Prof. Dr. Bernd Benikowski, war wissenschaftlicher Mitarbeiter in der AG Begleitforschung Psychiatrie Essen. Konzeption, Durchführung und Auswertung einer Befragung von Angehörigen psychisch kranker Menschen. Dipl.-Pädagoge in der Westf. Fachklinik für Psychiatrie Dortmund. Training und Rehabilitation. Psychotherapeutische Einzel- und Gruppenarbeit, Psychodrama, Durchführung einer Patientenbefragung. Lehrbeauftragter an der Fachhochschule Dortmund (Prüfungsberechtigung, Begutachtung von Examensarbeiten) „Soziale Arbeit und Psychiatrie“ und „Projektmanagement und Methodik“. Wissenschaftlich-didaktischer Leiter am Institut für sozialpädagogische berufliche Bildung ISBB in Wuppertal Entwicklung und Evaluation von ...
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DIGITALE LERNWELTEN So unwahrscheinlich es klingen mag: Die altbekannten Brettspiele können ein wichtiger Baustein in der Gestaltung effizienter und kreativer Lernarchitekturen sein.
Vor etwas mehr als 20 Jahren hat sich die rasante Entwicklung der kleinen (Personal-) Computer auch auf die Gestaltung, Hoffnungen und Visionen der Weiterbildung ausgewirkt. Es schien ein wenig so, als würde das Lernen selbst revolutioniert werden können. Traditionelle Bildungsformen würden ersetzt durch neue Lernwelten, die Schule und die betriebliche Weiterbildung durchdringen und dort das Lernen besser, einfacher und effizienter machen sollten. Was ist heute tatsächlich angekommen in der Welt der Bildung und Weiterbildung? Es lohnt sich einmal zu schauen, was sich denn nach den ersten Entwicklungsjahren des eLearnings als hilfreiches Instrument in neuen Lernarchitekturen etabliert hat und was vielleicht aus der futuristischen didaktischen Diskussion verschwunden ist. Und noch ein weiterer Trend soll thematisiert werden. Es scheinen sich wieder Brettspiele in der didaktischen Diskussion zu zeigen. Am Beispiel des Plan- und Brettspiels „Erfolgsquadrat“ als Instrument zur systematischen Personalentwicklung sollen die neuen Potenziale, Hoffnungen und Möglichkeiten diskutiert werden.
Aus der didaktischen Perspektive ist es fast erstaunlich, welche Erwartungen mit den Möglichkeiten des eLearnings verbunden waren. Weiterbildung wurde dem Lernenden über die Technologie des Computers ermöglicht. Schnittstelle zwischen dem lernenden Menschen und der elearning-Technologie waren Bildschirm und – falls schon vorhanden – die Lautsprecher. Auf dem Bildschirm konnten Texte gelesen, Graphiken betrachtet und Filme angesehen werden. Das allein für sich dürfte nicht den damaligen Hype begründet haben. Schließlich gab es schon in den 60iger Jahren Schulfernsehprogramme, die in gleicher Weise mit Ton und Bildschirm das Lernen unterstützt und ermöglichen hatten. Allerdings waren diese Lernprogramme des Fernsehens nur zu bestimmten Programmzeiten verfügbar. Die Computer konnten die Lernsoftware unabhängig von Sendezeit zur Verfügung stellen. Der Lernende konnte entscheiden, wann die beste Zeit zum individuellen Lernen war, konnte das Lerntempo selbst wählen und nach Bedarf unterbrechen und fortsetzen.
Verschwunden: Tatsächlich sind diese Lerntechnologien weitgehend verschwunden. Allerdings ist wohl nicht die didaktische Relevanz von Lernrückmeldungen in Frage zu stellen, sondern eher die adäquate Umsetzung durch technische Lernhilfen.
