Dr. Alexandra Krause (Referentin für Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik, Arbeitnehmerkammer Bremen) und Dagmar Ertl (Referentin für Arbeitsmarktpolitik, Arbeitskammer des Saarlandes)
Worum es geht?
Der ökologische und digitale Umbau der Wirtschaft steht und fällt mit der gelingenden Kompetenzanpassung der Beschäftigten. Er findet inmitten multipler Krisen und zunehmenden Arbeitsplatzverlusten vor allem in der Industrie statt. Die Arbeitsmarkt- und Weiterbildungsakteure stehen also vor der Herausforderung, die Förderinstrumente, das Weiterbildungsangebot und die ergänzende Unterstützung so weiterzuentwickeln, dass alle die Chance auf sichere und stabile Beschäftigungsverhältnisse und notwendige Weiterbildungsförderungen erhalten.[1] Besonders diejenigen, die ihren Arbeitsplatz, ihre Branche oder ihren Beruf wechseln müssen, brauchen spezielle Unterstützungsangebote. [2]
Die Arbeitskammern in Bremen und im Saarland haben den Auftrag, die Interessen der Arbeitnehmer:innen zu vertreten und die Landespolitik zu beraten. Sie sind auch in der beruflichen Weiterbildung aktiv und haben einen branchen- und berufsübergreifenden Blick auf die regionale Transformation.
Beschäftigungsstarke Branchen wie aktuell die Automobil-(Zuliefer-)Industrie mit starken Tarifverträgen werden in der Transformation Personal abbauen. Den Beschäftigten drohen spürbare Einkommensverluste. Starke Sozialpartnerschaften eröffnen ihnen aber auch Handlungsspielräume für die Neuorientierung – zum Beispiel im Rahmen von Transfergesellschaften. Auch im Dienstleistungssektor ist mit weiteren Arbeitsplatzverlusten zu rechnen. Die Digitalisierung trifft beispielsweise im Einzelhandel auf ohnehin schon schwierige Beschäftigungsbedingungen.[3] Aufgrund der Beschäftigungsstruktur, die stark von Teilzeit- und Minijobs geprägt ist, sind in dieser Branche immer weniger existenzsichernde Vollzeitstellen zu finden. Viele Beschäftigte sind deshalb gezwungen, sich beruflich umzuorientieren, können aber in der Regel selten auf Instrumente von Transfergesellschaften zurückgreifen, weil viele Betriebe weder mitbestimmt noch tarifgebunden sind. Außerdem haben sie kaum Zugang zu Weiterbildungsangeboten.
Strategien zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit sind also dringend erforderlich. Hier setzen regionale Arbeitsmarkt-Drehscheiben an, deren primäres Ziel es ist, nahtlose Übergänge von Beschäftigten zu einem neuen Arbeitgeber zu organisieren. Sowohl für die Arbeitslosenversicherung als auch für die Bindung von Arbeits- und Fachkräften in der Region, ist diese Perspektive sicherlich unentbehrlich. Die eigene Perspektive der Beschäftigten auf ihre Kompetenzen, Fähigkeiten und Entwicklungsperspektiven und damit auf ihre eigene berufliche Zukunft bleibt dabei eher außen vor.
Unser Beitrag beleuchtet am Beispiel des Saarlandes und Bremens die Entwicklung transformationsbedingter Arbeitsplatzwechsel, den Mehrwert regionaler Arbeitsmarkt-Drehscheiben mit den dafür vorgesehenen Job-to-Job-Qualifizierungen und benennt Leerstellen, für die in den beiden Regionen bereits Ansätze entwickelt und erprobt worden sind.
