Luciole Sauviat, Lea Müller-Greifenberg und Martin Roggenkamp (Berater:innen am Institut für Forschung, Training und Projekte (IFTP) im bfw.)

1. Einleitung

Weiterbildungsverbünde sind in Deutschland nicht neu, gewinnen aber an Bedeutung in der Diskussion um geeignete Weiterbildungsstrukturen (Köhler 2021). Idealtypisch gehen Weiterbildungsverbünde auf Unternehmen zu, erfassen ihren Weiterbildungsbedarf und bieten ihnen bedarfsgerechte Weiterbildungsmaßnahmen an. Auf welche Herausforderungen stoßen sie dabei? Wie sieht die Praxis der aufsuchenden Weiterbildungsberatung aus? Zudem welche Bedingungen begünstigen die Entwicklung von passenden Weiterbildungsaktivitäten?

Diesen Fragen geht der Artikel nach. Zuerst wird erläutert, was die derzeit vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) geförderten regionalen Weiterbildungsverbünde (2020–2024) sind und zudem stellt der Beitrag ihre Arbeit skizzenhaft vor. Weiter werden die Herausforderungen bei der Identifizierung und Vermittlung von Weiterbildungsbedarfen thematisiert. Zudem wird der Ansatz der aufsuchenden Weiterbildungsberatung der Weiterbildungsverbünde und die besondere Rolle von Brückenmenschen erläutert. Schließlich werden die daraus folgenden Faktoren, die das Entwickeln von passenden Weiterbildungsaktivitäten begünstigen, dargestellt.

Dieser Beitrag ist eine Reflexion aus der Arbeit des Instituts für Forschung Training und Projekte (IFTP) des Berufsfortbildungswerk des DGB (bfw) im Rahmen des bundesweiten Koordinierungszentrums der Weiterbildungsverbünde (forum wbv). Das forum wbv wird als Vernetzungsplattform der Weiterbildungsverbünde durch das BMAS gefördert und in einem gemeinsamen sozialpartnerschaftlichen Ansatz durch das Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) und das IFTP durchgeführt. Die Darstellung der Aktivitäten und Herausforderungen der Weiterbildungsverbünde basiert insbesondere auf Beobachtungen im Rahmen des Austauschs und der Veranstaltungen des forum wbv mit den Weiterbildungsverbünden. Die Ergebnisse haben daher keinen Anspruch auf Repräsentativität, sondern vermitteln einen explorativen Einblick in die Arbeit der Weiterbildungsverbünde. Damit möchten wir Impulse für die Diskussion über die Angebotsseite und die Passgenauigkeit von Angeboten setzen.

2. Weiterbildungsverbünde

Weiterbildungsverbünde sind Verbünde von Partnern, die im Feld der Weiterbildung aktiv sind. Meist sind sie im Feld der beruflichen Weiterbildung tätig und haben den Zweck, die Durchführung von Weiterbildung in Unternehmen zu unterstützen und die Weiterbildungsbeteiligung zu erhöhen. In Deutschland wurden bereits einige Erfahrungen mit Weiterbildungsverbünden oder -netzwerken gemacht, z. B. mit Qualifizierungsverbünden in Baden-Württemberg, ein gemeinsames Projekt vom Land Baden-Württemberg, der Bundesagentur für Arbeit (BA) und von Unternehmensverbänden, oder mit den Bildungsnetzwerken der Lernenden Regionen im Rahmen des Förderprogramms des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) 2001–2008. In Österreich existieren seit 23 Jahren sogenannte Impuls Qualifizierungsverbünde. Diese sind – ähnlich wie die Qualifizierungsverbünde in Baden-Württemberg – Verbünde zwischen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). In Österreich wird die Beratung für den Aufbau eines Verbundes bis hin zur Entwicklung von Weiterbildungsangeboten durch die dortige Arbeitsagentur (Arbeitsmarktservice) finanziert.

