sondern in der Folge auch für die Klima- und Energiepolitik liegt. So werden nach Berechnungen des Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zum Erreichen der genannten klima- und energiepolitischen Ziele der Bundesregierung insgesamt rund 400.000 zusätzliche Fachkräfte benötigt. Dieser Mehrbedarf entsteht zu großen Teilen bei fachlichen Tätigkeiten im Handwerk (vgl. Zika et al., 2022).
Dieser zusätzliche Bedarf trifft jedoch auf einen angespannten handwerklichen Arbeitsmarkt. Nach Berechnungen des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung gab es im Jahr 2023 nahezu 250.000 offene Stellen im Handwerk. Vor allem in jenen Gewerken, die für Umsetzung der klima- und wohnungsbaupolitischen Maßnahmen besonders relevant sind – wie etwa das Bauhaupt- und Ausbaugewerbe – ist die Fachkräftesituation besonders herausfordernd. Betriebe im Handwerk rekrutieren einen erheblichen Teil ihres Fachkräftenachwuchses über die duale Ausbildung, entsprechend bieten Handwerksbetriebe in den relevanten Gewerken mehr Ausbildungsplätze an, um damit dem Fachkräftemangel zu begegnen. In der Folge konnten in den vergangenen Jahren in den klimarelevanten Handwerksberufen mehr neue Auszubildende gewonnen werden. Die Zahl der Neuverträge in der Ausbildung stieg in diesen Handwerksberufen von knapp 88.700 Neuverträgen im Jahr 2017 auf 90.600 Neuverträge im Jahr 2022. Der Bestand an Auszubildenden in allen klimarelevanten Handwerksberufen nahm von knapp 238.300 im Jahr 2017 auf 251.000 im Jahr 2022 zu. Trotzdem stellt das Kompetenzzentrum Fachkräfte des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Bezug auf die klimarelevanten Handwerksberufe fest, “… reicht die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber nicht aus, um alle Lehrstellen zu besetzen, sodass viele unbesetzt bleiben.” (Malin & Köppen, 2023, S. 1).
2. Ein Ordnungspolitischer Beitrag zur Klima- und Energiewende
Die genannten Engpässe am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt können kurz- und mittelfristig nur bedingt behoben werden. Der Frage nach der Behebung des Fachkräftebedarfs wird sich daher nicht aus quantitativer, sondern aus einer qualitativen Perspektive genähert. Mit einem solchen Zugriff rücken berufsbildungspolitische Aspekte der Vermittlung von notwendigen beruflichen Kompetenzen für die Umsetzung der klima- und energiepolitischen Ziele über berufliche Qualifikationen in den Fokus. Die Erreichung der Installationsziele von Wärmepumpen und insbesondere die Beschleunigung des Wärmepumpenhochlaufs, hängen davon ab, ob entsprechende berufliche Qualifikationen umfassend zur Deckung des Fachkräftebedarfs beitragen, d.h. die notwendigen beruflichen Kompetenzen vermitteln, können. Damit erhalten die klima- und energiepolitischen Ziele der Bundesregierung eine berufsbildungspolitische und in Bezug auf die Regelung der beruflichen Qualifikationen im Rahmen des Berufsbildungsgesetzes und der Handwerksordnung eine ordnungspolitische Bedeutung.
Aus einer ordnungspolitischen Perspektive rückt die Frage in den Fokus, ob die entsprechenden curricularen Voraussetzungen gegeben sind, die notwendigen beruflichen Kompetenzen vermitteln zu können. Dieser Frage wird sich im Rahmen dieses Beitrags mit einer genaueren Betrachtung der relevanten Ordnungsmittel[1] als ein Bestandteil der ordnungspolitischen Organisation beruflicher Bildung genähert.[2] Mit der ordnungspolitischen Perspektive wird im Folgenden der berufsbildungspolitische Handlungsbedarf zuerst im Hinblick auf die Ordnungsmittel der relevanten Handwerksberufe betrachtet.
