Claudia Munz (Diplom-Soziologin, langjährige wissenschaftliche Mitarbeiterin der GAB München)

Eigenständig handlungsfähig, selbstbewusst und selbstkritisch sein, lebenspraktische Fähigkeiten entwickeln, Selbstwirksamkeit erleben, sozial kompetent mit anderen zusammenarbeiten, neue Herausforderungen mutig angehen, Einblick in wirtschaftliche und gesellschaftliche Zusammenhänge bekommen, eigene Werte erkennen, nachhaltiges Handeln lernen, digitale und analoge Vorgehensweisen verbinden, grundlegende menschheitliche Kulturpraktiken erfahren – nein, das ist nicht noch ein Katalog, der beschreiben will, welche Facetten das weite Feld der Persönlichkeitsbildung aufweist. Die Frage dieses Beitrags ist vielmehr, wie junge Menschen bei ihrer Persönlichkeitsbildung pädagogisch unterstützt werden können.

Denn Persönlichkeitsbildung lässt sich nicht lehren oder vermitteln. Dafür werden Lebens- und Lernsituationen gebraucht, in denen sich die Person handelnd mit Herausforderungen auseinandersetzt und daran neue Einsichten, Fähigkeiten, Werte und Handlungsweisen entwickelt, die die werdende Persönlichkeit bereichern.

Auf den ersten Blick mag überraschen, dass sich im schulischen und außerschulischen Rahmen dafür ein Setting als besonders wirkungsvoll erwiesen hat: Das Reparieren defekter Gegenstände durch Kinder und Jugendliche. Dieser Beitrag stellt – basierend auf der siebenjährigen Erfahrung mit der weltweit ersten Schüler-Reparaturwerkstatt – die persönlichkeitsbildenden Potenziale des Reparierens dar. Diese wurden durch die wissenschaftliche Begleitung des Projekts ermittelt.

Das Beispiel Schüler-Reparaturwerkstatt

Inspiriert vom Modell der Repair-Cafés gründete der Physik- und Mathematiklehrer Walter Kraus  2016 an der Rudolf-Steiner-Schule in München-Schwabing die Schüler-Reparaturwerkstatt, die seither kontinuierlich in das Unterrichtsangebot integriert ist. Unter dem von Schüler:innen formulierten Slogan „Fixing for Future“ wird Reparieren angeboten für die Klassen 5 bis 11 im Rahmen des Technologieunterrrichts sowie als Wahlpflichtfach der Ganztagsbeschulung und als Offene Werkstatt. Repariert werden defekte Elektrogeräte, Holzgegenstände und Lederwaren. Zeitweise gibt es das Angebot des Upcyclings von Textilien. Für die Reparatur von Elektrogeräten und Ledergegenständen wurde eine spezielle Werkstatt eingerichtet. Die Reparatur von Holzgegenständen erfolgt im Werkraum der Schule, Textil-Upcycling im Handarbeitsraum. Die Öffnungszeiten der Werkstatt werden über Reparaturnetzwerke bekannt gegeben. Ganz überwiegend reparieren die Schüler:innen Defektes, das von externen „Kund:innen“ gebracht wird. Die Erfolgsquote liegt bei 92 Prozent. Die Reparatur ist bis auf eventuell anfallende Ersatzteilkosten gratis. Zunehmend werden Ersatzteile mittels mehrerer 3 D-Drucker selbst angefertigt. Konzept und Erfahrungen mit der Schüler-Reparaturwerkstatt wurden in einem Handbuch[1] zusammengefasst, um für den Aufbau möglichst vieler weiterer Reparaturwerkstätten innerhalb und außerhalb von Schulen zu inspirieren. Bundesweit arbeiten derzeit rund zehn solcher Schülerwerkstätten, weitere sind geplant, international befinden sich mehrere im Aufbau.

Das pädagogische Konzept

Da die Schüler-Reparaturwerkstatt gezielt als pädagogische Maßnahme angelegt ist, wurde ein spezifisches Konzept nach den Prinzipien des entdeckenden Lernens entwickelt, das laufend optimiert wird. Es beruht darauf, dass nicht „im abgesicherten Modus“ gearbeitet und gelernt wird, sondern unter realen Bedingungen: Echte Kund:innen bringen echte Reparaturobjekte.

