Reinhard Domurath  (Diplom Ökonom, Geschäftsbereichsleiter der inab -Ausbildungs- und Beschäftigungsgesellschaft des bfw mbH), Jan Radler (Vergabemanagement, inab – Ausbildungs- und Beschäftigungsgesellschaft des bfw mbH) und Karen Ruthe-Ullrich (Diplom-Pädagogin, inab – Ausbildungs- und Beschäftigungsgesellschaft des bfw mbH) und

Bevor wir die inhaltlichen Aspekte darlegen, möchten wir unseren Hintergrund beschreiben, um unsere Position zur Ausbildungsgarantie zu plausibilieren.

Die inab – Ausbildungs- und Beschäftigungsgesellschaft des bfw mbH agiert bundesweit als aktiver Bildungsdienstleister. Im Mittelpunkt unseres Denkens und Handelns steht der junge Mensch bis 25 Jahre. Wir begleiten ihn vom ersten Schultag an bis zum erfolgreichen Abschluss seiner Berufsausbildung.

In unseren vier Geschäftsfeldern Schule und Erziehung, Berufsvorbereitung, Ausbildung und Rehabilitation entwickeln unsere Expertinnen und Experten Fördermaßnahmen und Bildungsangebote, die genau auf das jeweilige Alter und die Entwicklungsstufe der Kinder und Jugendlichen zugeschnitten sind – von Ausschreibungen über Gutscheinmaßnahmen bis hin zu Arbeitsgelegenheiten. Wir lehren und lernen mit mehr als 600 Mitarbeitenden, an über 50 Bildungsstätten, in Partnerbetrieben und digital in unserem Online-Campus – oder wir richten unsere Angebote direkt an Schulen, Kommunen, Unternehmen und Selbstzahler und bieten individuelle Lösungen für jede (Aus-)Bildungsherausforderung. Darüber hinaus sind wir seit über 10 Jahren Träger der Ganztagsbetreuung an diversen Schulen.

Die inab ist ein Tochterunternehmen des Berufsfortbildungswerk gemeinnützige Bildungseinrichtung des DGB GmbH (bfw). Wir sind ein Gewerkschaftsunternehmen. Der Verwaltungshauptsitz ist in Erkrath (bei Düsseldorf) angesiedelt. Inzwischen profitieren wir von 70 Jahren Erfahrung im Bildungsbereich. Für die inab als gewerkschaftlicher Träger hat die Beurteilung der Ausbildungsgarantie mehrere Betrachtungsebenen. Natürlich stellen wir uns zuerst die Frage, ob die neue gesetzliche Regelung, welche im Zentrum unseres Leistungsangebotes zu Anpassungen führt, zu einer Verbesserung der gesellschaftlichen Situation in diesem Abschnitt der Bildungskette beitragen wird. Dass aktuell mehrere Hunderttausend junge Menschen bei ihrem Start in das Berufsleben zu scheitern drohen, ist inakzeptabel. Jede Maßnahme, die diesem sozialen als auch bildungspolitischen Missstand entgegentritt, ist aus unserer Sicht willkommen. Aus dem stärker werdenden Fachkräftemangel resultiert zusätzlicher Handlungsdruck sich um die jungen Erwachsenen zu kümmern, die sich (bisher) vergeblich um einen Ausbildungsplatz bemüht haben. Die Frage ist also, ob die Ausbildungsgarantie in diesem Spannungsfeld Antworten bereithält.

Die zweite Betrachtungsebene für einen Bildungsträger muss eine wirtschaftliche sein. Die inab ist wie viele andere Bildungsträger ein gemeinnütziger Wirtschaftsbetrieb. Wir erbringen Bildungsdienstleistungen im Bereich der beruflichen Bildung entlang der Bildungskette. Die Ausbildungsgarantie sollte so konfiguriert sein, dass sie von einem Bildungsträger wirtschaftlich angewendet und umgesetzt werden kann.

Was ist die Ausbildungsgarantie?