Relevante Handwerksberufe zur Erreichung der Klimaschutzziele
Um einen möglichen berufsbildungspolitischen Handlungsbedarf für die Ordnungsmittel im Handwerk lokalisieren zu können, wurde im Kontext des Wärmepumpengipfels im Rahmen eines sozialpartnerschaftlich ausgerichteten Runden Tisches “Klimahandwerk” des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz mit Unterstützung des Forschungsinstituts für Berufsbildung im Handwerk an der Universität zu Köln eine grundständige Erhebung durchgeführt. Im Kontext dieser Erhebung galt es in einem ersten Schritt, ausgehend aus der Eröffnungsbilanz Klimaschutz des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK, 2022b) die relevanten Handlungs- bzw. Tätigkeitsfelder für das Handwerk zur Umsetzung der klima- und energiepolitischen Ziele der Bundesregierung festzustellen und zu konkretisieren. In der Folge der Feststellung der Tätigkeitsfelder galt es die für die Klimapolitik der Bundesregierung bedeutsamen Handwerksberufe zu erfassen.
Dieses Vorgehen war notwendig, da bis dato keine ordnungspolitische Feststellung eines notwendigen handwerklichen Beitrags zu einzelnen klima- und energiepolitischen Themenfeldern der Bundesregierung vorlag. In einem ersten Schritt wurden im Rahmen der Erhebung die relevanten Handwerkstätigkeiten identifiziert und den ausführenden Gewerken zugeordnet. Die auf diese Weise identifizierten, das Handwerk betreffenden Tätigkeiten aus den Klimaschutzplänen der Bundesregierung wurden in fünf Tätigkeitsbereiche (“Gebäude”, “Zentralisierte Energieerzeugung”, “Übertragungsnetze, Verteilnetze und Speichersysteme”, “Verkehr” und “Landwirtschaft”) geclustert. In diesen müssen insgesamt 111 handwerkliche Tätigkeiten erbracht werden, damit die von der Bundesregierung geplanten Klimaschutzmaßnahmen umgesetzt werden können.
Die notwendigen handwerklichen Tätigkeiten wurden in den entsprechenden Gewerken im Folgenden mit den relevanten Ordnungsmitteln (der jeweiligen Ausbildungsordnung sowie im Bereich der Höheren Berufsbildung der Meisterprüfungsverordnung sowie den bestehenden Fortbildungsverordnungen auf den Fortbildungsstufen Berufsspezialist, Bachelor Professional und Master Professional) inhaltlich abgeglichen. In der Folge wurde erfasst,
- welche Berufe[3] im Handwerk einen Beitrag zu den klimapolitischen Zielen der Bundesregierung leisten können,
- in welchem Umfang in den klima- und energiepolitisch relevanten Handwerksberufen ein Bedarf an beruflichen Kompetenzen besteht und
- ob diese beruflichen Kompetenzen auf der Grundlage der bestehenden Ordnungsmittel bereits im Rahmen formaler Ausbildung und Fortbildungen der Höheren Berufsbildung vermittelt werden.
Als ein übergeordnetes Ergebnis der Erhebung konnte zum einen festgestellt werden, dass fast 30 Gewerke bzw. Berufe im Handwerk einen direkten Beitrag zum Erreichen der klima- und energiepolitischen Ziele der Bundesregierung leisten. Beispielhaft kann diese Betroffenheit der Handwerksberufe am klima- und energiepolitischen relevanten Gegenstand der Wärmepumpentechnik festgestellt werden, dass in mehreren Gewerken entsprechende Tätigkeiten von der Planung bis zur Inbetriebnahme ausgeführt werden. Insbesondere sind die folgenden Ausbildungsberufe betroffen, in denen entsprechende Inhalte in den Ordnungsmitteln verankert sind
- Anlagemechaniker/in für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik
- Elektroniker/in für Energie- und Gebäudetechnik
- Brunnenbauer/in
- Mechatroniker/in für Kältetechnik.
Warum haben Wärmepumpe und Photovoltaik eine ordnungspolitische Relevanz?
