Stephan Köster (Mitinitiator von Azubis4Future)

Azubis4Future haben sich zu Beginn als Ausgliederung der Fridays for Future verstanden. Am Anfang ging es schlicht um den Punkt, dass sie aufgrund des Ausbildungsverhältnisses nicht so wie Schülerinnen und Schüler oder Studierende an den Freitagsdemos teilnehmen konnten. Heute unterscheiden sie sich durch ihren praktischen Ansatz für eine an Nachhaltigkeit orientierte Ausbildung und trotz ihrer relativ überschaubaren Größe an einem breiten Spektrum an Themen. Ein Thema durchzieht das folgende Interview von Beginn an: wie lässt sich die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften verbessern?

Für die Vorbereitungsgruppe für diese Ausgabe von DENK-doch-MAL führten Franz Kaiser und Bernd Kaßebaum am 18. Juni mit Stephan Köster von Azubis for Future ein Gespräch.

DDM: Lieber Stephan, vielen Dank für das Gespräch. Vielleicht kannst du uns zu Beginn mal erläutern, wer ihr seid?

Stephan: Sehr gern. Azubis4Future ist letztendlich eine lose Initiative von Auszubildenden, die sich privat organisieren und von Menschen, die der Ausbildung inhaltlich nahestehen. Die Idee ist ein bisschen dahingehend zu gucken: wie bekommt man das Klimathema, wie bekommt man Nachhaltigkeit mehr und stärker in die Ausbildung hineingetragen, sei es im Betrieb, sei es aber auch in der Berufsschule. Einen Schwerpunkt unserer Gruppe haben wir in Berlin.

DDM: Das heißt, wenn du von Menschen sprichst, die der Ausbildung nahestehen stehen, heißt das dann, es gibt bei euch Menschen, die z.B. Ausbilder sind oder ausgebildete junge Menschen? Ist aber die Dominanz der Mitgliedschaft oder der Aktiven bei den Auszubildenden oder, so wie du es beschreibst, seid ihr Menschen, die mit Ausbildung zu tun haben und sich dem Anliegen, Klimaziele und Nachhaltigkeitsziele als Thema in die Ausbildung zu bekommen, nahe fühlen?

Stephan: Es gibt beide. Azubis und Menschen, die sich interessieren und engagieren wollen. In diesem Sinn ausbildungsnah ist für uns z.B. der Freiwilligendienst. Da haben wir eine Zeitlang eine Person gehabt, die sich bei uns engagierte und die den sozialen Freiwilligendienst absolviert hat. Natürlich ist es auch für uns eine kleine Herausforderung, gerade diese Zielgruppe – ich nenne sie jetzt Azubis – anzusprechen. Allein schon durch die ganz andere Zeitspanne ihres Verbleibs. Das freiwillige soziale Jahr kann zwischen sechs und achtzehn Monaten dauern. In der Ausbildung bin ich drei Jahre meines Lebens plus minus, im ersten Jahr orientiere ich mich noch ganz stark auf die neuen Bedingungen und finde mich erstmal in die neue Rolle als Azubi ein. Im zweiten Jahr habe ich vielleicht Zeit über den Tellerrand zu schauen, um mich politisch auch zu engagieren für diese Zielgruppe und im dritten Jahr wird das dann schon mit dem Engagement knapp und sportlich, weil dann die Abschlussprüfungen auf mich zukommen. Somit haben wir halt auch Aktive bei uns, die gerade frisch eine Ausbildung absolviert haben. Das macht auch Sinn. Dann weiß man, wie sich Ausbildung anfühlt und kann es aber auch schon ein bisschen reflektieren.

DDM: Wenn du sagst, wir sprechen die Azubis an, wie kommen sie zu euch? Im Unterschied zu euch haben Fridays4Future eher die Tendenz, dass dort überwiegend Schülerinnen und Schüler höherer Schulen und Studierende aktiv sind, während Azubis bei ihnen eher weniger vertreten sind und – ich sag’s jetzt mal ein bisschen altbacken – die Arbeiterklasse da nicht unbedingt repräsentiert ist. Aber wie kommt ihr jetzt an Azubis ran und wie kommen Azubis zu euch?