Das war unzweifelhaft ein immenser Fortschritt und ermöglichte vor allem auch individuelle Lernbedürfnisse besser zu berücksichtigen. Das war etwa in der beruflichen Weiterbildung eine kleine Revolution und schaffte neue Lernoptionen. Eine der begeisterten Argumente in den ersten Jahren des eLearnings war es, dass nun Lernen an jedem Ort und zu jeder Zeit möglich war. Leider muss man heute noch einmal unterstreichen, dass dies auch mit einem gedruckten Buch erreicht wird. Da ein Buch auch Texte und Graphiken darstellen kann, reduziert sich hier das Innovationspotenzial auf die Bereitstellung von filmischen Lernmaterialien.
Es gab noch einen weiteren Leitgedanken der Wirksamkeit von eLearning-Angeboten: Die Interaktivität. Die eLearning-Software sollte den Lernenden unmittelbar im Lernprozess ein Feedback zur individuellen Lernarbeit ermöglichen und Motivation vermitteln. Dies ist aus der pädagogisch-didaktischen Sicht unzweifelhaft ein zentrales Lernmoment: Eine schnelle Rückmeldung zum eingeschlagene Lösungsweg oder Ergebnis unterstützt nachhaltig Lernprozesse.
Der deutsche Erziehungswissenschaftler Felix von Cube hatte dazu bereits in den 70iger Jahren ein umfassendes pädagogisches Konzept vorgelegt: Die kybernetische Pädagogik. Der Lernende sollte in der Auseinandersetzung mit seiner Umwelt über Feedbackschleifen Zusammenhänge erkennen und in einem dynamischen Lernprozess zwischen Lerngegenstand und Aneignung vertiefen. Ein konkretes und sichtbares Ergebnis waren die so genannten Sprachlabore, in denen jeder einzelne Lernende nach eigenen Lernbedürfnissen arbeiten und kontinuierlich ein Feedback auf seine Lernleistungen erhalten konnte.
Tatsächlich sind diese Lerntechnologien weitgehend verschwunden. Allerdings ist wohl nicht die didaktische Relevanz von Lernrückmeldungen in Frage zu stellen, sondern eher die adäquate Umsetzung durch technische Lernhilfen.
In der Entwicklung der eLearning-Angebote wurde schnell deutlich, dass wirksame Feedbacks und eine motivierende Lernbegleitung immer noch die soziale Kommunikation mit realen Menschen erfordern. Diese Erkenntnis führte zum so genannten Blended Learning, das eLearning mit traditionellen Workshops oder (Präsenz-) Seminaren verband. Eigentlich eine alte didaktische Erkenntnis. Die Bedeutung des „menschlichen Bezugs“ in der Pädagogik, war bereits von Herman Nohl in den 30iger Jahren des letzten Jahrhunderts formuliert worden.
In der Begeisterung der Anfangsjahre des eLearnings wurde vielleicht nicht so sehr auf die psychologischen und didaktischen Prinzipien geachtet, die letztlich immer noch die Ergebnisse der Lernarbeit bestimmten. Neben dem sozialen Aspekt ist es sicherlich auch die Handlungsebene, die Umsetzung von Lernerfahrungen in einem realen betrieblichen oder schulischen Kontext, die wichtig für fundierte nützliche und nachhaltige Lernergebnisse sind. Lernen ist eine aktive Auseinandersetzung mit eigenen Erfahrungen, Haltungen und Mustern. Es verändert die eigenen Person, aber auch die Bewertung und Wahrnehmung der Umwelt. Ein solch umfassender Lernprozess ist an Bildschirm und Tastatur eines Computers wohl nur begrenzt zu realisieren.