Beispielhaft wird für den Ausbildungsberuf “Anlagemechaniker/in für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik” und den damit entsprechend dem Berufslaufbahnkonzept des SHK-Handwerks chronologisch folgenden Fortbildungsangeboten der Höheren Berufsbildung im Folgenden dargestellt, in welchem Umfang notwendige berufliche Kompetenzen,[4] die zur Erreichung der Installationsziele von Wärmepumpen notwendig erscheinen, innerhalb des relevanten Ordnungsmittels bereits erfasst sind und welche beruflichen Kompetenzbedarfe noch zu berücksichtigen sind.[5] Einen Fokus auf den Beruf “Anlagemechaniker/in für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik” im Rahmen dieses Beitrags zu legen bietet sich an, da im Kontext des Wärmepumpengipfels die Fragestellung aufgerufen wurde, ob den Fachkräften des SHK-Handwerks im Rahmen ihrer bereits absolvierten dualen Ausbildung die entsprechenden beruflichen Kompetenzen zur Planung, Installation und Wartung von Wärmepumpen vermittelt wurden. Anlass für die Fragestellung ist u.a. der im Rahmen einer Studie des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. publizierte Sachverhalt (vgl. Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, 2023), dass noch 2019 bei einem Bestand von 41 Millionen Wohnungen in Deutschland 48,2 % Gas und 25,6 % Öl als Energieträger beim Heizen genutzt wurden. Dagegen wurden 2019 lediglich in 2,2 % aller Wohnungen in Deutschland Elektro-Wärmepumpen als Energieträger verwendet wurden. Folglich orientierte sich in den vergangenen Jahren der Bedarf von beruflichen Kompetenzen im SHK-Handwerk, die durch die duale Ausbildung vermittelt wurden, in einem geringen Maß an der Heizungstechnik der Wärmepumpe. Im Rahmen der Erhebung lag eine genauere inhaltliche Betrachtung der Ordnungsmittel im SHK-Handwerk daher nahe.
Für die Berufslaufbahn des Anlagemechanikers bzw. der Anlagemechanikerin im SHK-Handwerk ergab die Erhebung, dass die Themen Planung, Installation und Instandhaltung von Wärmepumpenanlagen bisher in geringem Umfang explizite Erwähnung in den relevanten Ordnungsmitteln innerhalb der Ausbildung sowie innerhalb der Höheren Berufsbildung gefunden hatten. Zwar ist die Auseinandersetzung mit der Wärmepumpentechnologie sowohl in der betrieblichen Ausbildungspraxis als auch in der Meisterprüfung gelebter Standard. Aber weder in der Ausbildungsordnung zum Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik noch in der Meisterprüfungsverordnung (MPVO) zum Installateur- und Heizungsbauermeister wird die Wärmepumpe explizit genannt. An dieser Stelle scheinen Bildungspraxis und die Ordnungsmittel nicht im Einklang zueinander zu stehen, bzw. es besteht ein ordnungspolitischer Widerspruch.
Aufgrund der üblichen technikneutralen Formulierung von Qualifizierungsinhalten in Ordnungsmitteln findet sich in der MPVO z. B. die Anforderung „eine gebäudetechnische Anlage der Installateur- und Heizungsbautechnik einschließlich regelungs- und steuerungstechnischer Komponenten entwerfen, planen, berechnen und kalkulieren zu können“ und „auf dieser Grundlage (…) Montage- und Servicearbeiten auszuführen“. Dass dies auch die Wärmepumpentechnologie umfasst, wird nun im Rahmenlehrplan zu den Prüfungsvorbereitungslehrgängen spezifiziert. Auch die Ausbildungsordnung „Anlagenmechaniker SHK (Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik)“ beinhaltet eine Berufsbildposition „Installieren von elektrischen Baugruppen und Komponenten in versorgungstechnischen Anlagen und Systemen“, welche die Handhabung von Wärmepumpen durchaus adäquat abzudecken vermag. Explizit erwähnt wird die Wärmepumpe aber auch auf der Ausbildungsebene nicht. Hier hat die Analyse der Ordnungsmittel ihren Beitrag dazu geleistet, dass zur Gewährleistung der notwendigen Kompetenzvermittlung an Auszubildenden 2022 der schnell zu realisierende Ansatz gewählt wurde, einen neuen ÜLU-Lehrgang zu schaffen, der sich explizit mit „Anlagen und Systemen zur Nutzung erneuerbarer Energien“ beschäftigt und darin ausführlich auf „Wärmepumpensysteme sowie multivalente Anlagen“ eingeht.