  • Die Schüler:innen gestalten den gesamten Prozess in Eigenregie: Sie führen die Gespräche mit den Kund:innen, übernehmen eigenständig die Fehlersuche und die damit verbundenen Recherchen im Internet und in sonstigen Quellen (z.B. mitgelieferten Bedienungsanleitungen).
  • Sie entscheiden selbst, wann sie allein nicht weiterkommen und weitere Hilfe benötigen, die sie sich aktiv holen.
  • Ebenso organisieren sie selbst, welches Team welche Reparaturen übernimmt.
  • Das Einbeziehen von ehrenamtlichen Reparaturanleiter:innen ist wesentlicher Bestandteil des Konzepts; damit lernen die Schüler:innen, mit (älteren) Externen zusammenzuarbeiten und gemeinsam generationenübergreifende Erfahrungen zu machen, es findet keine alleinige Orientierung an der Lehrkraft statt.
  • Alle Erwachsenen verstehen sich als Lernbegleitende, deren Aufgabe darin besteht, das selbstständige Arbeiten der Schüler:innen durch hilfreiche Fragen zu unterstützen.
  • Analoge und digitale Recherchen werden verbunden, das Internet als Werkzeug für sachgemäße Fragestellungen zur Reparatur erlebbar, nicht als Unterhaltungsmedium.
  • Die Übergabe der reparierten Gegenstände an die Kund:innen erfolgt ebenfalls durch die Schüler:innen.
  • Bewusst wird die Schüler-Reparaturwerkstatt nicht als wirtschaftliches Unternehmen organisiert. Es geht vielmehr darum, sich uneigennützig in den Dienst Dritter zu stellen, ohne die Erwartung von materieller Belohnung. Die „Belohnung“ besteht ausschließlich im Reparaturerfolg und in der Befriedigung, etwas für andere zu tun – und dabei selbst viel zu lernen.
  • Sicherheitshinweise und -prüfungen bei elektrischen Geräten und die Endabnahme erfolgen durch die begleitenden Lehrkräfte.

Was tut man eigentlich, wenn man repariert?

Reparieren – laut Duden bedeutet das, „etwas, was nicht mehr funktioniert, entzweigegangen ist, schadhaft geworden ist, wieder in den früheren intakten, gebrauchsfähigen Zustand (zu) bringen“. Aber geht es beim Reparieren wirklich nur darum, etwas Defektes wieder gebrauchsfähig zu machen? Lässt es sich auf handwerklich-technische Handgriffe reduzieren, oder sind weitaus tiefere Ebenen damit verbunden?

Ein erster Hinweis ergibt sich daraus, dass Reparieren in unterschiedlichsten Kontexten als Metapher für Verbesserungsbedarf verwendet wird. So zum Beispiel im Schlagwort von „Schule als Reparaturbetrieb der Gesellschaft“, und in Buchtiteln wie „Die Welt reparieren“. Im medizinischen und psychologischen Bereich wird davon gesprochen, dass „wir uns ständig selbst reparieren“. Nicht zuletzt gibt es in Literatur und Musik zahlreiche Beispiele (vgl. etwa den Coldplay-Song „Fix you“).

Näheren Aufschluss über die mit Reparieren verbundenen Anforderungen – und damit Potenzialen der Persönlichkeitsbildung – bietet eine Analyse der Tätigkeiten, die beim Reparieren von Elektrogeräten erforderlich sind.

Kurzgefasst geht es um diese Schritte:

Einschätzung des Reparaturbedarfs: Beim Übergabegespräch wird besprochen, was defekt ist. Die alltagssprachliche Schilderung der Kund:innen („Die Taste beim Toaster geht nicht mehr“) reicht meist für eine Diagnose der Ursache des Defekts nicht aus. Auch muss die Reparierbarkeit geprüft werden. Daher folgt eine intensive

Fehlersuche: Sie beginnt mit einer genaueren Funktionsprüfung mit Hilfe von Prüfgeräten sowie mittels Sicht-, Tast- und Hörprüfungen. Diese ersten Prüfungen erfolgen am noch nicht geöffneten Gerät. Meist wird es erforderlich, das Gerät für eine intensivere Fehlersuche zu öffnen. Dieser Schritt stellt oft eine Hürde dar, weil sich Geräte zunächst scheinbar gar nicht öffnen lassen, sei es, weil sie verschweißt sind, sei es, weil sie mit Spezialschrauben verschlossen sind, zu deren Öffnen man Spezialschrauber bräuchte… Erste Einblicke in Strategien von Herstellern, Reparieren zu erschweren, ergeben sich und führen zur Frage, welche Motive dahinterstecken. Auch muss bereits beim Auseinanderbauen des Geräts daran gedacht werden, dass man es wieder zusammenbauen muss, also methodisches, sorgfältiges Vorgehen nötig ist.