Ein Blick in die Theoriegeschichte der Bildung und des Lernens zeigt hier eine lange Tradition. Bereits im 17. Jahrhundert veröffentlichte der Gelehrte Johann Amos Comenius (1592 – 1670) in der „Didacta Magna“ die Bedeutung der Nützlichkeit: „Deshalb müssen Dinge, nicht die Schatten von Dingen, der Jugend zum Kennenlernen geboten werden: Dinge sage ich, dauerhafte, wahre, nützliche Dinge, die auf Sinne und Vorstellungsvermögen stark einwirken“ (Comenius, Große Didaktik,1954, S. 135). Nichts anderes sagte etwa auch Pestalozzi (1746-1827) mit der Lernformel „Kopf, Herz und Hand“. Und schließlich bestätigt auch die moderne Hirnforschung die Komplexität des Lernens, als Auseinandersetzungs- und Aneignungsprozess, der kognitive, emotionale und psychomotorische Lernprozesse in einem netzwerkartigen Zusammenhang verortet.
Eine Revolution des Lernens hat das eLearning wohl nicht wirklich gebracht. Die Einbindung in soziale Kontexte und die Berücksichtigung der Komplexität von Lernprozessen als einen aktiven Auseinandersetzungsprozess, wurde vielleicht bisher bei der Entwicklung von digitalen betrieblichen und schulischen Lernarchitekturen noch zu wenig berücksichtigt. Dies wird sicherlich eine Zukunftsaufgabe sein. Unzweifelhaft haben sich aber einige Leistungs- und Angebotsbereiche des digitalen Lernens etabliert und sind auch aus der Gestaltung moderner betrieblicher und schulischer Lernkonzepte nicht mehr wegzudenken:
Unter den Begriffen eLearning oder blended Learning haben sich wichtige Bausteine für wirkungsvolle digitale Lernarchitekturen etabliert. In Zukunft wird es darum gehen, diese Optionen zu erweitern und mit handlungsorientierten und sozialen Komponenten zu verbinden. Dabei kann auch der Blick auf traditionelle Lernformen hilfreich sein.
Im Vordergrund einer didaktischen Planung sollte immer die wirkungsvolle Umsetzung von Lernzielen stehen. Technologie kann dies unterstützen, die eigentliche Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand wird wohl immer ein sozialer und psychologischer Prozess in den Köpfen von Menschen bleiben.
Im Rahmen des Projektes TRANSMISSION standen die Entwickler vor der Aufgabe, für kleine und mittlere Unternehmen eine strategische Personalplanung zu ermöglichen. Den verantwortlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in KMU fehlen dazu oft die Ressourcen und die geeigneten Kompetenzen. Weiterbildungsbedarfe werden selten für die zukünftige Entwicklung des Unternehmens erhoben, vielmehr werden Mitarbeiter eher dann geschult, wenn etwas nicht bedient oder durchgeführt werden kann. Der strategische Blick in die durchaus nahe betriebliche Zukunft ist wenig ausgeprägt.
TRANSMISSION: Im Projekt geht es darum, in vielen kleinen und mittleren Unternehmen den Mitarbeitern eine Teilnahme an den Lernprogrammen zu ermöglichen.
Das Projekt TRANSMISSION wird durch das Programm „weiter bilden und Gleichstellung fördern“ unterstützt und erhält eine Förderung durch das BMAS und den Europäischen Sozialfonds. Die Projektpartner (ESTA-Bildungswerk und SRH Hochschule Hamm) entwickeln seit Jahren Lernprogramme für kleine und mittlere Unternehmen (insbesondere Einzelhandel), die arbeitsplatznah durchgeführt werden können, wenig Präsenzzeit (Abwesenheit) erfordern, und das Gelernte direkt in das praktische Handeln überführen. Diese Lernprogramme sind erprobt und erhalten sehr positive Rückmeldungen von den Unternehmen und Mitarbeitern.