Zur Rolle von Arbeitsplatzwechseln in der Transformation
Der erfolgreiche umfassende Umbau der Wirtschaft kann nur gelingen, wenn die Beschäftigten über die dafür nötigen Qualifikationen verfügen. Dabei geht es nicht nur um die Vermittlung notwendiger Kenntnisse und Fertigkeiten. Wichtig ist, dass die von der Transformation Betroffenen den Wandel akzeptieren und motiviert sind, neue Aufgaben zu übernehmen, zu lernen und die Veränderungen mitzugestalten. Gelingt dies nicht, können Ängste vor der Zukunft, Vorbehalte gegen den Wandel bis hin zur Unterstützung von Klimaleugner:innen die Folge sein.[4]
Gut bezahlte Arbeitsplätze in der Industrie gehen verloren
Die durch die Digitalisierung und das Greening der Berufe erforderliche Kompetenzanpassung wird sich nach aktuellem Erkenntnisstand überwiegend innerhalb bestehender Berufsbilder vollziehen. [5] In bestimmten Branchen und Berufen wird sie für viele Beschäftigte aber mit einem Arbeitsplatzwechsel verbunden sein. In der Transformation gehen vor allem gut bezahlte Arbeitsplätze in der Industrie verloren, während der Personalaufbau etwa in der (Wind-)Energie- und IKT-Branche auf Fachkräftemangel trifft. Selbst wenn es gelingt, Beschäftigte für andere Branchen weiterzubilden, muss der zeitliche Abstand zwischen Stellenabbau und -aufbau arbeitsmarktpolitisch gestaltet werden. Zudem erleben selbst gut ausgebildete Fachkräfte, die im Zuge der Transformation die Branche wechseln müssen und die auf dem regionalen Arbeitsmarkt nachgefragt sind, dass ihre Kompetenzen den neuen Anforderungen nicht mehr genügen.
Im Saarland, wo die Automobil- und Zulieferindustrie sowie die Stahlindustrie eine bedeutende Rolle spielen, sind rund 22.000 Menschen in der KfZ-Industrie und 8.500 direkt in der Stahlindustrie beschäftigt sowie viele weitere Arbeitsplätze davon abhängig.[6] Diese Branchen stehen in der Transformation vor einem enormen Veränderungsdruck. Aktuell droht besonders in der Automobil-(Zuliefer-)Industrie ein hoher Arbeitsplatzabbau. Dies erfordert von den Beschäftigten eine hohe Bereitschaft zur Weiterbildung und Anpassung an neue Arbeitsprozesse. Bremen ist auch ein wichtiger Standort der Stahlproduktion und Arcelor Mittal mit rund 4.000 Arbeitsplätzen ein bedeutender Arbeitgeber. Durch den Mercedes-Standort mit seinen rund 11.500 Beschäftigten spielt die Automobil-(Zuliefer-)Industrie auch für den Arbeitsmarkt in Bremen eine wichtige Rolle. Die von der Digitalisierung betroffene Logistik, die Unternehmensführung und -organisation sowie der Einzelhandel sind ebenfalls beschäftigungsstark.
Drohende Fachkräftelücke durch den demografischen Wandel
Gleichzeitig erhöht der demografische Wandel den Veränderungsdruck in beiden Bundesländern. In den nächsten 15 Jahren werden in beiden Regionen viele gut ausgebildete Fachkräfte in den Ruhestand gehen, was zu einem erheblichen Fachkräftebedarf führen wird. Der Druck auf die bestehenden Arbeitskräfte steigt, sich kontinuierlich weiterzubilden und flexibel auf neue Anforderungen zu reagieren.
Bundesweit erleben 40 Prozent der Beschäftigten durch die digitale Transformation eine wachsende Arbeitsbelastung.[7] Besonders betroffen sind das Gesundheitswesen, einschließlich der Pflege, sowie Erzieher:innen und Lehrkräften an Schulen. Fehlendes Personal verschärft die Situation und erhöht das Risiko von Berufswechseln. Wenn es auch in diesen Berufsgruppen zu mehr Berufswechseln kommt, könnten die Folgen für die öffentliche Versorgung dramatisch sein.[8]
Wir ziehen folgende Schlüsse aus dieser Entwicklung:
- Wir können derzeit noch nicht genau abschätzen, wie viele Arbeitsplatzwechsel mit oder ohne Job-to-Job-Qualifizierungen und wie viele berufliche Umstiege in den kommenden Jahren tatsächlich stattfinden werden.