Seit 2020 und bis Anfang 2025 werden vom BMAS Modellprojekte für den Aufbau von regionalen Weiterbildungsverbünden der beruflichen Bildung gefördert. Im Rahmen der Nationalen Weiterbildungsstrategie (NWS) war es auch eine Forderung der Gewerkschaften, solche Verbünde aufzubauen. Insbesondere im Kontext der derzeitigen Transformation der Arbeitswelt – Digitalisierung, Dekarbonisierung und demographischer Wandel – sollen Kompetenzen der Arbeitnehmer:innen und damit die Fachkräftebasis für den stattfindenden Wandel gestärkt werden. Der regionale Ansatz ermöglicht es, u. a. die regionalen Rahmenbedingungen und die spezifischen regionalen Unternehmens- und Wirtschaftsstrukturen genauer zu berücksichtigen. Auch aus dem Förderprogramm der Lernenden Regionen (s. o. sowie Böttcher 2008) hatte sich die räumliche Nähe als eine der Gelingensbedingungen herauskristallisiert, da sie eine bessere Mobilisierung lokaler Akteure und Ressourcen ermöglicht (Köhler 2021, S. 33).

Die regionalen Weiterbildungsverbünde sollen vor allem KMU unterstützen und beraten, denn diese haben i. d. R. weniger Ressourcen als Großunternehmen für eine systematische Personalentwicklung und Weiterbildungsplanung. Derzeit werden 53 Weiterbildungsverbünde über ganz Deutschland verteilt durch das BMAS gefördert. Sie sind entweder einer Branche zugeordnet oder agieren branchenübergreifend. Überwiegend sind sie der Automobilbranche zuzurechnen, einzelne sind in der Informationstechnologie, der Pflegebranche, dem Gastgewerbe, der Medienbranche und in der Windenergie- oder der Luftfahrtbranche tätig. Die Partnerstrukturen und Netzwerke der Weiterbildungsverbünde sind sehr heterogen. Einige von ihnen sind sozialpartnerschaftlich ausgerichtet und haben sowohl Unternehmensverbände wie auch DGB Gewerkschaften als Partner. Einige sind Unternehmensverbünde, weitere werden von der Wirtschaftsförderung oder von der Arbeitskammer eines Bundeslandes geleitet und andere von Bildungsanbietern oder Forschungseinrichtungen koordiniert.
Weiterbildungsverbünde haben im Rahmen ihrer Unterstützungs- und Beratungsaufgabe für KMU im Wesentlichen zwei unterschiedliche Ziele:
„Während sich ein Teil der geförderten Organisationen auf das Matching von Weiterbildungsbedarfen und -angeboten fokussiert, konzentrieren sich andere Weiterbildungsverbünde verstärkt auf die Anpassung oder Neukonzeptionierung zukunftsweisender Weiterbildungsmaßnahmen und -formate unter Berücksichtigung geeigneter Lehr-/Lern-Settings.“ (Köhler 2021, S. 33)
Wie wir im Folgenden sehen werden, konzentrieren sich einige Weiterbildungsverbünde in ihrem Beratungsangebot auch darauf, Prozessberatungen durchzuführen.

3. Die Herausforderung der Identifizierung und Vermittlung bedarfsgerechter Angebote

Die Vermittlung bedarfsgerechter Weiterbildungsangebote ist eine Kernaufgabe der Weiterbildungsverbünde und stellt sie zugleich vor große Herausforderungen. In Deutschland ist das berufliche Weiterbildungsangebot besonders unübersichtlich. Nicht umsonst wurde die Governance der Weiterbildungslandschaft in Deutschland im OECD Bericht 2001 als einer der komplexesten Strukturen in den OECD Ländern bezeichnet.

Aus der Perspektive der Nutzer:innen (z. B. Beschäftigte, Personaler:innen sowie Geschäftsführungen) stelle das auf der Suche nach geeigneten Weiterbildungen eine Herausforderung dar (OECD Bericht 2001). Auch Finanzierungswege für Unternehmen und Beschäftigte sind oft unbekannt und die räumliche Nähe von Angeboten ist nicht immer gegeben. Deshalb ist die Verbundidee, die mittels Kooperation verschiedener Weiterbildungsakteure unterschiedliches Wissen und Expertise integriert, sinnvoll. Insbesondere im Kontext sich wandelnder Qualifikationsbedarfe im Zuge der Transformation bringen die komplexen Weiterbildungsstrukturen Kooperationsanforderungen mit sich, denen in den Verbünden gerecht werden kann.

Für die Vermittlung bedarfsgerechter Weiterbildungen müssen die Weiterbildungsverbünde in einem ersten Schritt die Weiterbildungsbedarfe der Unternehmen identifizieren. Was heißt es den Bedarf eines Unternehmens zu erfassen und wessen Bedarfe werden dabei genau betrachtet?