Stephan: Vielleicht ein Blick in unsere Gründungshistorie. Wir haben uns 2019 im April bei einem Vernetzungstreffen mit über 200 Personen zusammengesetzt: Dort wurde dann die Frage laut ausgesprochen: wer ist denn in einer Ausbildung und – zweite Frage – wollt ihr euch als kleine Arbeitsgruppe nochmal separat verabreden?

Daraufhin gab es fünf Aktive in Berlin, die schon vorher aktiv waren in dem Kontext der Fridays4Future-Bewegung und die sich als Azubis als kleine Arbeitsgruppe in der Fridays4Future-Bewegung gesehen haben. Das Ganze ging dann langsam los, dass wir dann quasi über Mundpropaganda und Hörensagen den Weg über Freundesfreunde gegangen sind. Das schien uns die effizienteste Variante, welche wir von den Fridays4Future gelernt und übernommen hatten.

Das Ganze hat sich dann in den Corana-Jahren zugespitzt, wie in sämtlichen sozialen Bewegungen. Anfänglich hat sich der Protest in das Internet verlagert und wurde aber zunehmend schwächer und schwächer. 2021 haben wir gesagt, okay, wir wollen gerne nochmal quasi neu starten, auch mit einer neuen Crew. Auch da ging es wieder darum, wen spricht man an und das waren auch dort wieder schon aktive Menschen, also Schulsprecher in Berufsschulen und Freundeskreis. Zudem bauten wir eine Gruppe über eine Informations-E-Mail an den Berufsschulen auf.

DDM: Seid ihr auch an die Schulleitungen gegangen? Haben diese die Mail weitergegeben oder habt euch eigenständig an die Schulsprecherinnen und Schulsprecher gewandt?

Stephan: Es gibt Schulleitungen, die dem Ganzen sehr offen gegenüberstehen. Es gibt auch welche, bei denen ist das nicht so. Da hatten wir vielleicht Glück, vielleicht auch nicht, aber es hat gut funktioniert. Wir hatten nach der ersten Mail 20 junge Menschen, freiwilligen Dienst und in der Ausbildung, wovon wir dann letztendlich sechs, sieben in eine aktive Mitarbeit integrieren konnten,

DDM: Und gibt es einen Schwerpunkt in bestimmten Berufen oder findet man die volle Bandbreite von Ausbildungsberufen bei euch?

Stephan: Es gibt diese Methode, die Freundesfreunde anzusprechen. Dadurch gibt es bei uns eine Bandbreite von Ausbildungsberufen, z.B. den Steuerfachberater oder die Steuerfachberaterin, die Europakauffrau oder den Europakaufmann, den Lokomotivführer oder die -führerin bis hin zur Schneiderin, dem Schneider und Buchbinderin oder den Buchbinder. Einen Schwerpunkt haben wir in der Erzieherinnen- und Erzieherausbildung.

DDM: Wie repräsentieren sich die einzelnen Gewerkschaften bei euch? Noch weitergehend: sind die Leute, die mit euch arbeiten, überhaupt Mitglied in einer Gewerkschaft? Und habt ihr Kontakte zu den Jugendabteilungen der Gewerkschaften?

Stephan: Es gibt Gewerkschaften, wo es etwas schwieriger war, ins Gespräch zu kommen. Und es gibt Gewerkschaften, die uns wohlwollend gegenüberstehen. Ich erinnere mich an ein gutes Gespräch mit einem Bildungsreferenten der IG Metall. Ich erinnere mich aber auch, just vor Kurzem, an ein gelungenes Camp in Markdelfingen, das von der DGB-Jugend Baden-Württemberg durchgeführt wurde, wo wir in einem Workshop als Referierende eingeladen worden waren. Positiv sehen wir auch die Zusammenarbeit mit der DGB-Jugend in Berlin.

DDM: An welchen Themen arbeitet ihr? Beteiligt ihr euch an Demonstrationen? Durch was hebt euch gegenüber anderen vor?