- Die Zahl der Beschäftigten, die im Laufe des Transformationsprozesses mit diesem Szenario konfrontiert sein werden, ist jedoch erheblich.
- Die Frage, welche Lohneinbußen durch einen Arbeitsplatzverlust drohen und welche Weiterbildungsrenditen ein beruflicher Neuanfang noch bringen könnte, betrifft nicht nur Einzelfälle, sondern viele Beschäftigte und deren Familien.
- Beschäftigte brauchen verlässliche Beratungsstrukturen, die sie frühzeitig in der Entscheidungsfindung über ihre berufliche Zukunft begleiten, sowie Coaching-Angebote, die sie beim Arbeitsplatzwechsel unterstützen. Dabei sollte der Kontext ihrer persönlichen Lebenslage berücksichtigt werden.
Arbeitsmarkt-Drehscheiben: Welche Rolle spielen die Interessen der Beschäftigten?
Das Bundesarbeitsministerium hat in den letzten beiden Jahren im Dialog mit den Sozialpartnern ausgelotet, wie die Arbeitsplatzwechsel und dafür erforderlichen Kompetenzanpassungen von Beschäftigten in der Transformation am besten unterstützt werden können. Mit dem Transferkurzarbeitergeld, der Förderung der beruflichen Weiterbildung im Rahmen von Transfergesellschaften und der vorherigen Inanspruchnahme einer Transferberatung (§§ 110, 111 und 111a SGB III) stehen der Unternehmensseite bereits Förderinstrumente zur Verfügung.
Das Weiterbildungsgesetz mit den Verbesserungen zur Förderung der Weiterbildung und dem Qualifizierungsgeld ist im April 2024 in Kraft getreten. Der Sozialpartnerdialog ist daher zu dem Schluss gekommen, dass die Förderkulisse derzeit nicht erweitert werden muss. Die bundesweite Nutzung der bislang in einzelnen Regionen erprobten Arbeitsmarkt-Drehscheiben kann den Transformationsprozess wirksam unterstützen. Koordiniert von den Arbeitsagenturen sollen direkte Arbeitsplatzwechsel, ggfs. unterstützt durch Job-to-Job Qualifizierungen, stärker gefördert werden. Dabei sollen unausgeschöpfte Potenziale sowohl des Arbeitgeberservices als auch der Berufsberatung im Erwerbsleben gehoben werden.[9] Arbeitsmarkt-Drehscheiben sind laut DGB auch ohne Beteiligung der BA denkbar, wie etwa die durch die ver.di-Betriebsgruppe initiierte Übernahme von Karstadt-Beschäftigten durch die DRV Bund zeigt.[10]
Die regionalen Arbeitsmarkt-Drehscheiben sollen so funktionieren, dass interessierte Unternehmen von der Arbeitsagentur und unter Beteiligung der Sozialpartner branchenübergreifend vernetzt werden. Unternehmen, die Personal abbauen, können bei ihren Beschäftigten für die Teilnahme an der Drehscheibe werben und ihre Bewerbungsprofile anonymisiert auf eine gemeinsame Plattform hochladen. Unternehmen, die Personal suchen, können interessierte Beschäftigte zu gemeinsamen Jobbörsen einladen.