Bedarfe unterscheiden sich oft darin, welche Ziele bzw. Interessen verfolgt und von wem diese geäußert werden. Um ein paar Beispiele zu nennen: Während das Interesse am wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens vermutlich von allen Beteiligten geteilt wird, ist andererseits der Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit von allen Beschäftigten nicht zwangsläufig das Ziel der Geschäftsführung. Dieses Ziel wird – wenn sie existieren – insbesondere von Betriebsräten verfolgt und gegebenenfalls in die betriebliche Personalentwicklung eingebracht. Arbeitnehmer:innen und ihre Gewerkschaften werden das Ziel vertreten, die beruflichen Handlungskompetenzen – kompetentes Handeln in beruflichen Situationen – zu stärken und diese zu validieren. Gewerkschaften finden es zudem gesellschaftlich relevant, dass v. a. Menschen ohne (verwertbare) berufliche Abschlüsse besonders gefördert werden. Geschäftsführungen haben demgegenüber – insbesondere unter den Bedingungen des Fachkräftemangels – das prioritäre Interesse, die Kompetenzen und Qualifikationen der Beschäftigten kurzfristig an neue Technologien, Produkte, Produktionsprozesse oder Arbeitsmethoden anzupassen. Dazu genügen teilweise digitale Wissens-Nuggets im Sinne konkreter betrieblicher Bedarfe. Arbeitnehmer:innen haben aber darüber hinaus das Interesse, betrieblichen Wandel nicht nur zu meistern, sondern diesen auch im Sinne Guter Arbeit mitgestalten zu können und ihre Karriere- und Einkommensperspektiven durch den Erwerb neuer Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu verbessern. Hinzu kommt das Interesse der Bildungsanbieter – möglichst viele Weiterbildungen zu verkaufen –, die Ziele und Interessen der BA und der regionalen Arbeitsagenturen sowie die Ziele und Interessen von (regional) politischen und weiteren Arbeitsmarktakteuren. Daher ist es eine besondere Herausforderung für die Weiterbildungsverbünde, die Bedarfe, die von zuständigen Leitungskräften von Unternehmen und von Beschäftigten geäußert werden sowie regionalwirtschaftliche Entwicklungsperspektiven in ihrer Bedarfsanalyse zu integrieren.

4. Aufsuchende Weiterbildungsberatung

Das Besondere bei den regionalen Weiterbildungsverbünden ist, dass sie überwiegend aufsuchend tätig sind. Sie nehmen über verschiedene Wege Kontakt zu KMU in ihrer Region und Branche auf und bieten ihnen ein Gespräch an. In diesem Rahmen lernen sie u. a. durch Besichtigungen die Arbeitsorganisation des Betriebs kennen. Bei Folgegesprächen wird dann versucht, den Qualifizierungs-Bedarf zu ermitteln, um im Idealfall Verbundmöglichkeiten aufzuzeigen, diesen Bedarf zu decken.

Weiterbildungsverbünde haben unterschiedliche Methoden, um die Weiterbildungsbedarfe in Unternehmen zu identifizieren. Für die Erhebung der Kompetenz- und Qualifizierungsbedarfe der Beschäftigten im Unternehmen finden Tools wie z. B. die Software PHYTIA und SIBYL Automotive und die Qualifikationsmatrix Anwendung. Einige Weiterbildungsverbünde haben auch eigene Instrumente entwickelt bzw. führen Gespräche, strukturierte Interviews / Umfragen in den Unternehmen durch oder bilden Arbeitsgruppen mit Ausbilder:innen, Bereichsleitungen, Fachkräften. Auf der Grundlage der identifizierten Kompetenzbedarfe sollen Qualifikations-/ Weiterbildungserfordernisse in den Unternehmen abgeleitet und bedarfsorientierte Weiterbildungen vorgeschlagen werden. Die verschiedenen Ziele und Interessen der Akteure, die im vorherigen Absatz ausgeführt wurden, werden hierbei nicht notwendigerweise gleichermaßen berücksichtigt.

