Bettina Ehrhardt (Betriebswirtin und Mediatorin, leitet seit 2019 die IQ Projekte der Handwerkskammer Hamburg)

Der Schlüssel für eine erfolgreiche Integration von zugewanderten Menschen ist deren berufliche Anerkennung. Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz bietet dabei neue Möglichkeiten und macht Deutschland für internationale Fachkräfte attraktiver.

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG), das seit März 2020 in Deutschland in Kraft ist, zielt darauf ab, den Zugang qualifizierter Fachkräfte außerhalb der EU zum deutschen Arbeitsmarkt zu erleichtern. Es erweitert die Möglichkeiten für qualifizierte Arbeitskräfte aus Drittstaaten, in Deutschland eine Arbeit aufzunehmen. Das neue Gesetz soll helfen, dem Fachkräftemangel in Deutschland entgegenzuwirken. Insbesondere sollen folgende Punkte gefördert werden:

  • Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen
  • Erleichterung des Zugangs zum deutschen Arbeitsmarkt für Fachkräfte mit Berufsausbildung
  • Vereinfachung des Visumverfahrens für Fachkräfte

So funktioniert berufliche Integration in Hamburg

In der Metropole Hamburg, die seit jeher als ein bedeutendes wirtschaftliches Zentrum Deutschlands gilt, entfaltet das Fachkräfteeinwanderungsgesetz eine entscheidende Wirkung. Die Stadt hat sich proaktiv darauf ausgerichtet, die Qualifizierung und Weiterbildung ausländischer Fachkräfte zu fördern. Ein zentraler Schwerpunkt liegt dabei auf der Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen. Laut einer aktuellen Studie der Agentur für Arbeit Hamburg konnte eine Steigerung um etwa 15 Prozent bei der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse in Hamburg seit der Einführung des Gesetzes verzeichnet werden. Diese Entwicklung verdeutlicht, dass das Gesetz bereits erste positive Effekte erzielt.

Berufliche Anerkennung im Handwerk

Um ausländische Fachkräfte für das Handwerk zu gewinnen, bietet die Handwerkskammer Hamburg umfassende Beratungs- und Unterstützungsdienste an. Schließlich benötigt das Handwerk dringend Fachkräfte. Unter der Servicestelle Handwerk und Migration hat die Handwerkskammer ihr Angebot für ausländische Fachkräfte und für interessierte Arbeitgebende gebündelt. Diese Dienstleistungen sind entscheidend, um sicherzustellen, dass ausländische Fachkräfte ihre Qualifikationen in Deutschland einbringen können.

Die Integration der Fachkräfte in den Hamburger Arbeitsmarkt verzeichnet vielversprechende Entwicklungen. Laut einer Analyse des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) haben sich die Beschäftigungsquoten von Fachkräften aus Drittstaaten in Hamburg seit 2020 stetig verbessert. Im Jahr 2023 lag die Beschäftigungsquote bei etwa 75 Prozent (2019: 65 %). Zum Vergleich: Die Beschäftigungsquote bei deutschen Fachkräften liegt bei 84 Prozent.

Ein weiterer Aspekt: Die Stadt Hamburg begegnet den Herausforderungen des Klimawandels mit Nachdruck und hat einen umfassenden Klimaplan entwickelt. Dieser Plan umfasst verschiedene Strategien und Maßnahmen, um die CO2-Emissionen zu reduzieren und die Stadt auf die Folgen des Klimawandels vorzubereiten. Um diese ehrgeizigen Ziele zu erreichen, werden dringend Fachkräfte in Handwerksberufen wie Bau, Sanitär, Heizung, Klima und Solar benötigt. Auch Ingenieur*innen für die Planungen sind hier gefragt.

