ESCO und Europass – ist ein europäisches und erweitertes Linked in im Entstehen?

Dr. Knut Diekmann (Referatsleiter für Grundsatzfragen in Sachen Weiterbildung beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag in Berlin)

Das Szenario

Wäre es nicht schön, wenn man alle seine Daten über die Schule, die Ausbildung und auch die Weiterbildung an einem sicheren Ort gespeichert hätte – jederzeit abrufbar und flexibel im Format! Dann müsste man nicht bei jeder Bewerbung alles neu heraussuchen und zusammenstellen. Dieser Tage wollen wir immer mehr Komfort und weniger Arbeitsschritte haben, um rasch unsere Aufgaben erledigen zu können. Das schließt dann Worte wie schlanke Prozesse, Medienbruch, freie Verfahren oder agiles Vorgehen ein.

Die Europäische Kommission plant mit einem Großprojekt, den Bürgern ihre Bewegung auf dem Arbeitsmarkt und in der Bildung zu vereinfachen, indem sie eine neue digitale Grundstruktur aufbaut. Dort kann ein jeder dann alle seine Daten sammeln und – nach eigenem – Wunsch für virtuelle Dienstleistungen freischalten. Das kann die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz sein sowie die unterstützte Recherche nach einer Weiterbildung oder einem Studienplatz. Eingeschlossen werden dabei ganz neuartige Funktionen, soweit – anderswo – die technologischen Voraussetzungen geschaffen worden sind: Zeugnisse können auf ihre Echtheit überprüft und somit legitimiert werden; eigene Wünsche für Laufbahn, Ausbildung und Beschäftigung gehen mit in die Suche ein; der Nutzer kann Selbsteinschätzungen für Schlüsselkompetenzen vornehmen und anderes mehr.

Das alles klingt ein wenig nach Magie. Doch die heutigen Technologien und die Datenbewegungen und -verknüpfungen im world wide web ermöglichen Dienstleistungen, die Menschen nicht schaffen. Und so nutzt sie die EU-Kommission, um einen Service für ihre nunmehr 450 Mio. Bürger zu zentralisieren und zu vereinheitlichen. Eine enorme Erleichterung wird die 1:1-Übersetzung aller Angaben erbringen, wodurch Länder übergreifend alle 23 Amtssprachen miteinander kommunizieren.

Der Datenschutz wird darin nach europäischen Vorhaben gewährleistet. Das bedeutet auch, dass der neue Service nicht in Verdacht geraten wird, eine unkontrollierte und intransparente „Datenkrake“ zu werden. Zudem versichert die EU-Kommission, dass auch die physischen Strukturen, also die Hardware in Europa selbst steht. Damit ist ein unliebsames Ausliefern von Daten durch staatliche Behörden oder gar zu kommerziellen Zwecken an andere nicht zu befürchten.

Der neue öffentliche Service wird auf einem Portal angeboten werden, das Europass heißt. Vorgesehener Launch ist Ende Mai 2020 – wenn auch nur mit weniger als der Hälfte an vorgesehenen Funktionen. Der neue Europass hat nichts mehr mit dem alten zu tun, der es in den vergangenen 15 Jahren ermöglichte, Nachweise zu Qualifikationen zu vereinheitlichen, ein EU-Muster für den Lebenslauf anzubieten und eine Dokumentation zu Lernaufenthalten im EU-Ausland vorzunehmen.

Bedeutung

Potentiell könnte aus diesem Leitprojekt ein Service für jedermann werden. Der Erfolg neuer digitaler Angebote hängt allerdings davon ab, wie viele Nutzer das neue Angebot wahrnehmen werden. Und das wiederum hängt davon ab, inwieweit der neue Service auch – technisch und konzeptionell – belastbar ist und tatsächliche Mehrwerte für das Leben der Nutzer bringen wird. Gerade auf dem Markt der virtuellen Angebote ist das Schicksal neuer Instrumente mit einem erheblichen Risiko verbunden.

Auf den zweiten Blick – jenseits der direkten und unmittelbaren Nutzerperspektive – könnte das Projekt jedoch auch Strukturentscheidungen im virtuellen Neuland vorwegnehmen. Selbst die größeren europäischen Mitgliedstaaten schaffen es nicht, virtuelle ‚Systeme‘ zu implementieren. In Deutschland sind wir bislang auf dem Stand der Diskussion noch im Abstrakten und eher Vagen: Das zeigen MILLA von der CDU, die digitale Bildungsarena von der FDP oder die zentrale Online-Plattform der Grünen prototypisch. Denn für die rudimentären und unscharfen Pakete von systemischen Strukturen gibt es nur kurze Ideenpapiere oder Foliensätze. Die digitale Schule ist ‚auf dem Weg‘ – und kaum sind erste Leitlinien bekannt, so werden schon andere Lücken wieder sichtbar.