Eine zentrale Herausforderung für die aufsuchende Weiterbildungsberatung ist nach den Erfahrungen der Weiterbildungsverbünde, einen Zugang zu den Unternehmen herzustellen bzw. eine nachhaltige Beratung gewährleisten zu können. Die Zielgruppe der KMU verweist oft auf fehlende Kapazitäten und Ressourcen im Betriebsalltag, um sich dem Thema „Weiterbildung“ zu widmen. Dies betrifft die Durchführung einer Bedarfsanalyse sowie die Weiterbildung der Beschäftigten. Paradoxerweise wird dabei teilweise auf den Fachkräftemangel verwiesen. Dessen Bewältigung binde aktuell in einem Maße Ressourcen, dass keine Zeit für die Entwicklung der Fachkräfte zur Verfügung stehe. Eine Bedarfsanalyse in den Unternehmen kann daher nicht immer durchgeführt werden bzw. ihre Durchführung wird verzögert, weil die KMU auf nicht vorhandene Ressourcen verweisen, um zur abschließenden Durchführung der Bedarfsanalysen beizutragen. Eine weitere Hürde bei der Durchführung von Bedarfsanalysen besteht zudem in fehlenden strategischen Entwicklungsperspektiven vieler KMU.

Der genannten Herausforderung begegnen die Weiterbildungsverbünde unterschiedlich. In manchen Fällen versuchen Berater:innen von Weiterbildungsverbünden den Führungen der Unternehmen nahezubringen, was die zukunftsweisenden Skills ihrer Branche sind (Köhler 2021). Darüber kann das Thema der Qualifizierungsbedarfe angesprochen werden. Ein weiterer Ansatz von Weiterbildungsverbünden besteht darin, Weiterbildung durch Prozessgestaltung zu fördern. So berichtet ein Weiterbildungsverbund davon, dass sie in einem ersten Schritt an Unternehmensprozessen arbeiten, da auf Unternehmensseite der Fachkräftemangel als Begründung gegen die Durchführung von Weiterbildungen gilt. Die neuen Unternehmensprozesse ermöglichen u. a. erfolgreich neues Personal zu gewinnen. Durch neue Personalressourcen sowie neue Schwerpunktsetzungen kann bestimmten Berufsgruppen oder Abteilungen genug Zeit verschafft werden, um an Weiterbildungen teilzunehmen.

Insgesamt ist der Diskurs der Weiterbildungsverbünde geprägt durch die Interessen der Geschäftsleitungen – was nahe liegt, da diese oder die Personalleitungen oft die „Türöffner“ für die aufsuchende Weiterbildungsberatung sind. Im Vordergrund stehen dabei kürzere (Online-) Weiterbildungen als eine Lösung für diese Herausforderung. Zeitintensive Weiterbildungslösungen beeinträchtigen aus der Sicht der Weiterbildungsverbünde die Kooperationsbereitschaft der Unternehmen. Erfolgreich scheint zudem das Angebot von (kurzen) Weiterbildungen für die Führungskräfte selber zu sein.

Eine geringe Rolle scheint demgegenüber der Zugang zu Unternehmen über Betriebsräte zu spielen. Dabei sind Weiterbildungen, die sowohl mit den Geschäftsführungen als auch mit den Betriebsräten erarbeitet werden, am ehesten geeignet, die unterschiedlichen Zielrichtungen und Interessen zu berücksichtigen. Tatsächlich zeigt eine breit angelegte Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) zur Rolle von Betriebsräten in der Weiterbildung, dass in Betrieben, in denen es Betriebsräte gibt, nicht nur die Weiterbildungsteilnahme erhöht wird, sondern auch Geringqualifizierte, befristet Beschäftigte und ältere Mitarbeiter:innen einen besseren Zugang zu Weiterbildung haben (Erol & Ahlers 2023). Da es aber in KMU seltener entsprechende Vertretungen von Arbeitsnehmer:innen gibt, fehlen oft bei Bedarfsermittlungen die Gesichtspunkte einer organisierten Arbeiterschaft.