Stephan: Wir haben uns gegründet, weil wir als Auszubildende damals nicht so leicht an Freitagsdemonstrationen teilnehmen konnten so wie das Schüler oder wie das Studierende konnten. Das geht eine Zeit lang gut und dann bist du in der Ausbildung relativ schnell im Bereich Arbeitsrecht unterwegs, was eher unangenehm ist, wenn man es ein bisschen strapaziert. Daher war dann die Idee, dass es da nochmal ein anderes Format braucht.

Und was wir als unsere Zielsetzung verstehen, Nachhaltigkeit und Klimaschutz in die Ausbildung hineinzutragen. Wir hatten im Vorfeld von 2022 einen guten Austausch mit dem Bundesinstitut für Berufsbildung, wo dann mitunter auch durch unser Zutun die Standardberufsbildposition zum Umweltschutz und zur Nachhaltigkeit auf den Weg kamen.

Wir haben aber auch dort im BIBB und anderswo nochmal Forderungen aufgestellt, die wir auf verschiedenen Veranstaltungen vorgetragen haben. Wir hatten die Ehre, kurz mit Olaf Scholz zu sprechen, auf der von den Gewerkschaften durchgeführten Feier „75 Jahre Mitbestimmungsgesetz“. Wir wurden auch schon mal eingeladen zur Europäischen Union, dort auf einem internationalen Panel die Stimme der Auszubildenden quasi erheben zu dürfen, sodass wir dort schon, glaube ich, gut politische Akteure erreichen konnten.

Was wir jetzt aktuell machen, ist mit einem Podcast und mit einer Workshop-Reihe nochmal unsere Zielgruppe zu erweitern, weg von der Politik, stärker hin zu Mitauszubildenden, zum Ausbildungspersonal und zu Berufsschullehrenden und Betriebsleitenden.

DDM: Das klingt ja ganz eindrucksvoll. Gibt es auch eine Kritik an der Ausbildung, es liegt ja nahe, dass ihr als Initiative sagt, da muss mehr passieren. Gibt es Defizite der Ausbildung in Bezug auf Nachhaltigkeit? Wie schätzt ihr sie ein?

Stephan: Wenn eine solche Frage kommt, antworten wir ganz gerne mit dem Ausbildungsgang für die Asphaltbauerin bzw. des Asphaltbauers. Wir wissen, dass Ausbildungen bzw. die Rahmenlehrpläne von Ausbildungen von Zeit zu Zeit evaluiert und aktualisiert werden. Das geschieht mal schneller, mal langsamer schnell. Beim Asphaltbauer wurden, glaube ich, das letzte Mal die Inhalte evaluiert und aktualisiert Mitte oder Ende der 1980er Jahre. Das ist etwas, was wir gerne verändern möchten, gerade im Kontext von dem Wissen, was aktuell die Klimakrise betrifft, dass wir uns schlichtweg solche alten Wissensstände nicht mehr im Kontext der Ausbildung erlauben können.

Ein anderes Beispiel, nehmen wir den Klempner oder die Klempnerin. Der Rahmenlehrplan ist zuletzt Anfang der 20er Jahre überarbeitet worden. Da haben wir in einem gängigen Lehrbuch das Kapitel „Heizkraftwerke und Heizungen“. Da haben wir ca. 50 Prozent der Inhalte, die auf der Ölheizung basieren und 50 Prozent auf sonstige Varianten, was wir nicht mehr für sehr zeitgemäß halten. Und es gibt es bestimmt auch in anderen Berufen ähnliche Beispiele, die sich relativ schnell aufführen lassen.

Nehmen wir den Erzieher- oder Erzieherinnenberuf, der im Kontext von Nachhaltigkeit die Aufgabe hat, jungen Menschen bis zum Eintritt in die Grundschule das Thema Nachhaltigkeit zu vermitteln. Diese große Aufgabe ist tatsächlich leider nur mit einmal 45 Minuten in der Woche in der Erzieherausbildung vorgesehen und ich bekomme wahrlich in dieser Zeit nicht das Know-how mit, was in der Praxis bräuchte, den Jüngsten unserer Gesellschaft Nachhaltigkeit näherzubringen.

