Dr. Daniela Ahrens (Senior Researcher, Universität Bremen, Institut Technik und Bildung)

Die sozialökologische Transformation realisiert sich zu einem wesentlichen Teil in der Arbeit, in den konkreten Arbeitsprozessen und der beruflichen Organisation von Arbeit. Auf ordnungspolitischer Ebene dem Zusammenhang zwischen Berufsprinzip und Nachhaltigkeit mit der Überarbeitung der Standardberufsbildposition „Umweltschutz“ zugunsten „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ 2020 neuer Nachdruck verliehen worden. Dabei geht es nicht nur um das Berücksichtigen und Abwägen der drei Dimensionen von Nachhaltigkeit (ökonomisch, ökologisch und sozial) in Wertschöpfungsketten, Produkten oder Materialien. Hervorgehoben wird auch das proaktive Handeln – etwa durch das Entwickeln von Vorschlägen für nachhaltiges Handeln, der Reflexion von Vor- und Nachteilen sowie Optimierungsansätzen und Handlungsalternativen (BIBB 2021). Auf der Dokumentenebene der Ordnungsmittel lassen sich somit deutliche Verankerungstrends für Nachhaltigkeit und BBNE beobachten, allerdings mangelt es noch an Konkretisierungen in der beruflichen Praxis und der Frage, wie Nachhaltigkeit in betrieblichen Organisationen verhandelt, geformt und mit Bedeutung versehen wird (Holst 2022).

Seit Anfang der 2000er Jahre wurden durch das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) Modellversuche im Kontext Berufliche Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BBNE) durchgeführt. Die Modellversuche haben zweierlei gezeigt: Erstens sind bei der Umsetzung einer nachhaltigkeitsorientierten Ausbildung Resonanzräume zwischen der betrieblichen Ausbildungswirklichkeit und der Führungsebene notwendig (Kastrup et al. 2022, 183), zweitens stellte in den „geschützten Räumen“ der Modellversuche ein wirklicher Transfer im Sinne von „vom Projekt zur Struktur“ zum Teil eine Überforderung dar (Melzig 2023, 37). In Reaktion auf die Komplexität der Umsetzung von Nachhaltigkeit in der beruflichen Arbeit und der Notwendigkeit der Verzahnung von Lernprozessen und Arbeitswelt initiierte das BMBF 2023 das aktuelle Förderprogramm „Nachhaltig im Beruf – zukunftsorientiert ausbilden“ (NIB)[1]. Die fachliche Betreuung des Programms erfolgt durch das BIBB. Das Programm adressiert in erster Linie das betriebliche Ausbildungspersonal und ist aufbauend auf den Modellversuchen auf Transfer und Umsetzung ausgerichtet.

Gemeinsam mit dem Hamburger Logistikunternehmen C. Steinweg (Süd-West Terminal) GmbH & Co. KG und der Hamburger Bildungseinrichtung ma-co (maritimes competenzcentrum GmbH) startete das Institut Technik und Bildung (Universität Bremen) in dieser Förderlinie im Sommer 2024 das zweijährige Projektvorhaben „Nachhaltigkeit in der Logistik am Beispiel der Gestaltung und Organisation von Lieferketten und E-Mobilität“ (NaLoGO; www.bibb.de/de/168210.php; FKZ: 66NIB11001). Aktuell taucht die Logistik eher als Problemverursacher und nicht als Problemlöser auf, wenn es um Fragen der Nachhaltigkeit geht. Steigende Rohstoffpreise, CO₂-Steuer, zunehmende Anforderungen der Kund:innen an ihre Lieferketten und Erwartungen von Nachwuchskräften sind aber nur einige Aspekte, warum sich Nachhaltigkeitsfragen auch bei Logistikunternehmen aufdrängen. Studien der Bundesvereinigung für Logistik unterstreichen, dass Nachhaltigkeit von strategischer Bedeutung für die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen ist. Gleichzeitig offenbaren sich Widersprüche zwischen nachhaltigen Praktiken und Ansprüchen einerseits sowie betrieblichen Effizienznotwendigkeiten andererseits, beispielsweise wenn Kunden gleichermaßen niedrige Preise und nachhaltige Transportwege erwarten. Nachhaltiges berufliches Handeln bedeutet daher auch, sich mit den Spannungen zwischen betrieblicher Effizienzrationalität und Nachhaltigkeitsrationalität auseinanderzusetzen. Zwei Schwerpunkte leiten die Entwicklung und Umsetzung nachhaltigkeitsorientierter Kompetenzentwicklung im Verbundprojekt NaLoGO:

  1. Sichtbarmachen der Widersprüche und Spannungsfelder zwischen den drei Nachhaltigkeitsdimensionen und betrieblicher Handlungslogik, um Bewältigungsstrategien und praxisnahe Lern- und Beratungsmodule ableiten zu können,
  2. Ausgehend von einer doppelten Transformation – Nachhaltigkeit und Digitalisierung – liegt der Fokus bei der Umsetzung auf der Frage, wie Digitalisierung als Enabler für Nachhaltigkeitsstrategien auf Unternehmensebene und auf der Beschäftigtenebene für die Kompetenzentwicklung genutzt werden kann.

NaLoGo begreift Nachhaltigkeit nicht als abstraktes moralisches Ideal, sondern orientiert sich an den konkreten Arbeitsprozessen. Um zukünftige Fachkräfte für die Herausforderungen der sozialökologischen Transformation zu befähigen, gilt es, die nachhaltigkeitsbezogene Kompetenzentwicklung des ausbildenden Personals zu fördern. Übergeordnete Ziele des Verbundvorhabens sind:

  • das Nachhaltigkeitsbewusstsein von betrieblichen Ausbilder:nnen zu stärken,
  • das erforderliche Wissen, wie Nachhaltigkeit in beruflichen Handlungsfeldern in der Logistik umgesetzt werden kann, zu vermitteln,
  • das betriebliche Bildungspersonal dazu zu sensibilisieren, zu aktivieren und zu befähigen, das Leben und Arbeiten unter Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit mit- und ausgestalten zu können,
  • Wege aufzuzeigen, um Nachhaltigkeit mit berufsfachlichem Handeln zu verknüpfen und in betrieblichen Arbeits- und Lernprojekten für die ausbildenden Fachkräfte erfahrbar zu machen.

Dies wird beispielhaft im Tätigkeitsfeld der Verladung und des Hafenumschlags umgesetzt. Schwerpunkte sind hier die Verbesserung transportinduzierter CO2-Emissionen, effizientere Be- und Entladungsprozesse, das nachhaltigkeitsorientierte Transport-, Lager- und Verpackungsmanagement sowie die Optimierung der Kapazitätsauslastung[2].

 

[1] www.bibb.de/de/161509.php

[2] Weitere Informationen zum Projekt: https://www.itb.uni-bremen.de/ccm/projects/projekte/nalogo.de

BIBB (2021). Vier sind die Zukunft. Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Recht, Sicherheit. Die modernisierten Standardberufsbildpositionen anerkannter Ausbildungsberufe. Bonn

Holst, J. (2022). Nachhaltigkeit & BNE in der Beruflichen Bildung: Dynamik in Ordnungsmitteln, Potentiale bei Berufen, Lernorten und in der Qualifizierung von Ausbildenden. Kurzbericht des Nationalen Monitorings zu Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE). Institut Futur, Freie Universität Berlin. http://doi.org/10.17169/refubium-35827

Kastrup, J. et al. (2022). Aus- und Weiterbildung des betrieblichen Bildungspersonals zur Verankerung einer Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. In Michaelis, C. &Berding, F. (Hrsg.). Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung: Umsetzungsbarrieren und interdisziplinäre Forschungsfragen (173-191). Bielefeld.

Melzig, C. (2023). Transferprojekte aus Perspektive des BIBB –Eine Einordnung des Förderprogramms „BBNE Transfer 2020–2022“. In Müller, C., Pranger, J. & Reißland, J. (Hrsg.) Nachhaltigkeitsorientierte Weiterbildungsdidaktik. Die doppelte Multiplikatorenqualifizierung (31-49), Bielefeld

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