Aufsuchende Weiterbildung kann – wie im Feld der politischen und gewerkschaftlichen Bildung – durch die Auseinandersetzung mit der Lebenswelt in konkreten Betrieben der Heterogenität der Arbeitnehmer:innen gerecht werden (Trumann 2022). Auch kann sie dazu beitragen, die Grenzen zwischen Angebot- und Nachfrageseite aufzulösen. Im besten Fall werden Weiterbildungsangebote gemeinsam entwickelt, entweder in Arbeitsgruppen mit Fachpersonal aus den Betrieben (Meister:innen, Ausbilder:innen, etc.) oder bestehende Angebote werden passend zum angemeldeten bzw. identifizierten Bedarf – dank der Expertise im Verbund – gemacht.
Eine Lösung für die Herausforderungen des Zugangs zu Unternehmen und die Integration der verschiedenen Interessen und Perspektiven kann in der Etablierung von Brückenmenschen zwischen Betrieben und Weiterbildungsverbünden liegen. Ähnlich wie in der Typisierung von Brückenmenschen von Bremer und Kleemann-Göhring (2011: 55) haben diese eine längerfristige Verortung bzw. Standortpräsenz. In dem Fall der beruflichen Bildung sind es Menschen aus dem Betrieb, die also über Insiderwissen verfügen und die betriebliche(n) Kultur und Prozesse kennen. Zudem haben sie ein Interesse daran, dass Weiterbildung im Betrieb gestärkt wird.

Solche Brückenmenschen können Betriebsräte oder Weiterbildungsmentor:innen[1] sein, es können aber auch Menschen aus der Personalabteilung sein oder z. B. Fachkräfte, die in Arbeitsgruppen zum Thema Ausbildung/ Weiterbildung tätig sind. Brückenmenschen können unterstützen, wenn es darum geht, die Geschäftsleitungen davon zu überzeugen, dass Weiterbildung notwendig ist, und können daran interessiert sein, den Kompetenzbedarf gemeinsam mit Berater:innen von Weiterbildungsverbünden zu ergründen. Sie genießen meistens das Vertrauen von Mitarbeiter:innen und hören sich deren Anliegen an. Letztere können so darauf vertrauen, dass es z. B. bei Kompetenzermittlungen nicht, wie manchmal befürchtet wird, darum geht, Mitarbeiter:innen zu schikanieren oder auszurangieren. Ihre Rolle lässt sich gut mit einem Beispiel aus einem Weiterbildungsprojekt in der Nahrungsmittelindustrie (Mentoren. Bilden. Zukunft. Ein Projekt von der Gewerkschaft NGG, dem Bildungszentrum Oberjosbach und dem IFTP) illustrieren. Im Projekt wurde mit Hilfe von Weiterbildungsmentor:innen ermittelt, dass angelernte Arbeitskräfte Sprachkompetenzbedarfe haben und so einen Berufsabschluss erlangen könnten. Für die Geschäftsführung bedeutete die Förderung der Sprachkompetenzen, dass es u. a. weniger Störungen im Produktionsablauf geben würde. So wurde abgesprochen, dass Sprachkurse, die auf die Bedarfe dieser Mitarbeiter:innengruppe in der spezifischen Branche zugeschnitten sind, entwickelt wurden. Mit dem Betriebsrat wurden Kurszeiten abgestimmt, die in der Arbeitszeit stattfinden und die Kurse waren für die Teilnehmenden kostenfrei. Damit die Beschäftigten über die Kurse passend informiert wurden und individuelle Fragen stellen konnten, wurde ein Mitarbeiter der zuständigen Sprachschule in mehreren Runden auf Bildschirmen des Unternehmens zugeschaltet. Für die Arbeitskräfte, die in der Zeit in der Produktion tätig waren, wurde das Produktionsband sogar für kurze Zeit gestoppt. Auch bei einzelnen Weiterbildungsverbünden ist die Etablierung von Brückenmenschen zwischen Betrieben und Weiterbildungsverbünden als Ansatz zur Förderung der Weiterbildung in Unternehmen zu finden.

5. Schlussbetrachtung: Thesen zu Faktoren, die passende betriebliche Weiterbildungen im Verbund begünstigen.

Aus den oben dargelegten Beobachtungen und Reflexionen, die wir im Laufe des Projektjahres 2022–2023 gesammelt haben, können wir folgende Thesen zur Entwicklung von passenden Weiterbildungsangeboten im Verbund formulieren. Diese bleiben Thesen und müssten verifiziert werden. Wir sind jedoch zuversichtlich, dass sie die richtigen Impulse für eine weitere Reflexion liefern.