DDM: Du hattest von euren politischen Forderungen gesprochen. Kannst du sie bitte erläutern?

Stephan: Wir haben aktuell fünf Forderungen und sind gerade in der Erweiterung um eine sechste Forderung. Die zielt auf den Wunsch nach neuen oder angemessenen Inhalten der Rahmenlehrpläne.

Unsere Forderungen sind:

  1. Ermöglicht uns Engagement, das heißt, wir haben die Erfahrung gemacht, dass wir, wenn wir bei solchen Formaten eingeladen werden, gerne mal als Einstieg die Frage stellen: „wer von euch hat sich heute Urlaub genommen, um hier sprechen zu dürfen oder um hier zuhören zu dürfen“. Wir heben die Hand, weil wir damit zeigen wollen, dass wir dann Überstunden abbauen oder einen Urlaubstag genommen haben. Dann sind wir aber auch die einzigen im Raum. Daher die Bitte an die Arbeitgeber, dass das, was wir dort machen, was auch wünschenswert für den Betrieb ist, und ein Aushängeschild sein kann für den Betrieb, auch vom Betrieb ermöglicht wird.
  2. Schafft Perspektiven, das ist ein ähnlicher Bereich. Beispielsweise gibt es Unternehmen, die gerne ausbilden wollen, das auch können, aber keine Azubis finden. Wir erleben es im Bereich der Buchbinder, dass dort kleine Betriebe das Handwerk gerne weitergeben möchten, sich aber aus eigenen Mitteln keinen Ausbildungsplatz leisten können. Wir haben Hoffnung, dass auch die Gewerkschaften mit aufgesprungen sind auf den Zug. Wir fordern eine Ausbildungsplatzgarantie für alle, um damit auch die handwerklichen Ausbildungen weiter zu stärken.
  3. Dann haben wir noch den Bereich der Mitbestimmung: lasst uns mitentscheiden im Betrieb und in der Berufsschule! Wir haben in Berlin die erste Berufsschule in der Pilotphase, wo wir mit Schulleitung, mit der Vertretung der Lehrkräfte und mit der Vertretung der Schülerschaft ein Nachhaltigkeitsgremium geschaffen haben, was sich explizit mit nachhaltigen Fragestellungen auseinandersetzt, z.B. woher bezieht die Schule den Strom, wie kann man Druckerkontingente reduzieren, wie könnte die Heizung aussehen, wie könnten Klassenfahrten nachhaltiger werden etc. Da sind wir gerade dabei, weitere Berufsschulen anzustupsen und hoffen, dass diese dem Pilotprojekt zu folgen.
  4. Wir hatten in der Corona-Zeit sog. systemrelevante Berufe kennengelernt, wie die Verkäuferin, den Verkäufer, wie den Feuerwehrmann, wie die Polizistin, den Polizisten, wie die Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger. Unser Anliegen ist zu sagen, genau das sind Berufe, die wir brauchen. Was wir aber auch brauchen, ist die Stärkung und die Attraktivität von sozialen und Gesundheitsberufen und definitiv den Klimaberufen.
  5. Wir wissen durch die Scientists4Future exakt, wie viel Windräder wir bis wann brauchen, um noch einen positiven Impact aufs Klima zu haben. Wir wissen auch, wie viel Fachkräfte es braucht, gerade auch in der Solarbranche. Wir wissen aber auch ganz genau, dass wir unglaublich schwach sind, was die Ausbildung neuer Fachkräfte angeht. Daher haben wir die Idee zu gucken, wie findet denn Berufsbildung statt, und da haben wir halt gesehen: es gibt im Kindergarten, wenn du Glück hast, Eltern, die sagen, pass auf, ich bring mal den Beruf mit und stell diesen der Kindergruppe vor oder ihr könnt mich mal auf der Arbeit besuchen, wenn das noch möglich ist. Der nächste Schritt ist dann wahrscheinlich Ende der Regelschulzeit, das dreiwöchige Pflichtpraktikum und der Besuch im BIZ. Wenn ich auf dem Gymnasium bin, ist es aber nicht die Frage, welche Ausbildungen gibt es, auch nicht die Frage, welche Praktika es in den Betrieben gibt, sondern welcher Studiengang, an welcher Hochschule passt zu dir. Und da wollen wir gerne dran und das ein bisschen gestalten und haben da auch schon so ein, zwei Ideen, wie man das möglich machen könnte.
  6. Abschließend vielleicht noch ein Thema, an dem wir auch arbeiten. Es geht in die Richtung: Ausbildung für alle. Da haben wir gerade ganz viele Menschen in Deutschland, die gerne eine Ausbildung durchlaufen wollen, allerdings auf sehr viele Hürden stoßen. Das ist einfach schade, dieses Potenzial so zu behandeln, wie es gerade behandelt wird.