Das im Koalitionsvertrag formulierte Vorhaben, die berufliche Bildung junger Menschen zu stärken, besteht aus einem Bündel von verschiedenen Maßnahmen, die zunächst kurz umrissen werden sollen. Unsere Darstellung konzentriert sich auf die Neuerungen, die mit dem Gesetz zur Stärkung der Aus- und Weiterbildungsförderung (Weiterbildungsgesetz) zum 01. April 2024 in Kraft getreten sind bzw. am 01. August 2024 in Kraft treten werden. Im Einzelnen sind dies:

  1. Stärkung der beruflichen Orientierung. Hier ist insbesondere das in § 48a SGB III geregelte Orientierungspraktikum zu nennen. Demnach haben junge Menschen, die die Vollzeitschulpflicht nach den Gesetzen der Länder erfüllt haben, die keine Schule besuchen und die bei der Agentur für Arbeit als ausbildungssuchend gemeldet sind, die Möglichkeit, bei einem oder mehreren Arbeitgebern ein Berufsorientierungspraktikum zu absolvieren, welches eine Dauer von einer bis sechs Wochen umfassen kann. Im Regelfall werden die Fahrkosten zwischen Unterkunft und Praktikumsbetrieb übernommen, ebenso können die Kosten der Unterkunft übernommen werden, wenn der Praktikumsbetrieb nicht im Wohnort des jungen Menschen liegt.
  2. Jungen Menschen kann nun ein Mobilitätszuschuss gewährt werden. Damit soll die Bereitschaft gestärkt werden, außerhalb der Heimatregion eine Ausbildung zu beginnen. Im ersten Ausbildungsjahr kann die Bundesagentur für Arbeit für zwei monatliche Familienheimfahrten einen Zuschuss gewähren (§ 73a SGB III).
  3. Der neu gefasste § 54a SGB III flexibilisiert die Einstiegsqualifizierung in dem Sinne, dass die Mindestteilnahmedauer auf vier Monate abgesenkt wurde.
  4. Die in § 76 SGB III geregelte Außerbetriebliche Berufsausbildung (BaE – Berufsausbildung in einer außerbetrieblichen Einrichtung) wird zum 01. August 2024 dahingehend erweitert, dass nunmehr auch junge Menschen, die in einer Region mit „erheblicher Unterversorgung“ wohnen, in den Genuss einer Außerbetrieblichen Berufsausbildung kommen können. Der förderfähige Personenkreis erhält somit einen Rechtsanspruch auf die Teilnahme an einer BaE. Zudem wird die Vermittlungsvergütung, welche für einen Übergang in eine betriebliche Ausbildung gezahlt wird, von 2.000 auf 3.000 Euro angehoben. Schließlich hat der durchführende Träger der BaE nun die Möglichkeit, den jungen Menschen, welcher bei ihm eine Ausbildung begonnen hat, bei fortbestehendem Förderbedarf auch nach dem Wechsel in ein betriebliches Ausbildungsverhältnis weiter zu begleiten.

Im Folgenden werden die genannten Neuerungen aus der Perspektive eines Anbieters von Arbeitsmarktdienstleistungen für junge Menschen kommentiert.

Die neugefasste BaE als Teil der Ausbildungsgarantie als „Ultima Ratio“

Die BaE ist ein bewährtes und stetig weiterentwickeltes Förderinstrument. Teilnehmende einer BaE sind bisher Menschen, die sozial benachteiligt oder lernbeeinträchtigt sind. Der Bedarfsträger hat die Möglichkeit, eine BaE in zwei Typen auszuschreiben: in einer kooperativen oder einer integrativen Form. (Daneben existiert eine Mischform, die beide Typen miteinander kombiniert.) Bei einer kooperativen BaE findet der fachpraktische Teil der Berufsausbildung in kooperierenden Betrieben statt; die Aufgabe des Bildungsträgers besteht darin, als Träger der Ausbildung zu fungieren, die kooperierenden Ausbildungsbetriebe zu akquirieren und die Teilnehmenden alsbald in eine betriebliche Ausbildung zu vermitteln. Beim integrativen Modell nimmt der Bildungsträger die ganze Berufsausbildung selbst vor. Ziel ist aber auch hier – ggf. unter Einbeziehung des Zwischenschritts einer kooperativen BaE – die Teilnehmenden ebenfalls einer betrieblichen Berufsausbildung zuzuführen.

Bisher war es so, dass die Teilnehmenden, die dieses Ziel erreicht haben, für den Bildungsträger wirtschaftlich „verloren“ waren – wenn man die Vermittlungsprämie von 2.000 € ausklammert. Vor diesem Hintergrund ist deren Erhöhung auf 3.000 € und insbesondere die Möglichkeit der fortgeführten refinanzierten Betreuung zu begrüßen. Das in der BaE aufgebaute Vertrauensverhältnis zwischen teilnehmender Person und sozialpädagogischer Fachkraft kann somit auch in der betrieblichen Ausbildung helfen, etwaigen Schwierigkeiten, die dem erfolgreichen Ausbildungsabschluss entgegenstünden, rechtzeitig zu begegnen. Davon profitieren auch die Ausbildungsbetriebe.