Sofern Kompetenzanpassungen erforderlich sind, können die aufnehmenden Unternehmen die Beschäftigtenqualifizierung (§§ 81 und 82 SGB III) dafür nutzen. Im Rahmen des in dieser Legislatur nicht mehr verabschiedeten SGB III-Modernisierungsgesetzes war außerdem geplant, die Probearbeit von Beschäftigten in interessierten Betrieben zu erleichtern. Die Arbeitsagentur kann das Format der Drehscheibe zudem nutzen, um ihre Förderleistungen noch besser bekannt zu machen und ihre Beratungsangebote für Unternehmen und Beschäftigte früher als bisher unterstützend einzusetzen. [11]
In den letzten Monaten ist die Arbeitslosigkeit aufgrund der Energie- und Wirtschaftskrise gestiegen. Unternehmen investieren weniger, was die Innovationsfähigkeit ganzer Branchen in der Transformation gefährdet. Im Ergebnis sieht u. a. Enzo Weber eine drohende Zweiteilung des Arbeitsmarktes: während in Industrie, Bau, Handwerk und Zeitarbeit Personal abgebaut wird, steigt der Fachkräftebedarf in den Bereichen Gesundheit, Pflege, Erziehung und im Verkehrswesen.[12] Können Arbeitsmarkt-Drehscheiben in dieser Situation hilfreich sein, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden?
Die möglichen Interessenkonflikte der an den Arbeitsmarkt-Drehscheiben beteiligten Akteure liegen auf der Hand und werden vom DGB klar benannt[13]:
- Das Ziel der Vermeidung von Arbeitslosigkeit wird priorisiert und die Förderung von Kompetenzanpassungen als Mittel dafür eng an den Bedarfen der aufnehmenden Unternehmen ausgerichtet. Die Arbeitgeberperspektive dominiert bisher die Überlegungen zur Umsetzung von Job-to-Job-Qualifzierungen. Die beteiligten Unternehmen haben kein Interesse daran, Beschäftigte über Alternativen zur Arbeitsmarktdrehscheibe zu informieren. Der DGB fordert daher, die frühzeitige und neutrale Beratung der Beschäftigten durch die Berufsberatung im Erwerbsleben der Arbeitsagentur im Rahmen der Drehscheiben immer anzubieten. Aufgrund der komplexen Entscheidungen, vor denen Beschäftigte und ihre Familien stehen, sollte dabei die verbindliche Kooperation mit allen anderen vor Ort verfügbaren Beratungsangeboten erfolgen. Als Beispiel nennt der DGB die Weiterbildungsmentor:innen.
- Für abgebende Unternehmen besteht der Mehrwert der Arbeitsmarktdrehscheibe darin, dass sie im Idealfall möglichst vielen der betroffenen Beschäftigten einen direkten Arbeitsplatzwechsel in der Region vermitteln können. Das kann die betrieblichen Kosten des Personalabbaus senken und die Situation im Betrieb entschärfen. Allerdings besteht das Risiko, dass nicht alle Möglichkeiten zur Beschäftigungssicherung ausgeschöpft sowie zeit- und kostenaufwändige Sozialpläne und Transfergesellschaften umgangen werden. Betriebsräte müssen daher rechtzeitig über das Vorhaben informiert werden und prüfen können, ob andere Wege für ihre Belegschaft bessere Alternativen bieten.
- Bisherige Erfahrungen mit regionalen Arbeitsmarkt-Drehscheiben legen den Eindruck nahe, dass reine Anpassungsqualifizierungen den Gebrauch von Job-to-Job-Qualifizierungen dominieren. Für die Beschäftigten ist zentral, dass sie sich nach dem Wechsel über weitere Qualifizierungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten im aufnehmenden Unternehmen informieren können. Gerade Beschäftigte ohne verwertbaren Berufsabschluss können sich in der Transformation am besten durch das Nachholen des Abschlusses vor Arbeitslosigkeit schützen. Regionale Arbeitsmarkt-Drehscheiben sollten diese Aufgabe verbindlich bei den aufnehmenden Unternehmen verankern.