Dagegen hat die EU-Kommission in einigen virtuellen Großprojekten schon viele Erfahrungen gesammelt, ist damit zum Vordenker von Strukturen geworden, die sie nun selbst in die Hand nimmt. Das zeigen die Bemühungen um die sogenannten credentials, also virtuelle und Maschinen-lesbare Zeugnisse. Das zeigen auch die verschiedenen Förderlinien zu OER, also frei zugänglichen Bildungsmaterialien. Die EU-Kommission konsultiert schließlich mit Einrichtungen der angewandten Forschung, spricht mit den großen US-Social Media Anbietern und stützt sich auf externe Experten.

Die EU-Kommission vermag vor allem auch dort für beständige Strukturen zu sorgen, wo vor allem kleinere Mitgliedstaaten nicht die Ressourcen haben, eigene Lösungen zu entwickeln. Daher ist die EU damit weit jenseits ihrer Rolle als bloßer Unterstützer der nationalen Politik unterwegs: denn sie schafft konkrete Strukturen!

Neue Standards

Um überhaupt ein solches System wie den neuen Europass denken zu können, waren viele Vorarbeiten erforderlich, die die Systemkomponenten ausmachen.

Die wohl wichtigste Grundlage ist ESCO, i.e. die Schaffung einer gemeinsamen Sprache (Konzeption und Technologie), die erst den Austausch von Daten in allen Mitgliedstaaten überhaupt ermöglicht. Denn die Mitgliedstaaten haben in über 150 Jahren ihre eigenen Sprachen, Strukturen und Diskussionen entwickelt, die nicht konvergieren.

ESCO ist ein Thesaurus, also ein riesiges Wörterbuch. Die erste Funktion ist die Überwindung unterschiedlicher nationaler Begriffstraditionen, indem man eine einheitliche EU-Sprache für alle schafft, die zweite ist die Überwindung unterschiedlicher Sprachen in Bildungs- und Arbeitsmarkt. Beispiel: Was nur bedeutet das in Stellenausschreibungen berühmte Wort ‚Belastbarkeit‘ in der Bildung? Die dritte Funktion ist die Generierung eines Standardrahmens, um die mitgliedstaatlichen Bildungssysteme vergleichen können. Bislang nämlich muss man sich der UNESCO-Konzepte in ISCED und ISCO bedienen, um auch nur annäherungsweise Aussagen über die jeweilige nationale Leistungsfähigkeit einen Vergleich vornehmen zu können. Und schließlich schafft man neue EU-weite Beschäftigungsprofile, die alle nationalen Eigenarten integrieren können.

Der Ehrgeiz eines solchen Unterfangens zeigt sich auch in der zeitlichen Dauer, die die Genese der ersten Versuche von ESCO in Anspruch genommen hat. Es waren runde acht Jahre (2010-18), die die EU-Kommission dafür aufgewandt hat. Das Projekt verlief zudem jenseits der Aufmerksamkeit der Mitgliedstaaten nur mit ausgewählten Experten, ohne dass eine Zusammenarbeit mit den Staaten auch nur angestrebt worden wäre. Erst 2015 wurden diese mit einer Member States Working Group eingebunden.

ESCO bedeutet European Standard Classification of Occupations, Skills and Competencies. ESCO gliedert sich in drei Säulen:

  • EU-weite Beschäftigungsprofile,
  • fachliche und überfachliche Fertigkeiten,
  • Qualifikationen und Abschlüsse

Was muss man sich darunter vorstellen? Über insgesamt sechs Jahre wurden Hunderte von Experten in Arbeitsgruppen – nach Brüssel und per Video – eingeladen unter Zuhilfenahme von zusätzlichen persönlichen Ressourcen und aufbereiteten Quellen (wie Stellenausschreibungen, Branchen-Indices und Handbücher). Ihre Aufgabe bestand darin, eine aktuelle Bestandsaufnahme über prototypische Beschäftigungsprofile in der gesamten Wirtschaft zu fertigen.

Herausgekommen ist eine beträchtliche Summe an Begriffen, die für die verschiedenen Säulen geschaffen und mehreren Qualitätssicherungsschleifen unterzogen wurden. Es sind insgesamt 26.000 Begriffe (2942 Berufe, 13485 Fähigkeiten, 9453 Qualifikationen – Stand 12/2019).