Wie ist hingegen die Ausweitung des Kreises förderungsfähiger Personen zu bewerten? Zur Erinnerung: Ab dem 01.08.2024 können auch Ausbildungssuchende, die in Regionen leben, die eine „erhebliche Unterversorgung“ an Ausbildungsplätzen zu beklagen haben, an einer BaE teilnehmen. Zuvor jedoch muss dieser Personenkreis „hinreichende Bewerbungsbemühungen“ nachgewiesen und „die Angebote der Berufsberatung wahrgenommen“ haben. Zudem dürfen die Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit, gekoppelt „auch mit ausbildungsfördernden Leistungen“, die Aufnahme einer betrieblichen Berufsausbildung nicht erwarten lassen.

Es gilt also, Regionen mit einer „erheblichen Unterversorgung“ zu identifizieren. Das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) hat dazu eine Reihe von Indikatoren entwickelt. Der Hauptindikator ist die Bewerber-Stellen-Relation (BSR). Gibt es 10 Prozent mehr Bewerberinnen und Bewerber als Ausbildungsstellen, gilt i.d.R. die Region als unterversorgt. Dabei wird nicht nach Berufen unterschieden, d.h. es ist nicht ausgeschlossen, dass eine unterversorgte Region über unbesetzte Ausbildungsstellen in Berufen verfügt, die für viele junge Menschen als nicht attraktiv erscheinen. Umso wichtiger ist, dass die Sozialpartner in die Entscheidung, ob eine Region unterversorgt ist, mit eingebunden werden.

Nehmen wir nun an, eine solche Region wurde identifiziert und es gibt junge Menschen, die die oben genannten Bedingungen erfüllen. Welche Konsequenzen hat dies für die Arbeit eines Trägers der Jugendbildung? Dazu möchten wir eine Reihe von Hypothesen aufstellen. Die künftigen Erfahrungen werden zeigen, welche davon sich bestätigen oder widerlegen lassen:

  1. Die Ausweitung der Zielgruppe könnte zu einer noch heterogeneren Zusammensetzung der Teilnehmendengruppe führen. Daraus folgt angesichts der sich häufenden Problemlagen der jungen Menschen, dass die Betreuung stärker individualisiert werden muss, was gut ausgebildetes Fachpersonal in ausreichender Menge voraussetzt.
  2. Dieses ist immer schwieriger zu bekommen. Die Bildungsträger bewerben sich im Rahmen von öffentlichen Ausschreibungsverfahren um die Durchführung einer BaE. Das hat zur Folge, dass die Personalkosten als wesentlicher Kostenfaktor in den seltensten Fällen den branchenüblichen Mindestlohn überschreiten. Dieser ist gegenüber dem öffentlichen Dienst oft nicht konkurrenzfähig.
  3. Es lässt sich vermuten, dass in Regionen einer „erheblichen Unterversorgung“ auch die entsprechenden Fachkräfte selten sind – was die Suche nach gut ausgebildeten Personen umso anspruchsvoller macht.
  4. Auch in der integrativen Form der BaE finden die Änderungen des SGB III ihren Niederschlag. Hier besteht die Gefahr, dass die Teilnehmenden einer solchen Maßnahme am Arbeitsmarkt „vorbeiqualifiziert“ werden. Die Sozialpartner müssten also genau analysieren, warum in einer Region X zu wenig Berufe Y angeboten werden. Keinesfalls darf eine durchgeführte BaE die Betriebe davon abhalten, auszubilden.
  5. Da im Idealfall die Teilnehmenden einer außerbetrieblichen Ausbildung alsbald in eine betriebliche Ausbildung münden, stehen in „unterversorgten Regionen“ die Bildungsträger vor der Herausforderung, Ausbildungsplatze zu akquirieren, die es möglicherweise schlichtweg nicht in ausreichender Zahl gibt.
  6. Es darf auf keinen Fall die Situation entstehen, dass Bildungsträger mit den Ausbildungsbetrieben um ein knappes Gut, den Fachkräften von morgen, konkurrieren.