Wir halten schließlich auch den Hinweis des DGB für zentral, dass Arbeitsmarkt-Drehscheiben nur dann einen nennenswerten Mehrwert gegenüber dem Status Quo entfalten können, wenn die beteiligten Akteure auf Augenhöhe zusammenarbeiten und die Arbeitsmarktdrehscheibe den regionalen Gegebenheiten entsprechend gemeinsam ausgestalten.
Job-to-Job-Qualifizierungen: regionale Ansätze zur Stärkung der Beschäftigtenperspektive
Den Arbeitnehmer:innen ist die zentrale Bedeutung von Weiterbildung in der Transformation sehr bewusst. Sie wünschen sich aber zuverlässigere Informationen darüber, welche Kompetenzen sie in Zukunft wahrscheinlich brauchen, welche der vielen Weiterbildungsangebote für sie am besten geeignet und welche Förderung möglich ist.[14]
Im Falle eines Arbeitsplatzwechsels benötigen sie unabhängig davon, ob lediglich eine Anpassungsqualifizierung oder eine abschlussbezogene Weiterbildung erforderlich ist, zusätzliche Unterstützung. Transfergesellschaften und Arbeitsmarkt-Drehscheiben können wichtige Bausteine dieser Unterstützung sein. Allerdings haben längst nicht alle der von Arbeitsplatzwechseln betroffenen Beschäftigten Zugang dazu. Beschäftigte in Branchen mit schwacher Tarifbindung, in Betrieben mit geringer Weiterbildungsaktivität oder auch in un- und angelernten Tätigkeiten und mit geringer eigener Weiterbildungserfahrung sind im Nachteil.
Zusätzliche regionale Angebote sind notwendig, um Beschäftigte dabei zu unterstützen, nachhaltige Zukunftsperspektiven zu finden, ihr bisheriges Qualifikationsniveau zu erhalten oder auszubauen und damit ihr Einkommensniveau zu sichern. Wir blicken deshalb auf regionale Initiativen im Saarland und in Bremen: den Weiterbildungsverbund Saarland (WBV), die Gesellschaft für Transformationsmanagement Saar (GeTS) und den Vorschlag von Transitionsgesellschaften, der in Bremen bereits im Koalitionsvertrag verankert wurde.
Weiterbildungsverbund Saarland: Vernetzung, Transparenz und Beratung für eine starke Weiterbildungslandschaft
Der Weiterbildungsverbund Saarland (WBV) ist ein breites Netzwerk, das bei der Arbeitskammer des Saarlandes angesiedelt ist. Der WBV hat das Ziel, die Weiterbildungsbeteiligung zu erhöhen und die Vernetzung und Kooperation der Weiterbildungsakteure zu stärken. Es ist gelungen derzeit 80 Partner, darunter Unternehmen, Kammern und Akteure der Weiterbildungslandschaft zu vernetzen. Ein wichtiger Netzwerkpartner ist die Arbeitsagentur. Sie hat etwa bei der gemeinsamen Organisation von Job- und Weiterbildungsmessen die Reichweite enorm erhöht. Mit der Durchführung von zahlreichen Veranstaltungen konnte die Transparenz über die vielfältigen Weiterbildungsangebote und Fördermöglichkeiten verbessert werden. Der WBV ist zudem Ansprechpartner für Betriebs- und Personalräte und bietet die Ausbildung von betrieblichen Transformations-Mentor:innen an. Zu den konkreten Maßnahmen des WBV gehört auch die Ermittlung branchenübergreifender Weiterbildungsbedarfe insbesondere bei KMU. Der WBV unterstützt damit sowohl Arbeitnehmer:innen und Beschäftigtenvertretungen als auch Unternehmen bei der Suche nach passenden Weiterbildungsmaßnahmen, bietet Beratung zu Fördermöglichkeiten und arbeitet eng mit der Berufsberatung im Erwerbsleben der Arbeitsagentur zusammen.