Aus curricularer Perspektive ist festzustellen, dass aufgrund bestehender Ordnungsmittel die Aufnahme neuer Inhalte auf der Ebene der Rahmenlehrpläne möglich ist. Im Vergleich zu einem mehrjährigen Verfahren zur Modernisierung von Ausbildungsberufen ist diese Aufnahme neuer Inhalte in einem kurzfristigen zeitlichen Rahmen umsetzbar. Das bedeutet, dass gerade durch die aus den Ordnungsmitteln abgeleiteten Rahmenlehrpläne und Unterweisungspläne die Flexibilität besteht, auch kurzfristig – ohne Neuordnungsverfahren – passfähig erforderliche technologisch relevante berufliche Anforderungen in die Ausbildung eines Berufs mit aufzunehmen.
Dieses hohe Flexibilitätspotenzial der ordnungspolitischen Organisation der beruflichen Bildung bietet die strukturelle Gestaltungsprämisse der Technikneutralität. Die technikneutrale Formulierung von Ausbildungsordnungen ermöglicht es nicht nur Ausbildungsbetrieben, betriebsspezifische und regionale Gegebenheiten mit in die Ausbildung zu integrieren. Darüber hinaus bietet diese Gestaltungsprämisse von Ausbildungsordnungen die Möglichkeit der flexiblen Anpassung der Ausbildung an aktuelle Anforderungen im Hinblick auf berufliche Kompetenzen. Diese Gestaltungsprämisse ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass auf der Grundlage einer Ausbildungsordnung jederzeit für den Arbeitsmarkt und das Beschäftigungssystem passfähig und bedarfsgerecht berufliche Kompetenzen vermittelt werden können.
3. Der Blick nach vorn – Aspekte zur ordnungspolitischen Weiterentwicklung der beruflichen Bildung
Neben der Fragestellung, ob die Ordnungsmittel in der beruflichen Bildung im Handwerk in ausreichender Form als Grundlage zur Vermittlung aktuell notwendiger beruflicher Kompetenzen zur Umsetzung der klima- und energiepolitischen Ziele der Bundesregierung dienen können, wurden auch bildungspolitisch relevante Fragen im Kontext der o.g. politischen Formate aufgeworfen, welche die Ordnungsstruktur und die Ordnungssystematik betreffen (vgl. Thermondo, 2023). Dabei wird Ausbildungsordnungen eine mangelnde ordnungspolitische Flexibilisierung unterstellt. Die mangelnde Flexibilisierung wird u. a. begründet damit,
- dass Teile einer Ausbildungsordnung nicht als eigenständige Bildungsangebote verwendet werden können und damit verbunden
- prüfungsrelevante Inhalte einer Ausbildungsordnung nicht für kurze Anlerneinheiten entnommen werden können.
Als möglicher Gestaltungsansatz für die genannten Flexibilisierungsdefizite werden im Kontext des Wärmepumpengipfels und der Allianz für Transformation insbesondere Teilqualifizierungen betrachtet. Teilqualifizierungen werden im Zusammenhang mit der Fachkräftesicherung in klimarelevanten Handwerksberufen zunehmend als Lösungsansatz in den bildungs- und arbeitsmarktpolitischen Diskurs eingebracht.
Flexibilisierungspotenzial nutzen – Teilqualifizierungen
Um den geplanten Wärmepumpenhochlauf quantitativ mit ausreichend Fachkräften begleiten zu können, ist es notwendig auch bisher wenig genutzte Zielgruppenpotentiale besser zu erschließen. Mit dem Ziel, die Fachkräftesicherung im gesamten Handwerk zu stärken, nimmt das Handwerk derzeit u. a. die Zielgruppe der Geringqualifizierten ohne Berufsabschluss in Deutschland in den Blick. Da für diese eine duale Ausbildung oft nicht mehr attraktiv erscheint, erarbeitet das Handwerk in der Hinführung zu einem Berufsabschluss aktuell Konzepte für Teilqualifizierungen.