Wir haben uns im Frühjahr 2024 an einer Reihe von Ausschreibungen für kooperative und integrative außerbetriebliche Berufsausbildungen beteiligt. Dabei drängte sich uns nicht der Eindruck auf, dass dieses arbeitsmarktpolitische Instrument im Vergleich zu den Vorjahren im stärkeren Umfang angewendet wurde. Eine mögliche Erklärungshypothese mag sein, dass das Verständnis der BaE als einer „Ultima Ratio“, dass die betriebliche Ausbildung – nachvollziehbar – der Königsweg der beruflichen Ausbildung sei, das Unbehagen ausdrückt, dass mit der Reform der BaE letztendlich eine Komponente in die Arbeitsmarktpolitik Einzug hält, welche offensichtlich dem freien Spiel (arbeits-)marktwirtschaftlichen Kräfte nicht entspricht. Wie dieser Umstand bewertet wird, hängt von der politischen Überzeugung ab. Wie sich dieses auswirken wird, wird sich zeigen.

Die Ausbildungsgarantie als Prozess von der Berufsorientierung bis zum Ausbildungsabschluss

Aus der Perspektive der Teilnehmenden an einer BaE kann die Einführung der „fortgeführten Betreuung“ beim Übergang in betriebliche Ausbildung nur positiv bewertet werden. Frühzeitige Übergänge in betriebliche Ausbildung ohne weitere Unterstützung sind unserer Erfahrung nach nur schwer zu realisieren. Oft wird ein derartiger Übergang zum Ende des ersten Ausbildungsjahres vollzogen, der Unterstützungsbedarf des jungen Menschen mit sozialer Benachteiligung, Flucht-/Migrationshintergrund oder Behinderung konnte bis zu diesem Zeitpunkt zwar verringert, häufig aber nicht komplett abgebaut werden. Hier spielt der Zeitfaktor eine nicht unerhebliche Rolle: junge Menschen benötigen Zeit und professionelle Begleitung für die Entwicklung stabiler beruflicher Wege und ihrer Persönlichkeit. Um weiterhin Unterstützung zu erhalten, bestand bislang nur die Möglichkeit, eine Teilnahme an der Assistierten Ausbildung (AsAflex) in Betracht zu ziehen, was jedoch in den meisten Fällen einen Wechsel des Bildungsträgers erforderlich machte. Mithilfe der fortgeführten Betreuung können die aufgebauten Lernortkooperationen auch im Rahmen betrieblicher Ausbildungsverhältnisse greifen – eine Win-Win-Situation gleichermaßen für die teilnehmende Person, die in den ihr vertrauten Strukturen weiterhin bedarfsgerecht bis zum Abschluss ihrer Ausbildung gefördert werden kann, wie auch für den Bildungsträger, der seine Förderaktivitäten nicht abrupt beenden muss, sondern zur weiteren Stabilisierung des Auszubildenden im betrieblichen Umfeld beitragen und auf die Übernahme in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zum Ende der Ausbildung hinwirken kann. Die BaE mit ihren individuell gestaltbaren Übergängen und der Möglichkeit der fortgeführten Betreuung führt so an diesem Abschnitt der Bildungskette zu stabilen Eingliederungsprozessen und wirkt dem Fachkräftemangel nachhaltig entgegen.

Begreift man die Ausbildungsgarantie als Prozess, der den Zeitraum von der Berufsorientierung bis zum Ausbildungsabschluss umfasst, wurden für dessen zweiten Teil aus unserer Sicht somit durchaus sinnvolle Neuregelungen geschaffen. Was ist aber mit der beruflichen Orientierung? Erfährt sie durch die neuen gesetzlichen Bestimmungen wirklich die geplante Stärkung? Dem stehen wir eher skeptisch gegenüber. Zusätzliche Berufsorientierungspraktika sind sicherlich eine gute Idee, sie greifen aber erst nach Ende der Schulzeit und vom Mobilitätszuschuss profitieren auch nur diejenigen jungen Menschen, die bereits ihre berufliche Orientierung vollzogen haben. Vielfach war davon die Rede, die Jugendberufsagenturen – ein Zusammenschluss von Experten aus Agentur für Arbeit, Jobcenter und Jugendhilfe – auszuweiten und flächendeckend zu etablieren. Wie soll diese Ausweitung aber ausgestaltet werden? Hierzu wurden im Weiterbildungsgesetz keine Regelungen getroffen. Die bisherigen Angebote der Jugendberufsagenturen sind meist so gestaltet, dass die jungen Menschen den ersten Schritt tun müssen. Sie müssen von sich aus aktiv werden und die Unterstützung initiativ in Anspruch nehmen. Würde hingegen zukünftig von den Jugendberufsagenturen der umgekehrte Weg eingeschlagen und die jungen Menschen dort aufgesucht, wo sie sich zum Zeitpunkt der ersten berufliche Orientierung befinden, nämlich an den Schulen, könnten sie deutlich mehr junge Menschen erreichen.