GeTS: Unterstützung für Transformationsmanagement und Fachkräftesicherung im Saarland
Die Gesellschaft für Transformationsmanagement Saar (GeTS) wurde im November 2021 vom saarländischen Wirtschaftsministerium, heute das Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Gesundheit (MASFG), gegründet. Ihr Ziel ist es, den Übergang von Arbeitskräften in zukunftssichere Arbeitsplätze zu beschleunigen und Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Die GeTS bietet Unternehmen und Beschäftigten im Transformationsprozess eine Vielzahl von Maßnahmen an, darunter Beratung und Unterstützung in wesentlichen Belangen des Beschäftigtentransfers und der beruflichen Qualifizierung, etwa bei der AZAV-Zertifizierung von neuen Qualifizierungsmaßnahmen. Sie ist Mitglied im WBV und bringt konkrete Fragen von Betrieben dort ein. Eine ihrer Kernaufgaben ist die Vernetzung regionaler Wirtschafts- und Arbeitsmarktakteure, um Zusammenarbeit und Austausch zu fördern.
Die GeTS unterstützt Fachkräftesicherungs- und -gewinnungsprozesse, indem sie Unternehmen bei den Herausforderungen der Transformation und der Deckung ihres Personalbedarfs unterstützt. Die Aktivitäten der Bundesagentur für Arbeit werden auf regionaler Ebene klar getrennt und zielgerichtet flankiert. Die Handlungsoptionen umfassen:
- Beschäftigtentransfer: Beratung und Unterstützung von Unternehmen und Beschäftigtenvertretungen in allen wesentlichen Angelegenheiten des Beschäftigtentransfers.
- Fachkräftetransfer: Prozessgestaltung und -beschleunigung bezüglich der erfolgreichen Kontaktherstellung zwischen Fachkräften, die von Arbeitslosigkeit bedroht sind, und Unternehmen mit Arbeitskräftebedarf.
- Branchenspezifische Fachkräftegewinnungsprojekte: Entwicklung und Umsetzung spezifischer Konzepte in verschiedenen Bereichen. wie der Kinder- und Jugendhilfe, dem Handwerk, dem ÖPNV, dem Hotel- und Gastgewerbe sowie dem Einzelhandel.
- Qualifizierung: Mitarbeit in Weiterbildungsverbund Saarland, um Transparenz über Qualifizierungsmaßnahmen zu schaffen und neue Konzepte zu erarbeiten.
Durch umfassende Unterstützung und Beratung trägt die GeTS dazu bei, den Strukturwandel im Saarland zu gestalten und die Vermittlung von Arbeitskräften in neue Arbeitsplätze zu erleichtern.
Der Weiterbildungsverbund (WBV) ist im Saarland durch seine Breite mittlerweile ein zentraler Akteur in der Weiterbildungslandschaft. Dies zeigt sich an der überdurchschnittlich hohen Beteiligung am Instrument der Beschäftigungsqualifizierung im Vergleich zum Bundesdurchschnitt. Die Arbeit der Gesellschaft für Transformationsmanagement Saar (GeTS) gestaltet sich hingegen schwieriger, insbesondere aufgrund des umfassenden Arbeitsplatzabbaus im Saarland. Die bisherigen Ergebnisse sind im Vergleich zu den Anforderungen noch begrenzt. Trotzdem erreicht die GeTS durch ihre enge Vernetzung mit kommunalen Wirtschaftsförderungen Unternehmen, die bisher von der Bundesagentur für Arbeit nicht erreicht wurden. Für die Arbeit der GeTS ist die intensive Zusammenarbeit mit den Arbeitsmarktakteuren und die Einbindung in die konzeptionelle Arbeitsmarktpolitik des Landes von großer Bedeutung.