Im Projekt TRANSMISSION geht es darum, in vielen kleinen und mittleren Unternehmen den Mitarbeitern eine Teilnahme an den Lernprogrammen zu ermöglichen. Dazu wurde im Projekt das Plan- und Brettspiel „Das Erfolgsquadrat“ entwickelt, dass eine wirkungsvolle und auf die Ziele des Unternehmens abgestimmte Qualifizierungsplanung erlaubt. Die personalverantwortlichen Mitarbeiter in den KMU sollten lernen, Weiterbildung als Kompetenzaufbau langfristig zu denken. Dazu sollten vier Reflexions- und Planungsschritte durchgeführt werden:
Zunächst gab es Im Projekt die Idee, mit den personalverantwortlichen Mitarbeitern in den KMU mit einer einfachen Software zu arbeiten und dann diese Reflexions- und Planungsschritte am Bildschirm zu begleiten und zu dokumentieren. Die ersten Probeläufe zeigten, dass die Gespräche sehr „technisch“ abliefen. Es entstand keine intensivere Kommunikation zwischen personalverantwortlichen Mitarbeitern der KMU und den Beratern, die Darstellung auf dem Bildschirm war zu unübersichtlich und kleinteilig. Und die Blicke waren auf den Bildschirm gerichtet…wenig Blickkontakt zwischen Lernenden und Berater.
Kurzum: Das ganze System funktionierte, war aber wenig kreativ und inspirierend.
Rückmeldungen: Die Feedbacks der personalverantwortlichen Mitarbeiter und der Berater sind sehr positiv.
Das sollte geändert werden: die experimentelle Idee entstand, die vier Reflexions- und Planungsschritte in ein Plan- und Brettspiel zu verwandeln.
Der Aufbau des Plan- und Brettspiels „Erfolgsquadrat“ ist einfach. Die vier Planungsschritte füllen jeweils einen Quadranten des Spielbretts aus. Der „Weg“ führt vom „Unternehmensziel“ zu den „Maßnahmen“, dann zu den „Kompetenzen“ und schließlich zur „Weiterbildungsplanung“. Der Gesamtprozess ist immer sichtbar, die Zusammenhänge erkennbar.
Der „Lernende“ wählt eine Spielfigur aus und macht sich dann auf den Weg vom Ziel zur Weiterbildungsplanung. Die Spielfigur wird vorgeschoben, wenn ein Schritt zufriedenstellend abgeschlossen wird. Alle Ergebnisse (die Unternehmensziele, die Maßnahmen etc.) werden durch Kärtchen auf dem Spielbrett dokumentiert. Es ergibt sich Schritt für Schritt eine detaillierte Unternehmensplanung. Das „Spielen“ wird mit Materialien begleitet (Hinderniskarten, Checklisten etc.), die trotz der ernsthaften Absicht durchaus auch Spaß machen sollten.
Mittlerweile wurde das Plan- und Brettspiel etwa in 40 KMU durchgeführt. Die Feedbacks der personalverantwortlichen Mitarbeiter und der Berater sind sehr positiv. Die Planungssituationen waren kreativ, entspannter und vor allem hat sich die Motivation der KMU sehr erhöht sich auf die vier Reflexions- und Planungsschritte einzulassen. Hier eine Übersicht über die Rückmeldungen der Berater und KMU-Vertreter:
Die interessante Projekterfahrung in der Nutzung des Planungs- und Brettspiels „Erfolgsquadrat“ war die Integration von kreativen, motivationalen und sozialen Impulsen in einem eigentlich eher sachlichen Planungsprozess. Die Identifikation der KMU-Verantwortlichen mit den Ergebnissen und ihrem Handlungsplan war hoch. Es überrascht eigentlich nicht, dass auch ein kognitiver Planungsprozess von emotionalen Motiven begleitet wird.
Noch einmal zurück zur Diskussion der Entwicklung digitaler Lernwelten. Plan- und Brettspiele können weitere wichtige Bausteine in der Gestaltung effizienter und kreativer Lernarchitekturen sein. Es ermöglicht die Integration wichtiger psychologischer und sozialer Dimensionen. Spannend wird es, wenn hybride Formen neue Optionen herausbilden. Große Touchscreens als Spielflächen und Figuren die darauf bewegt werden können…..auf jeden Fall sollte eine Erkenntnis im Vordergrund stehen: Vom Lernziel denken!