Jugendcoaching nach österreichischem Vorbild– ein Modell auch für Deutschland?

Wir gehen jedoch noch einen Schritt weiter. Schon während der Schulzeit bedarf es nicht nur punktueller Angebote zur Unterstützung der beruflichen Orientierung (wie Berufsorientierungs-Einheiten im Unterricht oder zwei- bis dreitägige Potenzialanalysen), sondern auf längere Sicht angelegte zusätzliche Unterstützungsangebote, die die Lehrkräfte der allgemeinbildenden Schulen selbst nicht leisten können. Schon frühzeitig müssen die jungen Menschen begleitet, beraten und unterstützt werden und viele praktische Erfahrungen im Rahmen von Betriebspraktika sammeln können, um eine ihren Neigungen und Fähigkeiten entsprechende Berufswahlentscheidung zu treffen. Das Maßnahmeportfolio der Agentur für Arbeit hält zwar mit der Berufseinstiegsbegleitung (BerEb) ein Unterstützungsangebot vor, das schon in der Vorabgangsklasse einsetzt und bis in die Ausbildung hineinreicht, jedoch ist die Teilnahme nur einzelnen zuvor durch die beteiligten Schulen benannten Schülerinnen und Schülern möglich. Eine Ausweitung der Berufseinstiegsbegleitung im Sinne eines Jugendcoachings nach österreichischem Modell wäre aus unserer Sicht eine zielführende Möglichkeit zur frühzeitigen Stärkung beruflicher Orientierungsprozesse und zur möglichst passgenauen Zusammenführung von Auszubildenden und Betrieben.

In Österreich wird die Ausbildungsgarantie bereits seit 2008 erfolgreich umgesetzt. Jugendliche ohne Ausbildungsplatz erhalten dort das Angebot einer überbetrieblichen Ausbildung (ÜBA), auch wenn sie keinen Schulabschluss erworben haben. Zudem greift ab der neunten Schulstufe das Jugendcoaching – ein freiwilliges Beratungsangebot für alle Schülerinnen und Schüler, die sich Unterstützung auf ihrem weiteren Bildungs- und Ausbildungsweg wünschen. Das Jugendcoaching umfasst Beratung, Begleitung und Case Management. Für alle teilnehmenden Schülerinnen und Schüler wird ein Neigungs- und Eignungsprofil erstellt, eine Stärken-Schwächen-Analyse vorgenommen und ein individueller Karriere- und Entwicklungsplan einschließlich beruflicher Perspektiven erstellt. Praktikumsbetriebe werden unter Berücksichtigung des individuellen Profils gezielt ausgewählt, sodass bereits das erste Schulpraktikum möglichst zielgerichtet erfolgen kann. Dieses und alle weiteren betrieblichen Praktika werden vorbereitet und ausgewertet und führen die Schülerinnen und Schüler schrittweise an die richtige, passende Berufswahlentscheidung heran. Auch während der Berufsausbildung kann das Jugendcoaching fortgeführt werden, sodass ein erfolgreicher Ausbildungsabschluss resultiert.

Sollte das Jugendcoaching auch in Deutschland zum Einsatz kommen, könnten Jugendberufsagenturen, aber auch Bildungsträger mit der Umsetzung beauftragt werden. Beispielsweise verfügt die inab aus der Umsetzung diverser Coachingangebote bereits über eine umfangreiche Expertise in diesem Bereich. Unser Jugendcoaching folgt ähnlich dem österreichischen Modell dem ganzheitlichen Ansatz, hält ein umfassendes Methodenrepertoire bereit und ist regional sofort umsetzbar. Jugendcoaching beinhaltet Individualförderung von der Schule über die Ausbildung bis zur erfolgreichen Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses und gewährleistet eine lückenlose, auf den individuellen Bedarf abgestimmte Begleitung – und dies bestenfalls mit durchgehender Unterstützung durch dieselbe Ansprechperson.