  • Regionale Weiterbildungsverbünde haben das Potential, das Dilemma des Matchings von Angeboten und Bedarf zu lösen. Nicht nur haben sie die notwendige räumliche Nähe und kennen die Angebotslandschaft und ihre Förderungsmöglichkeiten, vielmehr können sie aufsuchend Angebote anpassen oder mit betrieblichen Akteuren weiterentwickeln.
  • Regionale Weiterbildungsverbünde, die sozialpartnerschaftlich ausgerichtet sind und Betriebsräte als Brückenpersonen haben, können Weiterbildungen vorschlagen, anpassen und entwickeln, die sowohl den Zielen der Unternehmensführungen wie den Zielen der Beschäftigten, die seltener an Weiterbildung teilnehmen (z. B. Angelernte), entsprechen. So können Weiterbildungsverbünde u. a. eine sinnvolle Ergänzung zu einem Weiterbildungstarifvertrag sein.
  • Weiterbildungsmentor:innen und Betriebsräte sind Schlüsselakteure, die als Brückenmenschen einerseits zwischen der Geschäftsführung und den Beschäftigten im Betrieb und anderseits zwischen den Geschäftsführungen und den Weiterbildungsverbünden agieren können. So kann die Durchführung von Weiterbildung erleichtert und die Teilnahme daran erhöht werden.
  • Regionale Weiterbildungsverbünde, die ein breit angelegtes Netzwerk mit unterschiedlichen Akteuren (Arbeitsagenturen, Forschungsinstitutionen, Gewerkschaften etc.) haben, können das Thema Weiterbildung auf gesellschaftlicher Ebene in einer Region platzieren. Sie kennen zudem unterschiedliche Weiterbildungsinteressen. Da sie innerhalb ihres Netzwerkes verschiedene Kompetenzen haben, haben sie gute Voraussetzungen für die Entwicklung von Weiterbildungen, die für unterschiedliche Zielgruppen passend sind.
  • Der Aufbau von Kooperationen innerhalb eines Verbundes und mit Unternehmen braucht Vertrauen und Vertrauensaufbau benötigt Zeit. Insbesondere aufsuchende Weiterbildungsberatung braucht Zeit und Ressourcen. Dafür wird nicht mit einer vorgefertigten Angebotspalette gearbeitet. Die Weiterbildungen entsprechen so eher dem Bedarf und den Interessen von unterschiedlichen betrieblichen Gruppen.
    Für qualitativ hohe Weiterbildungen, die nachhaltig zur Transformation der Arbeitswelt beitragen, muss es Vertrauen, Akzeptanz und Zeit geben. Eine Zeit, die die Weiterbildungsverbünde noch bräuchten.

[1] Weiterbildungsmentor:innen werden auch im Rahmen der Nationalen Weiterbildungsstrategie gefördert. Sie sind betriebsinterne Multiplikator:innen. Seit 2021 fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Projekte in den Organisationsbereichen der Gewerkschaften IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG).

Ambos, I. & Martin, A., Alke, M., Gnahs, D, Breyer, L. (Mitarbeit) (2013), Regionale Weiterbildungsverbünde Schleswig-Holstein – – Infrastruktur für die Weiterbildung. Ergebnisse der Evaluierung im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie des Landes Schleswig-Holstein: https://www.die-bonn.de/doks/2013-weiterbildungsnetzwerke-01.pdf (Zugriff am 6.9.2023).

BMBF (2001–2008), Lernenden Regionen im Rahmen des Förderprogramms des Bundesministeriums für Bildung und Forschung: https://www.bildungsserver.de/innovationsportal/innovationsprojekt.html?innovationsprojekte_id=269 (Zugriff am 15.09.2023).

Böttcher, P. (2008), Das Programm „Lernende Regionen – Förderung von Netzwerken“, in Klein, B. & Wohlfahrt, U. (2008), Die Lernenden Regionen in NRW, Ergebnisse und Impulse für die Bildungspraxis, W. Bertelsmann Verlag GmbH & Co. KG, Bielefeld: https://www.wbv.de/shop/Lernende-Regionen-Foerderung-von-Netzwerken-6001915w014, https://www.wbv.de/shop/detail/4cbfac7c01823f4ca7b753fa50211e77 (Zugriff am 14.09.2023).