Für die Zulassung zur Gesellenprüfung nach § 37 Absatz 2 HwO ist der Erwerb der beruflichen Handlungsfähigkeit bzw. der beruflichen Kompetenzen in einem Beruf nachzuweisen. Dies kann unter anderem durch die Vorlage von Zeugnissen oder auf andere Weise erfolgen. Der letztgenannte Weg eröffnet die Möglichkeit, die für eine Prüfungszulassung erforderliche berufliche Handlungsfähigkeit bzw. berufliche Kompetenzen über Teilqualifizierungen, die mit einem ausreichenden Praxisanteil versehen sind, zu erwerben. Teilqualifizierungen[6] können damit ein Weg sein, der zu einem Berufsabschluss führen kann (vgl. Zentralverband des Deutschen Handwerks, 2023).
Aus einer ordnungspolitischen Perspektive sind Teilqualifizierungen weder als Bestandteil eines Ordnungsmittels noch als ein Bildungsangebot zu betrachten, das auf der Grundlage eines Ordnungsmittels ausgestaltet bzw. reguliert ist. Teilqualifizierungen sind im Berufsbildungsgesetz und in der Handwerksordnung nicht definiert. Sie können aber als ein non-formaler Bestandteil der beruflichen Weiterbildung genutzt werden, um eine Anschlussfähigkeit zur ordnungspolitischen Organisation der beruflichen Bildung herzustellen. In ihrer abschlussorientierten Ausrichtung in der Hinführung zur Externenprüfung stellen Teilqualifizierungen ein flexibles Bildungsangebot dar. Insofern Teilqualifizierungen aus dem jeweiligen Ordnungsmittel heraus entwickelt wurden, stellen sie, vergleichbar mit den oben bereits erwähnten Rahmenlehrplänen und Unterweisungsplänen, eine curriculare Ableitung und Konkretisierung der Ausbildungsordnung dar. Teilqualifizierungen sind auch ein mögliches Element des Sets an Curricula in Bezug auf eine nach BBiG und HwO geregelten Ausbildungsordnung. Teilqualifizierungen erhöhen damit das Flexibilisierungspotenzial der Ordnungsmittel und lassen sich, wie hier kurz skizziert, in die ordnungspolitische Organisation der beruflichen Bildung einfügen.
4. Fazit
Als eine künftige Aufgabe für die ordnungspolitische Organisation der beruflichen Bildung bietet es sich an, Ansätze zu entwickeln, die es ermöglichen, bestehende Flexibilisierungsgrade nutzen. Ordnungsmittel werden in der beruflichen Bildung bei der Operationalisierung durch Lehrpläne konkretisiert. Die Rahmenlehrpläne der Überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung sind hierfür ein Beispiel. Wie oben dargestellt sind Rahmenlehrpläne geeignet, dass transformationsrelevante Lerninhalte innerhalb einer kurzen Frist Bestandteil handwerklicher Berufsausbildung werden können. Auf der Ebene von Rahmenlehrplänen, die der Spezifizierung einer Ausbildungsordnung in deren Umsetzung dienen, gilt es künftig vermehrt weitere Handlungsoptionen im Sinne der Nutzung von Flexibilisierungsgraden zu prüfen. Der oben genannte ordnungspolitische Widerspruch kann damit aufgelöst werden.
Mit non-formalen Bildungsangeboten in der beruflichen Weiterbildung, wie z.B. Teilqualifizierungen wurden jedoch auch weiterführende berufsbildungspolitische Implikationen für die formale ordnungspolitische Organisation gegeben. Denn in diesem Kontext stellt sich u.a. die Frage, wie Verfahren zur Ableitung von Teilqualifizierungen aus Ausbildungsordnungen ausgestaltet werden können. Dieser Frage widmet sich aktuell der Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung. Bei der Verfahrensgestaltung hat der Hauptausschuss auch strukturelle und systembezogene Aspekte der Ordnung von Berufen zu berücksichtigen. So rückt beispielsweise das Berufsprinzip als Gestaltungsprämisse von Ordnungsstrukturen im Allgemeinen und von Abschluss- bzw. Gesellenprüfungen im Speziellen in den Fokus, wenn es darum geht curriculare Ableitungen aus Ordnungsmitteln zu erstellen. Dieser Fokus stellt eine neuerliche Herausforderung für die ordnungspolitische Organisation der beruflichen Bildung dar, der sich gerade auch die Sozialpartner einvernehmlich annehmen müssen. Teilqualifizierungen sind ein aktuelles Bespiel, wie sich die Sozialpartner der Herausforderung stellen, ordnungspolitische Flexibilitätspotenziale zu nutzen.