Servicestelle Handwerk und Migration

Hier setzt die Handwerkskammer Hamburg mit drei Projekten an, die über das bundesweite Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung“ – kurz IQ – finanziert werden: „Anerkennung ansteuern“, „Perspektive Umwelttechnik“ und „Jobstart begleiten“. Alle drei verfolgen das Ziel einer qualifikationsadäquaten beruflichen Integration. Hier drei Beispiele aus der Praxis:

Soheila Abbasi: treibende Kraft der Energiewende

Die Iranerin Soheila Abbasi muss 2014 aus politischen Gründen ihr Heimatland verlassen. Ein Jahr später findet sie in Deutschland Zuflucht. Die heute 43-Jährige hat einen Master of Engineering in Kontroll- und Automatisierungstechnik und über zehn Jahre Berufserfahrung in der Planung von Ölförderungsanlagen. Ihr beeindruckender Werdegang setzt sich in Deutschland fort.

Die iranische Ingenieurin Soheila Abbasi schafft den Wiedereinstieg in ihren Beruf | Bildnachweis: IQ Projekt Brücke ins Handwerk/Jan-Peter Westermann

In Hamburg verbessert Frau Abbasi ihre Deutschkenntnisse und nimmt 2019 an der Brückenmaßnahme Umwelthandwerk teil. Hier lernt sie verschiedene Berufsfelder der Umwelttechnik in Deutschland kennen. Ihr Engagement und Fachwissen führen zu einem erfolgreichen Praktikum bei der HSE Haustechnik GmbH, wo sie schließlich als Ingenieurin fest angestellt wird. Heute plant sie Energienetze, erstellt Projektdokumentationen und koordiniert Bauabläufe. „Ich lerne jeden Tag etwas Neues und bin sehr glücklich, dass meine Qualifikationen geschätzt werden,“ sagt sie.

Das IQ Projekt „Perspektive Umwelttechnik“ (vormals „Brückenmaßnahme Umwelthandwerk“) richtet sich an alle Personen, die einen ausländischen Studienabschluss oder praktische und technische Fachkompetenzen vorzuweisen haben sowie Interesse im Bereich der Umwelttechnik mitbringen. Das Ziel der fünfmonatigen Qualifizierung ist eine Arbeitsaufnahme im Bereich Umwelttechnik oder die Überleitung in einer weiterführenden Fachqualifizierung.

Saeid Hatami: ein neuer Stern am Handwerkerhimmel

Saeid Hatamis wagt mit 30 den Neustart als Azubi – mit Erfolg | Bildnachweis: IQ Projekt Jobstart begleiten – Servicestelle Handwerk und Migration/Florian Läufer

Der heute 30-jährige Saeid Hatamis kommt 2018 ganz alleine aus dem Iran nach Deutschland. Von einer Sprachlehrerin erfährt er vom IQ Projekt „Jobstart begleiten“ der Servicestelle Handwerk und Migration der Handwerkskammer Hamburg. Da Hatamis im Iran bereits in einer Fleischerei gearbeitet hat, stellt das Beratungs-Team den Kontakt zur traditionsreichen Fleischerei Beisser in Hamburg her. Trotz anfänglicher Sprachbarrieren überzeugt Herr Hatami hier während eines dreimonatigen Praktikums, begleitet von einem Intensivsprachkurs. „Die Arbeit war mein bester Sprachunterricht“, sagt er. Heute ist er im dritten Lehrjahr und stolz auf seine Entscheidung, mit Anfang 30 eine Ausbildung zu beginnen.

Betriebsleiter Daniel Botszat plant, Herrn Hatami nach der Ausbildung fest zu übernehmen: „Er weiß, was er will und hängt sich rein. Zudem sind wir ein bunt gemischtes Team, das die Gesellschaft widerspiegelt, und das funktioniert super.“ Der Erfolg von Saeid Hatami ermutigt die Fleischerei, weitere Bewerber vom IQ Projekt „Jobstart begleiten“ einzustellen – weil es den Betrieb bereichert und die Gemeinschaft stärkt.