Modell einer Transitionsgesellschaft – den gesamten Prozess beruflicher Übergänge begleiten
In Bremen hat die Arbeitnehmerkammer vorgeschlagen, eine Transitionsgesellschaft einzurichten. Sie soll eine verlässliche Anlaufstelle für Beschäftigte sein, die sich um ihre berufliche Zukunft sorgen. Zunächst könnte die Transitionsgesellschaft für Beschäftigte im Einzelhandel pilotiert werden, da hier kontinuierlich Vollzeitstellen abgebaut werden, es wenig betriebliche Weiterbildungsmöglichkeiten gibt und vorwiegend Frauen betroffen sind. [15] Die Transitionsgesellschaft fungiert als Schnittstelle zwischen Ratsuchenden, Betrieben, der Agentur für Arbeit und Weiterbildungsträgern. Zwar können sich Beschäftigte jederzeit bei der Agentur für Arbeit über ihre beruflichen Perspektiven beraten lassen, aber die Berufsberatung im Erwerbsleben kann derzeit eine umfangreiche und ergebnisoffene Beratung und Begleitung nicht leisten. Hier schließt die Transitionsgesellschaft eine wichtige Lücke (vgl. Abbildung 1).
Die Transitionsgesellschaft arbeitet präventiv: Beschäftigte etwa des Einzelhandels können sich frühzeitig über die digitale Transformation und deren Auswirkungen auf ihre Arbeitsplätze informieren. Dabei steht im Mittelpunkt, wie diese Veränderungen die Arbeitsplatzsicherheit und die Berufsaussichten der Ratsuchenden beeinflussen. Mit Unterstützung der Berater/-innen können Arbeitnehmer/-innen für sich eine berufliche Zukunftsperspektive entwickeln.
Wenn der Arbeitsplatzverlust akut wird, springt die Transitionsgesellschaft ein: Auch in diesem Fall helfen die Berater/-innen den Beschäftigten, eine nachhaltige individuelle Zukunftsperspektive zu entwickeln. Dabei werden alle Vor- und Nachteile der möglichen Entwicklungswege unter Berücksichtigung der Lebenssituation und Lebenslage der Ratsuchenden abgewogen. Ziel ist, einen Berufsweg zu finden, der gut zur Lebenssituation passt. Auch die finanziellen Risiken und Fördermöglichkeiten eines solchen Spurwechsels werden gemeinsam erörtert.
Die Transitionsgesellschaft kann die Ratsuchenden während des gesamten Prozesses unterstützen:
- Bei Arbeitsplatzunsicherheit: Unterstützung während der Phase der Unsicherheit beim bisherigen Arbeitgeber.
- Beratung: Begleitung während der Beratung durch die Agentur für Arbeit und andere Beratungsstellen.
- Fördermittel: Hilfe bei der Beantragung von Fördermitteln zur Finanzierung einer Weiterbildung,
- Weiterbildung: Unterstützung während der Weiterbildung.
- Arbeitsplatzsuche: Begleitung bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz.
- Beruflicher Neueinstieg: Unterstützung beim Einstieg in einen neuen Arbeitsplatz, um in einer anderen Branche oder einem anderen Beruf Fuß zu fassen.
Gruppenberatung und Gruppencoaching bietet den Beschäftigten die Möglichkeit, Arbeitsplatzunsicherheit, Arbeitsplatzverlust und Perspektivwechsel gemeinsam zu bewältigen. Die Mitarbeitenden der Transitionsgesellschaft gehen dafür frühzeitig in die Betriebe und motivieren die Beschäftigten zur Teilnahme.
Fazit
Die gegenwärtige Wirtschaftskrise überlagert die Transformation und bedroht massenweise Arbeitsplätze. Hier ist vor allem die Wirtschaftspolitik gefragt. Damit Beschäftigungsübergänge in der Transformation gelingen, müssen die Beschäftigten als zentrale Akteure ihrer eigenen Zukunft betrachtet werden. Es kann nicht nur darum gehen, eine reibungslose Job-to-Job-Vermittlung zu organisieren, die vor allem den Interessen der Wirtschaft dient.