Fehler-Diagnose und Reparatur-Hypothese: Bei schließlich geöffnetem Gerät wird nun versucht, die Funktionsweise genauer zu verstehen, daraus zu erkennen, worin der Defekt besteht, und Ideen / Hypothesen zu entwickeln, ob und wie dieser behoben werden kann. Dabei sind Initiative, Durchhaltevermögen und detektivische Fähigkeiten ebenso gefragt wie Selbststeuerung, um weder aktionistisch noch zu zögerlich vorzugehen. Gedanklich muss die Konstruktion nachvollzogen werden, daraus ergeben sich sachgemäße Fragen, um dem Fehler auf die Spur zu kommen. Bis eine erste Reparatur-Hypothese möglich wird, werden meist weitere Recherchen im Internet oder hilfreiche Fragen der begleitenden Erwachsenen erforderlich.

Reparaturschritte: Sind Fehlerdiagnose und Hypothesenbildung geschafft, werden die Reparaturschritte geplant. Im gedanklichen Durchgehen geht es um Exaktheit, denn stimmt die Reihenfolge der Schritte nicht, erzeuge ich mir selbst Mehraufwand durch notwendige Korrekturen. Also ist zu fragen: Was genau ist zu tun? In welcher Reihenfolge wird vorgegangen, welche Werkzeuge und Hilfsmittel werden benötigt? Wie richte ich mir die her? Welche Sicherheitsaspekte sind zu berücksichtigen? Ist Unterstützung durch andere erforderlich? Muss ich zusätzliche Informationen beschaffen? Werden Ersatzteile benötigt? Falls ja, woher bekommt man die, sind sie durch Kauf beim Händler oder im Internet zu beschaffen? Oder kann man sie selbst mit Hilfe des 3 D-Druckers herstellen? Muss mit dem Kunden wegen der Kosten Rücksprache gehalten werden? Wie wird die Funktionstüchtigkeit nach erfolgreicher Reparatur geprüft? Welche dafür zertifizierte Person macht die Endabnahme?

Nach diesen Klärungen erfolgt die eigentliche Reparatur, besser: der Reparaturversuch. Erst im Realisieren der geplanten Schritte zeigt sich, ob die Fehlerdiagnose und der Reparaturweg richtig sind. Meist treten unerwartete Schwierigkeiten auf, beispielsweise reagiert ein Bestandteil des Geräts nicht wie gedacht, es gibt Probleme auf der technischen wie auf der persönlichen Ebene. Jetzt werden nicht nur manuelle Fähigkeiten gebraucht, sondern auch Konzentration, Geduld und Selbstbeherrschung sind verlangt. Im Prozess muss ständig geprüft werden, ob man noch auf dem richtigen Weg ist. Dabei muss man sich durch die Sache selbst belehren und korrigieren lassen. Oft muss improvisiert werden, Einfallsreichtum und nichtschematisches Handeln sind gefragt.

Auch muss man bereit sein, seine (momentanen) Grenzen zu erkennen und zu akzeptieren, wenn man allein nicht weiterkommt. Der soziale Aspekt wird besonders wichtig, wenn Unerwartetes auftritt. Man braucht die Bereitschaft, andere um Hilfe zu bitten, ohne das Gefühl, sich eine Blöße zu geben, und ebenso, andere zu unterstützen. Auch Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit sind nötig, denn schließlich hat der Kunde einem ein Gerät anvertraut und vertraut darauf, dass man sich mit aller Kraft um die Reparatur bemüht.

Zusammenbau: Sind der Reparaturversuch und die Funktionsprüfung des noch geöffneten Geräts erfolgreich verlaufen, erfolgt der Zusammenbau. Hier zeigt sich, ob man beim Zerlegen sorgfältig genug vorgegangen ist oder nun mit eigenen Fehlern konfrontiert wird. Braucht man Selbstkontrolle und Weitermachen trotz Ärger und Frustration? Oder kann man stolz auf die gelungene eigene Arbeit sein?

Prüfung, Endabnahme: Nach erfolgreichem Zusammenbau wird ein Probelauf zur Funktionsprüfung des reparierten Geräts gemacht. Falls sich Mängel zeigen sollten, wird die Bereitschaft zu einer  Korrekturschleife nötig, bis die Endabnahme durch die zertifizierte Elektrofachkraft erfolgen kann.