DDM: Meine Frage geht trotzdem noch darüber hinaus. Mein Aufhänger ist deine Überlegung zu Ausbildung auch für alle. Da denke ich in erster Linie an Menschen mit Behinderung, Menschen, die in unser Land gekommen sind, die einfach noch Schwierigkeiten haben, Menschen im Asylstatus oder ähnliches mehr. Und darauf bezieht sich meine Frage: was verbindet ihr noch mit dem Future, also dem notwendigen Wandel, denn das könnte mal ganz andere soziale oder sozial-ökonomische, grundlegendere Dinge bedeuten. Doch zugleich besteht die Gefahr sich zu verzetteln. Und das macht ja auch mitunter Sinn zu sagen, wer die Finger überall drin hat, kann die Hand nicht zur Faust ballen.

Stephan: Ja, klar. Das ist richtig, das ist auch das, wonach wir unsere Forderungen orientiert haben. Wir decken nicht die ganze Breite der Nachhaltigkeitsziele ab, was uns vielleicht von den Fridays unterscheidet. Die Fridays haben relativ große Forderungen gestellt, sehr umfassend und sagen, wir sind nicht die, die es umsetzen. Das fordern wir von der Politik. In Abgrenzung zu den Fridays verstehen wir uns als Fachkräfte von morgen, wo es auch darum geht, dass so runterzubrechen, weil wir die Zeit schlichtweg nicht mehr haben, dass wir sagen, wir wollen uns auch selbst an der Lösung beteiligen können. Und das machen wir jetzt im ersten Schritt durch den konkreten Workshop, wo wir notwendiges Wissen mit in die Berufsschulen nehmen. Und im zweiten Schritt wollen wir mithelfen, jungen Menschen den Weg in die Ausbildung zu erleichtern.

DDM: Es gibt mittlerweile eine Reihe von Betrieben, die sind stolz auf ihre Ausbildung, weil sie sagen, in der Ausbildung würden sie Nachhaltigkeitsziele verfolgen. Und meine Frage ist, ob ihr mal drüber nachgedacht habt, zu solchen Betrieben auch mal Kontakt aufzunehmen und diese Beispiele für euch aufarbeitet.

Stephan: Wir arbeiten direkt auch mit Ausbilderinnen und Ausbildern aus der Metallindustrie zusammen. Wir machen Workshops. Es gibt im BIBB gute Kontakte und so weiter und so weiter. Und dann stellen wir eben fest, es gibt zwei Ebenen. Es gibt gute, interessante Projekte, die wir gerne politisch transportieren wollen. Und das Zweite ist: es gibt auch viel Anspruch und Wirklichkeit. Also großen Anspruch und eine geringe, kleine Wirklichkeit. Und auf beiden Ebenen, denke ich, muss man sich auch vielleicht ein Stück bewegen.

Wir haben bestimmt spannende Projekte, was die Vermittlung angeht und die das in die Breite tragen. Wir haben aber auf der anderen Seite Ausbildungspersonal, was dann fragt, was muss ich denn sonst noch alles machen? Und oftmals findet dann genau diese Zielgruppe der Ausbilderinnen und Ausbilder nicht in solche Formate hinein.