Flexibilitätspotenziale innerhalb der ordnungspolitischen Organisation der beruflichen Bildung sind gegeben. Sie im Kontext aktueller berufsbildungspolitischer Herausforderungen der Transformation sorgfältig und nachhaltig zu nutzen, liegt in der Verantwortung der nach Berufsbildungsgesetz und der Handwerksordnung relevanten Einrichtungen der beruflichen Bildung – insbesondere der zuständigen Bundesministerien und der Sozialpartner.
[1] Im Kontext dieses Beitrages werden Ausbildungsordnungen nach § 5 Berufsbildungsgesetz bzw. § 26 der Handwerksordnung, Fortbildungsordnungen des Bundes nach § 53 des Berufsbildungsgesetzes bzw. § 42 der Handwerksordnung sowie Meisterprüfungsverordnungen nach § 45 bzw. 51a der Handwerksordnung. Die aufgeführten Ordnungsmittel werden durch die jeweils zuständigen Bundesministerien erlassen. Nicht weiter betrachtet werden Ordnungsmittel, die durch die zuständigen Stellen erlassen werden (z.B. entsprechend § 42 f der Handwerksordnung).
[2] Die ordnungspolitische Organisation der beruflichen Bildung wird im Kontext dieses Beitrags unterschieden in die ordnungspolitische Struktur, die ordnungspolitische Systematik sowie die Ordnungsmittel. Struktur und Systematik entfalten sich über den Bildungsauftrag sowie den konstituierenden Rahmen durch grundlegende Prinzipien zur qualitätssichernden Gestaltung von Ordnungsmittel bzw. Curricula, wie z.B. das Berufsprinzip. Die ordnungspolitische Struktur und Systematik ist in der Regel gesetzlich manifestiert (z. B. Berufsbildungsgesetz bzw. Handwerksordnung) sowie durch Rechtsverordnungen der zuständigen Bundesministerien ausdifferenziert (z. B. Meisterprüfungsverfahrensverordnung oder Ausbildungsordnungen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie). Bildungsangebote, die diesen konstituierenden Rahmen inhaltlich ausgestalten, liegen Ordnungsmittel, wie z.B. die Ausbildungsordnung oder die Meisterprüfungsverordnung, zu Grunde. Die Ordnungsmittel werden seitens der Bundesregierung über Rechtsverordnungen erlassen. Darüber hinaus können noch Empfehlungen von ordnungspolitisch relevanten Institutionen (z. B. Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung) einen Beitrag zum Verständnis und zur einheitlichen Umsetzung ordnungspolitischer Strukturen leisten. Ein Beispiel für eine Empfehlung des Hauptausschusses, die darauf ausgerichtet ist die Struktur der beruflichen Bildung zu verdeutlichen, ist die Empfehlung Nummer 159. Mit dieser Empfehlung galt es die Struktur der damals so benannten Aufstiegsfortbildung zu erläutern und in Beziehung zur Stufensystematik des Deutschen Qualifikationsrahmens zu rücken (Bundesinstitut für Berufsbildung, 2014).
[3] Unter dem Begriff Beruf wird im Folgenden nicht nur der nach Berufsbildungsgesetz und Handwerksordnung geregelte duale Ausbildungsberuf verstanden. Das Berufsverständnis ist weiter zu fassen. Es umspannt das gesamte Berufslaufbahnkonzept eines jeweiligen Gewerks von der Stufe vier (Ausbildung) bis zur Stufe 6 des Deutschen Qualifikationsrahmen (Handwerkmeister).