ESCO wird einem nachhaltigen Qualitätssicherungsprozess unterzogen, für den die bisherigen Gremien weiter genutzt werden. Maßgeblich ist hierbei das sog. Maintenance Committee, das weiterhin mit unabhängigen Experten besetzt ist. Dabei wird darauf geachtet, sowohl die neuesten Verschiebungen auf dem Arbeitsmarkt als auch ESCO konzeptionell weiterzuentwickeln. Dazu gehört gerade der Aufbau einer skills hierarchy.

Das spannendste Moment ist die Schaffung virtueller Standards, um eine Maschinen-Lesbarkeit zu ermöglichen. Das wird durch die Strukturen des semantischen Netzes, also von linked open data gewährleistet. Dies ermöglicht eine automatisierte Beziehung zwischen Daten nach ihrer Bedeutung. In Kürze: Dadurch können Datensätze von Einzelpersonen mit Stellenanzeigen und Bildungsangeboten sinnvoll verbunden werden – ohne dass Menschen dazwischengeschaltet wären.

Die EU-Kommission stellt zwischenzeitlich alle Unterlagen im Netz frei zur Verfügung, um potentielle Interessenten versorgen zu können sowie politische Akteure oder direkte Nutzer informieren zu können. Leider sind die Primärquellen ohne ein Zusammenhangwissen des Gesamtprojekts kaum zu würdigen und auch schwer nachzuvollziehen. Sie finden sich alle auf der ESCO-Website unter: https://ec.europa.eu/esco/portal/home.

Eine wissenschaftliche Aufarbeitung hat bislang nicht stattgefunden. Die Entwicklung des Projekts ist von der Fachwissenschaft nicht nur weitgehend, sondern konsequent ignoriert worden. Auch die politischen Administrationen beschäftigen sich in geringem Maß mit den Auswirkungen auf den deutschen Berufsbildungsstandort. Die Wirtschafts- und Sozialpartner haben sich immer wieder für eine Folgenabschätzung stark gemacht, was von Bund – Länder Gremien bisher nicht aufgegriffen wurde. Der DIHK hat hier für die Aufarbeitung einen Anfang gemacht und einen Auftrag an das Fraunhofer-Institut vergeben (siehe Quellenverzeichnis). Die Einrichtung einer nationalen Begleitgruppe beim BMBF (zusammen mit dem BMAS) hat bislang nur als Informationsdrehscheibe gedient. Zwischenzeitlich hat jedoch das Bundesinstitut für Berufsbildung in Bonn einen Projektplan vorgelegt, um die Auswirkungen in einem 2-jährigen Projekt explorieren zu können.

Erste Auswirkungen

ESCO wurde von der Europäischen Kommission als open content für die weitere Nutzung und Fortentwicklung frei zu Verfügung gestellt. Das ist folgerichtig, da man so Anstöße gibt, die von der Privatwirtschaft aufgenommen werden können. In Deutschland gelingt dies bei den vielen Schlüsselprojekten und Pilotprogrammen in geringerem Maß. Denn meist verbleiben die Projektergebnisse bei den Projektverbünden und bei den interessierten Akteuren.

ESCO wird mit einer gewissen Begeisterung von privaten Nutzern aufgegriffen. Denn bei ESCO handelt sich um die weltweit aktuellste Repräsentation des Arbeitsmarktes der entwickelten Welt. Weiter sind die Begriffe in allen 23 Sprachen erhältlich – was revolutionär ist und dem neuesten Stand der Technik entspricht. Drittens liefert ESCO für die weitere Entwicklung die Grundlage, um in der Rahmung eines semantischen Netzes personenbezogene Dienstleistungen für die Suche nach Arbeits- und Bildungsmöglichkeiten zu unterstützen. Dabei handelt es sich um eine Art von Grundarchitektur, also wie Straßen und Tankstellen im Personenverkehr, der eben virtuell stattfindet. Das integriert auch künstliche Intelligenz, die individuelle Lernpfade prognostiziert, die Bewegung auf dem Arbeitsmarkt mit Analyserastern versieht oder die Authentifizierung von Zeugnissen – credentials – vorsieht.

ESCO ist also so etwas wie eine erforderliche Grundlage für die Abbildung der realen, analogen oder lebenswirklichen Umwelt in der virtuellen Welt, also auch im Netz. Und es handelt sich dabei um eine konsequent über-nationale Lösung, die auch den Binnenmarkt in seiner Gänze abdeckt, nicht nur eine nationale Infrastruktur, die auf einen Teil beschränkt bliebe.