Daher auch so ein bisschen die Idee, wenn sie es nicht aus eigener Kraft schaffen, solche Ausbildungen und Weiterbildungen zu besuchen, dass wir dann von unten als Auszubildende sagen, hey, pass auf, das ist unser Anspruch, auf die Zukunft vorbereitet zu werden. Das ist dein Job, das zu tun, wenn du die notwendigen Skills noch nicht hast. Schau mal, hier findest du sie. Daher so ein bisschen die Idee von unten, nochmal Druck aufzubauen und nochmal eine herzliche Einladung, da auch ein bisschen mehr den Schwerpunkt hinzuverlagern.

DDM: Ich habe sieben Jahre im BIBB auch als Leiter von Neuordnungsverfahren gearbeitet und mich darum bemüht, Nachhaltigkeitsthemen in die Ausbildungsordnungen hineinzubringen und unter anderem auch solche Themen, die wir jetzt angesprochen haben. Da kam mir dann manchmal auch unisono von beiden Sozialparteien, aber vor allem von den Arbeitgebern entgegen, warum soll der Azubi das wissen? Das ist ja gar nicht sein Zuständigkeitsbereich. Das entscheidet doch die Geschäftsleitung oder der Einkauf und die Azubis sollen doch das machen, was sie gesagt bekommen. Wie geht ihr damit um? Also zu sagen, sollen die Auszubildenden jetzt Umweltmanagement studieren oder BWL, damit sie das verstehen? Das wird euch nicht das erste Mal euch entgegenschallen, so eine Argumentation, oder?

Stephan: Das ist genau das, was ich vorhin erwähnt hatte als zweite Forderung: Ermöglicht uns Engagement! Also gebt uns die Freiräume, um auch genau sowas umsetzen zu können. Nicht jedes Format kann sich auf unsere Bedürfnisse und unsere Interessen einstellen. Manchmal ist es einfach unpassend, z.B. eine Tagesveranstaltung, wo uns dann wiederum ein bisschen die Hände gebunden sind, aufgrund von sehr knappen Ressourcen irgendwie mitwirken zu können. Es gibt ein paar kleine Kreise, wo wir als Auszubildende sprechen dürfen, was uns absolut freut: Wir fanden es unglaublich bereichernd. Bis jetzt haben wir nur über euch gesprochen und jetzt konnten wir im Gespräch mit euch einfach mal erfahren, wie angenehm das ist und wie sehr wir doch auch teilweise falsch lagen.

DDM: Gibt’s noch irgendwas, was ihr loswerden wollt, was du nochmal loswerden willst?

 Stephan: Was ja scheinbar nicht einfach ist, ist in die Konstanz zu kommen. Naja, eigentlich ist die Zeitspanne, während man in Ausbildung ist, sehr kurz und schwierig und im Grunde genommen das alles unter Ehrenamt zu wuppen. Wir haben keine institutionelle Anbindung. Aktuell gibt es eine gewisse Anzahl in Gruppen und Verteilern, die gerne mitlesen. Ehrenamt. Das heißt auch, wir haben nur einen sehr, sehr kleinen finanziellen Freiraum, aus dem wir heraus das Ganze gestalten können. Wenn sich Kooperationen mit den Gewerkschaften neue Möglichkeiten eröffnen würden, würden wir uns sehr freuen.

DDM: Was ihr macht, passt nach unserer Meinung gut in unsere gewerkschaftliche Jugendarbeit. Wenn unser Interview mit dir dazu einen Impuls geben kann, würden wir uns sehr freuen. Wir danken dir ausführlich für dieses umfangreiche Gespräch.

Kontakt mit AZUBIS4FUTURE bekommt man z.B. über den LINK: www.azubis4future.de

Autor

  • Mit über 10 Jahren Erfahrung im Bildungsbereich und einem besonderen Fokus auf Nachhaltigkeit widmet sich Stephan Köster, der Mitinitiator von Azubis4Future, der Verbindung von Ausbildungsprozessen mit nachhaltigen Konzepten. Seine Expertise liegt in der Analyse und Weiterentwicklung von Strategien zur Integration von Nachhaltigkeit in die berufliche Bildung und der Förderung eines umfassenden Verständnisses für nachhaltige Entwicklung innerhalb von Ausbildungsumgebungen.

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