Übergabe: Nun wird die Kundschaft informiert, dass das Gerät abgeholt werden kann. Die Übergabe erfolgt durch die Schüler:innen, die es repariert haben und auf Wunsch auch über Details der Reparatur informieren. Die jungen Leute erleben unmittelbar die Freude der Kundschaft, sie bekommen Lob und Anerkennung.

Auswertung, Reflexion: Jede Reparatur erweitert das Wissen und Können der Reparierenden. Die Schüler:innen machen sich ihren persönlichen und fachlichen Zuwachs klar, indem sie sich entweder Notizen machen oder einzelne Reparaturen in der Gruppe und mit den begleitenden Erwachsenen nachbesprechen. Hier kommen häufig auch weitergehende Themen zur Sprache wie geplante Obsoleszenz, Rückwirkungen der Erfahrungen auf das eigene Konsumverhalten, nachhaltiges Handeln im Alltag, politische, soziale und gesellschaftliche Aspekte der Produktion und Entsorgung von Elektroartikeln, Reparieren als Beitrag gegen die Wegwerfmentalität u.v.m.

Nachhaltige Kompetenzentwicklung

Reparieren, so lässt sich zusammenfassen, ist eine Tätigkeit, bei der grundlegende Kompetenzen für die Bewältigung komplexer und zumindest teilweise neuer Herausforderungen entwickelt werden, und die zugleich Potenziale einer umfassenden Persönlichkeitsbildung bietet. Reparieren führt im Ergebnis nicht nur dazu, dass ein defektes Teil wieder funktionsfähig ist. Gleichzeitig bilden sich neue Erkenntnisse, Fähigkeiten und Haltungen. Wenn es einmal gelungen ist, ein Gerät zu öffnen und es zu reparieren, stehen einem die damit verbundenen Erfahrungen – sowohl erfolgreicher wie gescheiterter Versuche – auch für neue Situationen zur Verfügung. Diese müssen gerade nicht identisch mit der ursprünglichen Erfahrungssituation sein. Denn „handelndes Lernen“ ist etwas anderes als bloßer Wissenserwerb. Es ist bekannt, dass die Intensität von Gelerntem dann am höchsten ist, wenn man etwas selbst gemacht und nicht nur gezeigt oder erklärt bekommen hat. Außerdem ist das zu Lernende bereits in einen komplexen Anwendungs-Zusammenhang eingebettet, die bekannte Schulfrage „Wofür brauche ich das?“ beantwortet sich von selbst. Und die handelnde Auseinandersetzung mit einem defekten Gegenstand und seiner Reparatur ist ein „Lernen mit Kopf, Herz und Hand“, das heißt, der ganze Mensch ist involviert.

Reparieren ermöglicht Kindern und Jugendlichen exemplarische Schlüsselerfahrungen. Sie erleben grundlegend, dass Kaputtes repariert werden kann, und dass sie selbst dies bewirken können. Dabei begegnen ihnen Hindernisse, die sie aus eigener Kraft überwinden und daran wachsen können. Sie entdecken ihre Kreativität und entwickeln Erfindungsreichtum, wie sich Lösungen improvisieren lassen können. Sozial erfahren sie, dass sie bei Fehlersuche und Reparatur Unterstützung bekommen können, indem sie Tipps von anderen Reparierenden erhalten. Durch die von der Repair-Bewegung kostenlos zur Verfügung gestellten Tipps, Tutorials etc. lernen sie das freiwillige Engagement anderer, ihnen fremder Menschen schätzen – was im Fall der Schüler-Reparaturwerkstatt dazu führt, dass die Schüler:innen künftig auch selbst YouTube-Videos mit Reparaturtipps drehen werden, von Jugendlichen für Jugendliche.

Besonders wichtig ist auf der Ebene der persönlichen Entwicklung, dass Reparieren das Erleben von Selbstwirksamkeit ermöglicht, die einen positiven Einfluss auf Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen hat. Sie entwickeln Zutrauen zu den eigenen Stärken und den eigenen Denk-, Analyse- und Problemlösungsfähigkeiten, die Zuversicht, „mir wird schon etwas einfallen“. Und sie erleben, dass Fehler nichts „Falsches“ wie in der Schule sind, sondern dabei helfen, dem Richtigen auf die Spur zu kommen.