Bremer, H. & Kleemann-Göhring, M. (2011), Aufsuchende Bildungsarbeit: Mit Vertrauen Brücken in bildungsferne Lebenswelten schlagen, Forum Erwachsenenbildung: die evangelische Zeitschrift für Bildung im Lebenslauf, 3, 53–56: https://doi.org/10.3278/FEB1103W053 (Zugriff am 21.09.2023).

Erol, S. & Ahlers, E. (2023), Betriebliche Weiterbildung als Handlungsfeld der Betriebsräte in Zeiten der Transformation. WSI Policy Brief Nr. 77, April 2023, Düsseldorf: https://www.boeckler.de/de/faust-detail.htm?sync_id=HBS-008599 (Zugriff am 07.06.2023).

IFTP (2023), Weiterbildungsmentor:innen als wichtige Kooperationspartner für die Weiterbildungsverbünde: https://www.forum-wbv.de/weiterbildungsmentorinnen-als-multiplikatoren/ (Zugriff am 08.09.2023).

Köhler, F. (2021), Berufliche Weiterbildung in Unternehmen durch Kooperation stärken. Besser im Verbund, in J. Schrader, & P. Brandt (Hrsg.). Warum nicht kooperieren? [Themenheft]. weiter bilden. DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung 28 (3): https://www.die-bonn.de/doks/heft3-2021.pdf (Zugriff am 08.09.2023).

OECD (2021), „Zusammenfassung“ in Continuing Education in Germany, OECD Publishing, Paris: https://read.oecd-ilibrary.org/employment/continuing-education-and-training-in-germany_30325443-de#page11 (Zugriff am 08.09.2023).

Tippelt, R. (2021), Acht zentrale Bedingungen für erfolgreiche Bildungskooperationen Scheitern ist möglich, in J. Schrader, & P. Brandt (Hrsg.). Warum nicht kooperieren? [Themenheft]. weiter bilden. DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung 28 (3): https://www.die-bonn.de/doks/heft3-2021.pdf (Zugriff am 08.09.2023).

Trumann, J. (o. J.) (2022), Trägernetzwerk politische Bildung in der Arbeitswelt. „Demokratisch ist man nicht allein.“ Ergebnisse einer qualitativen Untersuchung zu aufsuchenden politischen Bildungsaktivitäten in der Arbeitswelt: https://www.dgb-bildungswerk.de/sites/default/files/pdf-upload/2023-02/Tr%C3%A4gernetzwerk-Forschungsbericht%202022.pdf (Zugriff am 08.09.2023).

Autoren

  • Luciole Sauviat hat Soziologie und Labour Policies and Globalisation studiert. Sie hat als politische Referentin für gewerkschaftliche Bildung bei dem DGB Bundesvorstand gearbeitet. Davor war sie u.a. beim Europäischen Gewerkschaftsinstitut in Brüssel als Bildungsreferentin beschäftigt. Sie arbeitet jetzt beim Institut für Forschung, Training und Projekte (IFTP) im bfw als Beraterin im bundesweitern Koordinierungszentrum der Weiterbildungsverbünde.

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  • Lea Müller-Greifenberg hat Humanbiologie mit dem Schwerpunkt Neurobiologie studiert und ist geprüfte Berufspädagogin. Sie war u.a. bei inab - Ausbildungs- und Beschäftigungsgesellschaft des bfw mbH im Ausschreibungsmanagement beschäftigt und als Konzeptionistin von Bildungsmaßnahmen im Bereich der beruflichen Bildung sowie der Arbeitsmarktdienstleistungen tätig. Sie arbeitet jetzt als Projektentwicklerin beim Institut für Forschung, Training und Projekt (IFTP) sowie als Beraterin im bundesweiten Koordinierungszentrum der Weiterbildungsverbünde.

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  • Martin Roggenkamp hat als Soziologe und Politikwissenschaftler am Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen gearbeitet. Anschließend hat er zehn Jahre als Berater Gewerkschaften, Europäische Betriebsräte sowie Gebietskörperschaften auf Landes- und kommunaler Ebene bei der Entwicklung, Beantragung und Koordinierung von Drittmittelprojekten unterstützt. Seit 2015 arbeitet er für das bfw – Unternehmen für Bildung, dort seit 2020 im Institut für Forschung, Training und Projekte (IFTP) in der Projektentwicklung und -koordinierung. Aktuell ist er zuständig für die operative Leitung des bundesweitern Koordinierungszentrums für die Weiterbildungsverbünde.

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