Gleichzeitig liefert die EU-Kommission einen Service frei Haus, für den Mitgliedstaaten regelmäßig große Investitionen aufbringen müssten. Einige kleinere Staaten können ESCO so als ‚fertiges System‘ übernehmen und damit beispielsweise ihre Arbeitsmarktpolitik grundlegend modernisieren. In Deutschland gibt es bereits ein System, das Ähnliches leistet wie ESCO, i.e. die Klassifikation der Berufe (KldB). Sie strukturiert das duale Ausbildungssystem und die Fortbildung. Die KldB ist so etwas wie der Maschinenraum, der das Berufsbildungssystem erst zum Laufen bringt. Sie ermöglicht es, Berufe und Berufsgruppen als Teile eines Gesamtsystems abzubilden. Das gilt vor allem für das Vokabular, das dazu dient, alle Systemakteure mit einer Sprache zu versehen. Wie die Welten im Sozialen oder im Wissenschaftlichen sprachliche Welten sind, so gibt es eine solche selbstverständlich auch für die Berufsbildung.

Folgenabschätzung

Eine Folgenabschätzung für das Paket aus ESCO und Europass ist also in doppelter Hinsicht zu führen. Denn es handelt sich um eine Art von Geschwisterpaar, wobei das eine den Motorblock bildet, das andere das Autofahren selbst.

Wie bei der Debatte rund um die digitale Transformation ließen sich schon von Beginn an bei ESCO und EUROPASS die Lager von Dystopikern und Euphorikern unterscheiden. Die einen würden aufschreien und den Untergang des Status Quo beschreien. Die anderen würden davon sprechen, dass endlich auch die technologischen Potentiale der Informationsgesellschaft konsequent genutzt werden können, dem deutschen Berufsbildungssystem endlich digital auf die Sprünge zu helfen.

Man muss sich wohl nicht sofort zu einer Beurteilung hinreißen lassen und zunächst analysieren, was überhaupt geschieht. Das ist ein Problem, da eben nur ein kleiner Akteurszirkel eingeweiht ist, der zudem mit dem Entwicklungsgedanken der EU-Kommission solidarisch verflochten ist. Eine strukturierte Meinungsbildung ist daher erforderlich, die noch im Falle des Europäischen bzw. Deutschen Qualifikationsrahmens über Jahre in aller Breite und Tiefe geführt wurde und sich bewährt hat, um eine Akzeptanz unter den Akteuren zu schaffen. Die Steuerung übernahmen in dieser Periode die etablierten öffentlichen Akteure, allen voran Bund und Länder. Das wird noch nicht angegangen.

ESCO könnte eine profunde Auswirkung auf den Kernbestand der deutschen Berufsbildung ausüben, nämlich die Grundkonzeption des Berufs selbst sowie seine Grundbestandteile: je größer die internationale und innereuropäische Dimension vor allem auf dem Arbeitsmarkt wird, desto mehr werden das Vokabular und der konzeptionelle Rahmen eine grenzübergreifende Auswirkung ausüben. Zwar sind die KldB und ESCO über die gemeinsame Klammer ISCO verbunden, können aber in den jeweils beschriebenen typischen Beschäftigungsprofilen divergieren. Konkret: Deutsche Berufe können in ESCO abgebildet werden, müssen aber nicht. Und somit stellt sich in aus deutscher Perspektive die Frage, welche Folgen ESCO für das Modell der dualen Berufsausbildung hat. Es stellt sich auch die Frage nach der systemischen Kompatibilität der deutschen Berufsbildung (in ihrer autonomen Steuerung / governance und in ihrem zentralen Gestaltungskonzept, dem Beruf) mit ESCO. Dafür bedarf es einer weiteren vertieften Analyse.

Dass ESCO auch die Frage nach den digitalen Grundstrukturen in der Berufsbildung stellt, ist eine Provokation, die von den politischen Akteuren aufgegriffen werden sollte. Denn der digitale Diskurs in Deutschland beläuft sich bei den zumindest öffentlichen Akteuren und Repräsentanten bislang im Wesentlichen auf Ausstattung und Angebotsformate. Das dürfte zu wenig sein, wenn man an das Bild des Autos denkt: denn die Antriebskraft und die Reichweite sind wichtiger als die Karosserie und die Sitze.