Fazit

Die Implementierung der „fortgeführten Betreuung“ in die BaE stärkt ihren Charakter als Überführungssystem in die betriebliche Ausbildung. Sie stellt eine wichtige Anpassung dar, um Kontinuität der Betreuung über die BaE hinaus zu ermöglichen. Die Änderung wird dadurch auch einen Beitrag zur Stabilisierung der betreffenden Ausbildungsverhältnisse leisten. Gleichzeitig hilft es dem umsetzenden Bildungsträger, sowohl aus sozialpädagogischer als auch aus wirtschaftlicher Sicht seine Aufgabe zu erfüllen. Kontinuität ist nicht nur für die Betreuung der Auszubildenden, sondern auch für die wirtschaftliche Stabilität der umsetzenden Bildungsträger wichtig. Der Wechsel von Teilnehmenden aus einer BaE in ein betriebliches Ausbildungsverhältnis ist gewollt, stellt aber eine Herausforderung an die wirtschaftlichen Notwendigkeiten des umsetzenden Bildungsträgers dar. Die neue Regelung erleichtert eine wirtschaftliche als auch qualitativ hochwertige Umsetzung der inhaltlichen Arbeit. Daneben sind sowohl das Berufsorientierungspraktikum als auch der Mobilitätszuschuss richtige Instrumente, werden aber unsere Arbeit als bundesweiter Bildungsträger nicht maßgeblich beeinflussen.

Diese positive Einschätzung darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass aus pädagogischer Sicht eine Umsetzung der Ausbildungsgarantie, die früher in der Bildungskette, nämlich im Bereich der frühen und kontinuierlichen schulischen Berufsorientierung ansetzte, zu begrüßen gewesen wäre. Bei über 2,8 Millionen jungen Erwachsenen in der Altersgruppe von 20 bis 35 ohne Berufsabschluss scheint schon lange vorher etwas nicht funktioniert zu haben. Solche Größenordnungen sind aber mit einzelnen Projekten nicht mehr „reparierbar“. Da müssten umfangreichere Lösungen angestrebt werden, die vermutlich aufgrund unseres bildungspolitischen föderalen Systems nicht einfach zu implementieren wären. (Als bundesweit agierender Bildungsträger sind uns die bildungspolitischen „Flickenteppiche“ im aktuellen föderalen System gerade im Feld der Berufsorientierung sehr bekannt.)

Kurzum: Die Ausbildungsgarantie ist in ihrer derzeitigen Ausgestaltung aus Sicht der Autoren ein Instrument oder auch ein Beitrag, um in dem skizzierten Spannungsbogen Verbesserungen zu erreichen. Es sind Elemente enthalten, die ihre Wirkung entfalten werden (fortgeführte Betreuung). Das begrüßen wir. Die Wirkung wird aber wohl nicht ausreichen, um eine Problemlösung herbeizuführen. Sie wird vermutlich nur den sozialpolitischen, bildungspolitischen als auch arbeitsmarktpolitischen Schmerz lindern. Schade, dass der politische Mut, der bei der skizzierten Problemstellung nötig gewesen wäre, um Dynamik in den Bereich zu erzeugen, beim Gesetzgebungsverfahren nicht ausgereicht hat.

Autoren

  • Reinhard Domurath hat einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaft (Diplom Ökonom). Aktuell ist er Geschäftsbereichsleiter der inab -Ausbildungs- und Beschäftigungsgesellschaft des bfw mbH. Seit 10 Jahren ist er bei der inab als auch bei der „Mutter“ bfw im Bereich der beruflichen Bildung tätig. Davor hatte er auch langjährige Erfahrungen bei anderen Akteuren im Bildungsbereich gesammelt.

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  • Jan Radler arbeitet seit zwei Jahren bei inab – Ausbildungs- und Beschäftigungsgesellschaft des bfw mbH im Vergabemanagement. Zuvor sammelte er mehrere Jahre in der Erwachsenenbildung als Dozent und Jobcoach Berufserfahrungen. In Frankfurt (Oder) studierte er Kulturwissenschaften und promovierte 2006 über den österreichischen Philosophien Viktor Kraft. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) vertiefte er im Anschluss seine Studien zur österreichischen Philosophie. Er lebt in Düsseldorf.

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  • Karen Ruthe-Ullrich ist Diplom-Pädagogin und seit März 2022 Leitung des Vergabemanage-ments der inab – Ausbildungs- und Beschäftigungsgesellschaft des bfw mbH. Sie ist seit 1997 im bfw-Konzern tätig und von Beginn an u.a. mit der Erstellung pädagogischer Konzepte be-traut. Aus ihrer über zwanzigjährigen Tätigkeit als Bildungsbegleiterin und Koordinatorin der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen (BvB/BvB-Reha) am Standort Lüdenscheid bringt sie einen umfangreichen Erfahrungsschatz aus der pädagogischen Praxis mit. Sie lebt mit ihrer Familie in Kierspe im südlichen Sauerland.

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