Reparieren fördert darüber hinaus lebenspraktische Fähigkeiten wie Material- und Werkzeugkenntnis und -handhabung, Aufbau, Funktionsweise und Reparierbarkeit unterschiedlichster Gegenstände. Auch methodisches Arbeiten und kommunikative Fähigkeiten (z.B. Gesprächsführung mit Kundschaft und ehrenamtlich unterstützenden Älteren, Korrespondenz mit Herstellern) werden gesteigert. Dass Reparieren auch besonders geeignet ist, das Bewusstsein für die Bedeutung nachhaltigen Handelns zu entwickeln und darüber hinaus auch einen praktischen Beitrag zur Abkehr von der Wegwerfgesellschaft zu leisten, liegt auf der Hand.

Eine Aufgabe der Persönlichkeitsbildung junger Menschen liegt heute darin, dass sie sich kompetent und urteilsfähig sowohl in der analogen wie der digitalen Welt bewegen lernen.

Das analoge Reparieren von Gegenständen bietet die Möglichkeit, durch Auseinanderbauen und Untersuchen sowohl Aufbau wie Funktionsweise tatsächlich zu verstehen und nicht nur Funktionen zu bedienen. Die Entdeckung „was dahintersteckt“, die Begegnung mit dem Realen übt eine große Faszination aus. Eine besondere Anziehungskraft haben „altmodische“ Gegenstände wie z.B. mechanische Schreibmaschinen. Staunend können die Schüler:innen einen Blick in die Technikgeschichte tun und nachvollziehen, aus welchen Vorgängermodellen ihre meist fraglos genutzten modernen Geräte hervorgingen (und wie viel leichter ältere Geräte repariert werden können). Die Erfahrung, dass durch eigene Eingriffe in das zu reparierende Gerät tatsächlich etwas Reales bewirkt wird, stärkt die Unterscheidungsfähigkeit zwischen Realem und Virtuellem.

Und schließlich ermöglicht die Tätigkeit des Reparierens, an eine menschheitliche Grundpraxis anzuschließen. Denn jahrtausendelang war es überhaupt keine Frage, ob ein defekter Gegenstand repariert wird – es gab schlicht nicht die Möglichkeit, ihn wegzuwerfen und einfach einen neuen zu kaufen. Reparieren zu lernen gehörte zur alltäglichen Praxis, in die man hineinwuchs.

Da Kinder und Jugendliche heute im privaten Bereich kaum mehr Erfahrung mit Reparieren machen können, ist es zu einer Bildungsaufgabe für Schulen und außerschulische Einrichtungen geworden, ihnen Zugang zu dieser grundlegenden Kulturtechnik zu eröffnen.

Wolfgang M. Heckl, Direktor des Deutschen Museums in München und selbst begeisterter Reparierer, resümiert: „Wenn ich Dinge selbst zerlegt habe und daran gebastelt habe, habe ich später die Fähigkeit, auch mal auf eine Idee zu kommen, wie ich etwas besser gestalten kann oder etwas neu erfinden kann. Und das ist eine absolut notwendige Fähigkeit in unserer Gesellschaft. (…) Der Mensch erlernt Strategien, um sich aus seiner erlernten Hilflosigkeit zu befreien und eigenständig zu handeln. (…) Das ist Schule zur Lebensbewältigung. “ [2]

[1] Kraus, Walter / Munz, Claudia / Escales, Eberhard / Ueblacker, Mathias (2018): Reparieren macht Schule. Ein Praxisleitfaden. München. Kostenloser Download unter:  https://www.schueler-reparaturwerkstatt.de/index.php/praxisleitfaden.html Das Handbuch ist auch in Englisch erhältlich unter dem Titel „Fixing Things for the Future“, kostenloser Download unter: https://www.schueler-reparaturwerkstatt.de/files/reparaturwerkstatt/PDF/StudentRepairShop2.pdf.

[2] Zit. nach: https://www.die-bonn.de/zeitschrift/42014/heimwerken-03.pdf, abgerufen am 15.5. 2023; vgl. auch: Heckl, Wolfgang M. (2013): Die Kultur der Reparatur. München

Autor

  • Diplom-Soziologin, langjährige wissenschaftliche Mitarbeiterin der GAB München - Gesellschaft für Ausbildungsforschung und Berufsentwicklung. Arbeitsschwerpunkte: Forschungs- und Entwicklungsprojekte zu innovativen Ansätzen in der beruflichen Kompetenzentwicklung, insbesondere zum erfahrungsgeleiteten Arbeiten und Lernen sowie zu biografieorientierter Aus- und Weiterbildungsgestaltung. Seit 2016 ehrenamtliche wissenschaftliche Begleitung der Schüler-Reparaturwerkstatt sowie Mitarbeit in Reparatur-Netzwerken.

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