[4] Im Rahmen der beruflichen Kompetenzen werden nur solche Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten betrachtet, die in einer direkten Form zur Erreichung der klima- und energiepolitischen Ziele der Bundesregierung beitragen. Es handelt sich hierbei um berufsbezogene fachspezifische Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten. Keine Berücksichtigung finden berufliche Kompetenzen, die unabhängig vom jeweiligen Berufsbild und Gewerk in indirekter Form einen Beitrag zur Klimawende leisten. Solche sogenannten transversalen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten beziehen sich beispielsweise auf nachhaltiges und ressourcenschonendes Arbeiten (vgl. Hassek-Eder & Rauner, 2023). Standardberufsbildpositionen, die Bestandteil einer Ausbildungsordnung sind, können als Grundlage für transversale Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten beschrieben werden.
[5] Im Rahmen der Erhebung wurden alle Ordnungsmittel des relevanten Berufes zu Grunde gelegt. Ausgehend von der Ausbildungsordnung sind damit auch die Ordnungsmittel der Höheren Berufsbildung (z.B. Meisterprüfungsverordnung) einbezogen, die in ihrer Gesamtheit das jeweilige gewerkespezifische Berufslaufbahnkonzept umfassen.
[6] Teilqualifizierungen sind entsprechend eines Strategiepapiers des Handwerks folgendermaßen charakterisiert, sie
- sind im Rahmen der Ordnungsstruktur an der Ausbildungsordnung und am Aus-
- bildungsrahmenplan eines Berufes ausgerichtet,
- sind in logische, dem Ausbildungsberuf entsprechende Kompetenzbündel gegliedert,
- bilden 100 Prozent der Ausbildungsinhalte in zusammengehörenden Kompetenzbündeln ab,
- bilden jeweils in sich abgeschlossene betriebliche Tätigkeitsfelder ab, die zu einer Beschäftigungsfähigkeit führen,
- führen nur mit einer Gesellenprüfung zu einem Berufsabschluss.
Literatur:
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Bundesinstitut für Berufsbildung (2014). Empfehlung des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung vom 12. März 2014 für Eckpunkte zur Struktur und Qualitätssicherung der beruflichen Fortbildung nach Berufsbildungsgesetz (BBiG) und Handwerksordnung (HwO).
Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (2022a). Eckpunktepapier zur Diskussion der Beschleunigung des Wärmepumpenhochlaufs. URL: https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/Energie/2-waermepumpen-gipfel-eckpunktepapier.pdf?__blob=publicationFile&v=6 (Abruf vom 26.03.24).
Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (2022b). Eröffnungsbilanz Klimaschutz. URL: https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/Energie/220111_eroeffnungsbilanz_klimaschutz.pdf?__blob=publicationFile&v=22 (Abruf vom 26.03.24).
Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (2023). Green Skills. In jedermann von uns steckt ein Green Collar. Impulspapier. Plattform Industrie 4.0. URL: https://www.plattform-i40.de/IP/Redaktion/DE/Downloads/Publikation/AG5_Impuls-GreenSkills.pdf?__blob=publicationFile&v=8 (Abruf vom 26.03.24).
Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (2023). Wie heizt Deutschland. Studie zum Heizungsmarkt, 2023. URL: https://www.bdew.de/media/documents/BDEW_Heizungsmarkt_2023_Langfassung_final_28.11.2023_korrigiert.pdf (Abruf vom 26.03.24).
Europäische Kommission (2020). Europäische Kompetenzagenda für nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit, soziale Gerechtigkeit und Resilienz. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen. URL: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52020DC0274&from=EN (Abruf vom 26.03.2024).
Hassek-Eder, E. & Rauner, A. (2023). Green Skills und Fachkräftebedarf. ÖKO + Fachmagazin für Ökonomie + Ökologie, 2/2023, S. 46-47.
Hiller, B.; Kaufmann, A. (2023). Grüne Wärme – eine Herausforderung für Ausbildungsberufe? Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis. 4/2023, S. 22-26.
Malin, L. & Köppen, R. (2023): Fachkräftemangel und Ausbildung im Handwerk. Kompetenzzentrum Fachkräfte Kompakt, 5/23.
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