Der EUROPASS ist so etwas wie ein Zukunftsmodell an Infrastruktur aus der Nutzerperspektive, das jedoch gewährleistet, sich der Grundfunktionalitäten des WWW zu bedienen. Die deutsche Diskussion jedoch ist zumeist gekennzeichnet von der weitgehenden Ablehnung über große Entwürfe (wie MILLA) und dem immanenten Konsens eines systemkonformen Übergangs in das digitale Zeitalter. Dabei ist zwischen dem hoheitlichen, gesetzlich geregelten, vom Prinzip der Ganzheitlichkeit getragenen Berufsbildungssystem und dem Komplex an Teilmärkten in der Weiterbildung (Erwerbslosenqualifizierung, innerbetriebliche Weiterbildung, wissenschaftliche Weiterbildung, freier Weiterbildung und Erwachsenenbildung) zu unterscheiden. Denn die segmentierten Teilmärkte in der Weiterbildung machen es umso schwerer, grundlegenden digitalen Technologien zur Durchsetzung zu verhelfen. Gerade die Aufnahmefähigkeit und Adaptabilität in den Teilmärkten ist jeweils neu zu sichten und zu klären.

In anderen Bereichen des Wirtschaftens und der staatlichen Daseinsfürsorge werben wir derzeit um Fragestellungen wie eKarten (wie Gesundheit) oder Kundensteuerung von Produkten (wie KfZ-Individualverkehr). Die Berufsbildung darf den Zeitpunkt nicht verpassen bzw. muss das Momentum nutzen, bevor der Entwicklermarkt Lösungen bereitstellt, die auch Funktionalitäten einer öffentlichen Infrastruktur übernehmen könnten.

Unsere Nachbarländer sind hierbei in einer ähnlichen Situation. Um ein Beispiel herauszugreifen, bietet sich Frankreich dieser Tage an. Denn dort wurde von der Administration Macrons und Philippes die Berufsbildung einer substanziellen Reform unterzogen. Gerade in der Weiterbildung zeigt sich, dass digitale Infrastrukturen zentral konzipiert und eingerichtet werden können: seit dem 01.01.2020 können alle Erwerbstätigen in Frankreich ihre Weiterbildungen über das smartphone buchen – und nicht mehr analog! Diese Funktion setzt auf eine digitale Infrastruktur auf, die den compte de formation integriert. Nach den Gesetzen von 2014 und 2018 kann jeder Erwerbstätige 500 € jährlich für eine Weiterbildung nutzen, aber auch über 10 Jahre auf 5.000 € ansparen (s.a. https://www.moncompteformation.gouv.fr/espace-prive/html). Die Einführung wird zeigen, ob unser Nachbarland dadurch seine Weiterbildung verbessern und erhöhen kann. Doch ist die digitale Grundfunktion ein Vorbild, das alleine für sich schon einen Werbeeffekt für die Weiterbildung schafft.

Der Auftrag

Wünschenswert und zunehmend erforderlich ist daher eine stärkere Auseinandersetzung mit ESCO und EUROPASS. Denn die neu geschaffene digitale Infrastruktur hat das Potential, eine große Wirkung zu erzielen und zu einem wichtigen Steuerungsinstrument auch für individuelle Bildungsentscheidungen und die Konzeption von Qualifizierungspaketen zu werden.

Knut Diekmann, hat die EU den Schlüssel für die Beschäftigungsprofile der Zukunft?, in: Beruf, Beruflichkeit, Employability, hrsg. von Seifried u.a., Bielefeld 2019

ESCO-Website: https://ec.europa.eu/esco/portal/home

Europass-Website: https://ec.europa.eu/futurium/en/europass

ESCO handbook, hrsg. von EU, 2019

https://ec.europa.eu/esco/portal/document/en/0a89839c-098d-4e34-846c-54cbd5684d24

ESCO booklet, hrsg. von EU, 2013

https://ec.europa.eu/esco/resources//escopedia/20191218_172554/ccf94259-0052-4fd1-af5c-764cf8153c8aESCO_Booklet_%28PDF%29.pdf

Wissenschaftliche Unterstützung bei der Erarbeitung einer Folgenabschätzung zur Einführung und Nutzung von ESCO, Auftraggeber: DIHK – Deutscher Industrie‐ und Handelskammertag e.V., Berlin 2019

Autor

  • Dr. Knut Diekmann

    Dr. Knut Diekmann, Jahrgang 1964, absolvierte ein Studium der Geschichte, Politikwissenschaft und Geographie in Freiburg, Wien und Berlin. Nach längeren Forschungsaufenthalten in Cardiff 1990-93 und Lille 1993-95 erfolgte die Promotion zum Dr. rer. soc. an der Universität in Tübingen. Zwischen 1995 und 2000 sammelte er berufliche Erfahrungen in der PR-Arbeit und in der technischen Assistenz für Regionalpolitik der EU in Brüssel. Heute arbeitet Knut Diekmann als Referatsleiter für Grundsatzfragen in Sachen Weiterbildung beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag in Berlin. Er veröffentlichte zu verschiedenen Themen, darunter: Nationalismus in Wales, Interessengruppen in der EU und der beruflichen Weiterbildung.

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