Das Beratungs-Team vom IQ Projekt „Jobstart begleiten“ (vormals „Brücke ins Handwerk“) der Handwerkskammer Hamburg vermittelt Menschen mit Migrationshintergrund in Handwerksbetriebe und unterstützt Unternehmen auch bei der Gewinnung von Fachkräften aus dem Ausland. Gemeinsam werden die Anforderungen des Betriebes festgestellt und geeignete Bewerber*innen vorgeschlagen. Bis zum Jobstart werden alle Beteiligten eng und individuell begleitet. Der Service endet dabei nicht bei der Vermittlung. Auch anschließend ist das Team für die Betriebe und ihre Mitarbeitenden da, begleitet vor Ort und unterstützt bei offenen Fragen.

Dank des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes hat das Projekt-Team bereits gemeinsam mit interessierten Handwerksbetrieben Fachkräfte aus dem Ausland gezielt nach Hamburg geholt.

Shorn Carter: Vielfalt als Erfolgsfaktor

Neue Mitarbeitende mit Migrationshintergrund bringen frischen Wind in die Firma Prinage Service GmbH. Shorn Carter aus der Karibik ist ausgebildete Fachkraft im Elektrotechnikbereich, arbeitet in Deutschland allerdings unterhalb seiner Qualifikation in Helfertätigkeiten – obwohl das Handwerk dringend nach Fachkräften sucht. Dann erfährt er von der Möglichkeit, seinen Berufsabschluss in Deutschland anerkennen zu lassen und lässt sich beim IQ Projekt „Mission Zukunft“ kostenlos beraten. Das Team von „Brücke ins Handwerk“ vermittelt ihn in ein Praktikum in dem Betrieb, hier wird er anschließend sofort als Helfer eingestellt und beantragt die Anerkennung seines ausländischen Berufsabschlusses. Ergebnis ist eine teilweise Anerkennung als Elektroniker für Maschinen- und Antriebstechnik, weil seine Ausbildung im Vergleich zur Ausbildung in Deutschland noch einige Defizite aufweisen. Für eine volle Anerkennung absolviert er bei Prinage eine Anpassungsqualifizierung.

Shorn Carter arbeitet nach seiner beruflichen Anerkennung endlich wieder in seinem Beruf | Bildnachweis: IQ Projekt Brücke ins Handwerk/Jan-Peter Westermann

Der Betrieb freut sich über die hochmotivierte Fachkraft, die sich gut in das Team integriert. „Vielfalt und Einbeziehung der Mitarbeitenden sind entscheidend für unseren Erfolg“, sagt Geschäftsführer Dirk Beinhoff.

Das IQ Projekt „Anerkennung ansteuern“ (vormals „Mission Zukunft“) richtet sich an Handwerker*innen mit Berufsabschluss aus dem Ausland. Das Team berät und begleitet rund um das Anerkennungsverfahren und die Anpassungsqualifizierung.  Stimmen die Inhalte einer Ausbildung mit denen des deutschen Referenzberufes überein, erhalten sie die volle Gleichwertigkeit bescheinigt und können auch in Deutschland als anerkannte Fachkräfte weiterarbeiten. Wesentliche Unterschiede, die im Bescheid zur Anerkennung der Berufsqualifikation ausgewiesen sind, können im Rahmen einer betrieblichen Anpassungsqualifizierung ausgeglichen werden. Durch die Verbindung zum IQ Projekt „Jobstart begleiten“ (vormals „Brücke ins Handwerk“) können Kontakte zu Betrieben hergestellt werden.

Fazit: berufliche Anerkennung als Schlüssel zum Erfolg

Diese Erfolgsgeschichten und die unterstützenden IQ Maßnahmen der Servicestelle Handwerk und Migration zeigen, wie eine wertschätzende Integration von zugewanderten Fachkräften gelingen, die deutsche Wirtschaft stärken und unsere Gesellschaft bereichern kann. Eine enge Verzahnung der Angebote und die Begleitung von Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden ist der Schlüssel zum Erfolg. Weitere Informationen zu den Projekten und Angeboten der Handwerkskammer Hamburg unter www.hwk-hamburg.de/servicestelle und www.hamburg.netzwerk-iq.de.

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