Die Beschäftigungssicherung im bestehenden Unternehmen muss oberste Priorität haben. Auch wenn, eine möglichst frühzeitige Beratung bei drohendem Arbeitsplatzverlust wünschenswert ist, dürfen die Bemühungen der Mitbestimmung, die Arbeitsplätze zu erhalten und Sozialplanverhandlungen nicht unterlaufen werden. Deshalb müssen Betriebsräte frühzeitig eingebunden werden.
Mit der Einrichtung überbetrieblicher Transitionsgesellschaften könnte gerade auch für Beschäftigte in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) ein breiterer Zugang zum Beschäftigtentransfer geschaffen werden. Eine Vernetzung aller regionalen Arbeitsmarktakteure ist zudem erforderlich, um regionale Angebote für Arbeitnehmer:innen transparent zu machen.
Qualifizierung und berufliche Weiterbildung sind wichtige Möglichkeiten für Beschäftigte transformationsbedingte Umbrüche zu bewältigen. Eine Job-to-Job-Qualifizierung, die lediglich auf eine Anpassung der Kompetenzen setzt, wird häufig nicht ausreichen, um Einkommensverluste zu vermeiden. Vorrang muss eine abschlussbezogene Weiterbildung haben. Auch für Arbeitnehmer:innen, die sich auf eigene Initiative weiterbilden wollen, müssen Qualifizierungsangebote bereitstehen. Dabei gilt es das Recht auf Weiterbildung zu stärken. Deshalb fordern die Arbeitnehmerkammer Bremen und die Arbeitskammer des Saarlandes von einer neuen Bundesregierung eine Bildungs(teil)zeit und ein Bildungszeitgeld sowie die Schaffung eines Rechtsanspruches auf Freistellung im Teilzeit- und Befristungsgesetz.
[1] Rat der Arbeitswelt (2023): Transformation in bewegten Zeiten. Nachhaltige Arbeit als wichtigste Ressource, Arbeitsweltbericht 2023, S. 79.
[2] Ebd., S. 78.
[3] Der Bremer Einzelhandel nach Corona Mehr Männer, aber weniger Vollzeitbeschäftigte – und mehr Tarifflucht | Arbeitnehmerkammer Bremen
[4] Gerhard Bosch (2022): Arbeitspolitik in der Transformation. Soziale Härten vermeiden. IAQ Forschung 2022/02, S. 5.
[5] Siehe Arbeitsweltbericht 2023.
[6] Arbeitskammer des Saarlandes (2024: Analyse der Branchenstruktur des Saarlandes. Entwicklungen, Trends und Ansatzpunkte, S. 32.
[7] DGB Index Gute Arbeit, Report 2022, S. 6f.
[8] Hier sind andere Instrumente gefragt, um Berufswechsel zu reduzieren, siehe zum Beispiel die in Kooperation der beiden Arbeitskammern mit dem IAT Gelsenkirchen entstandene Studie „Ich pflege wieder, wenn…“ (2022) und die im Anschluss entwickelten Modellprojekte.
[9] DGB Abteilung Arbeitsmarktpolitik, arbeitsmarktaktuell Nr. 03/Oktober 2024, S. 3.
[10] Ebd., S.11.
[11] Ebd., vergleiche hier die Darstellung des Modells der Arbeitsmarktdrehscheibe, S. 7 ff.
[12] Siehe z. B. Enzo Weber im Interview, Inforadio, 29.11.2024, Job-Abbau: Arbeitsmarktforscher sieht Industrie „richtig in der Krise“ | rbb24 Inforadio
[13] Ebd., S. 11 ff.
[14] Vgl. Arbeitskammer des Saarlandes (2024): Stärkung der Weiterbildung. Beschäftigte brauchen mehr Transparenz und Unterstützung. AK Analyse 4/2024; Beschäftigte von ArcelorMittal Bremen sehen Transformation als Chance | Arbeitnehmerkammer Bremen.
[15] Warum Bremen eine Transitionsgesellschaft braucht | Arbeitnehmerkammer Bremen